Nicht nur Corona hat Spuren hinterlassen
Sonderveröffentlichung

Berufsinformationstag Crailsheim Nicht nur Corona hat Spuren hinterlassen

Der Ausbildungsmarkt ist ein Bewerbermarkt. Firmen, die sich nicht intensiv um den beruflichen Nachwuchs bemühen, haben kaum noch Chancen junge Fachkräfte für sich heranzubilden. Die Zahl der Bewerbenden sinkt kontinuierlich.

Gerade auch Handwerksberufe - hier ein Zimmerer - bieten jungen Leuten sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten. Trotzden geht die Zahl der Bewerbenden auf die angebotenen Ausbildungsplätze seit einigen Jahren wieder zurück. Foto: HWK Heilbronn-Franken

02.05.2022

Der Ausbildungsmarkt in der Region hat sich in den beiden zurückliegenden Jahren im Wesentlichen wie erwartet entwickelt. Ganz generell waren bei den Arbeitsagenturen zumindest rein rechnerisch mehr Ausbildungsstellen gemeldet als Bewerbende.Grob umrissen kommen in der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken auf 100 Ausbildungsstellen 61 Nachfragen. Doch diese Zahl sinkt kontinuierlich. So bewarben sich etwa im Jahr 2017 nämlich noch 68 junge Menschen auf 100 Ausbildungsplätze. Zu den bereits bekannten regionalen, fachlichen und qualifikatorischen Ungleichgewichten gesellte sich zuletzt auch noch die Corona-Pandemie.

Dabei versuchen die Unternehmen immer mehr und halten trotz aller Unsicherheiten an der Ausbildung fest. „Auch für den Ausbildungsbeginn 2021/22 wurden ausreichend Stellen gemeldet“, sagt Elisabeth Giesen, die Leiterin der Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim. Aber eben mit abnehmender Tendenz.

So wurden von Oktober 2019 bis September 2020 bei den Arbeitsagenturen in der Region insgesamt 8363 Berufsausbildungsstellen gemeldet. Ihnen standen aber lediglich 5118 Bewerbende gegenüber. Das waren noch einmal 591 weniger als im Jahr davor. Am Ende blieben 732 Ausbildungsplätze unbesetzt. Und der Trend hält an: Für das Berichtsjahr 20/21 waren nur noch 4555 Nachfragen angezeigt. Manfred Grab, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Heilbronn: „Die Ursachen für den weiteren Rückgang sind vielfältig und haben nicht nur demografische Gründe. So hatten es viele Jugendliche aufgrund der Corona-Pandemie schwerer, sich um eine Ausbildung zu kümmern. Zahlreiche Maßnahmen zur Berufsorientierung aber auch betriebliche Praktika waren schlichtweg nicht möglich.

Ralf Schnörr, Hauptgeschäftsführer HWK Heilbronn-Franken bilanziert: „Nachdem das Ausbildungsjahr 2020 nach dem Lockdown zunächst sehr langsam anlief, war die Entwicklung dann doch überraschend gut.“ Trotzdem stand zum Stichtag ein leichtes Minus von 3,5 Prozent bei den neu eingetragenen Ausbildungsverhältnissen zu Buche. Ralf Schnörr aber wirbt: „Das Handwerk ist ein stabiler Wirtschaftsbereich ist, der eine hohe Arbeitsplatzsicherheit bietet. Wir hoffen, dass diese Erkenntnis zunehmend bei den Eltern ankommt, die großen Einfluss auf die Berufswahl ihrer Kinder haben. So richtig gewirkt hat der Appell wohl nicht, denn das Handwerk beschäftigt aktuell mit 4041 Azubis rund 11,3 Prozent weniger als noch vor Jahresfrist.

Die Pandemie zeigte auch, dass virtuelle Vermittlungsaktionen den Betrieben zwar helfen, den Kontakt zum begehrten Nachwuchs finden, aber Präsenzmessen wie etwa den Berufsinformationstag, allerdings nichtausgleichen können. Das sieht auch Silke Ortwein so.

Die DGB-Gewerkschaftssekretärin für den Main-Tauber-Kreis und den Stadt- und Landkreis Heilbronn: „Das Matching war zuletzt deutlich erschwert: Praktika und Schulbesuche durch die Agentur konnten kaum oder nur unter erschwerten Bedingungen stattfinden. Silvia Wagner, DGB Gewerkschaftssekretärin für den Landkreis Schwäbisch Hall und den Hohenlohekreis macht deshalb auch deutlich: „Eine gute Ausbildung ist und bleibt das Fundament für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben. Wer Fachkräfte braucht muss ausbilden.“ Jörg Ernstberger, Geschäftsführer Südwestmetall Heilbronn Region Franken verdeutlicht: „Wir haben auch für unsere Branche erstmals seit mehreren Jahren einen Rückgang der Ausbildungsplätze zu verzeichnen, obwohl 75 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen im bisherigen Umfang ausgebildet haben.“ In der Corona-Krise hielt sich aber nicht nur die Elektro- und Metallindustrie etwas zurück. Gerade in den vom Lockdown besonders betroffenen Sparten, wie beispielsweise Friseurgeschäfte, Hotels und Gaststätten, war der Rückgang der Ausbildungsangebote deutlich spürbar. Insgesamt wurden für das Jahr 2021 in Summe von 7961 Berufsausbildungsstellen gemeldet, 402 weniger als vor einem Jahr.

Elisabeth Giesen weist aber darauf hin, dass letztlich trotz allem 889 Ausbildungsstellen nicht besetzt werden konnten. Ralf Schnörr, Hauptgeschäftsführer HWK Heilbronn-Franken: „Wir haben aktuell mit 1662 neueingetragenen Ausbildungsverhältnissen im Jahr 2021 nur ein kleines Minus von 0,6 Prozent und gehen davon aus, bis zum Jahresende die Vorjahreszahlen zu erreichen. Schaut man aber die letzten zehn Jahre bei den Neueintragungen an, stellt man eben einen steten Rückgang fest. Der Anteil des Nachwuchses im Handwerk ist in diesem Zeitraum um gut 15 Prozent gesunken. Auch groß angelegte Imagekampagnen konnten den Trend bislang nicht umkehren.

Bei der IHK Heilbronn-Franken waren bis Ende Oktober 20213713 neu registriert; das entspricht einem Minus von 1,1 Prozent. Hauptgeschäftsführerin Elke Döring: „Der beste Weg, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, ist die betriebliche Ausbildung. Die rund 2500 Ausbildungsbetriebe der IHK stellen etwa12 000 Auszubildende in rund 160unterschiedlichen Berufen.

Silke Ortwein fordert trotzdem weitere Anstrengungen: „Der Wegfall von Ausbildungsstellen nicht nur in den von Corona besonders betroffenen Branchen istschon problematisch. Die Abgangsklassen konnten nur teilweise mit einem Ausbildungsangebot erreicht werden. Viele Abgehende sind auch einfach unterm Radar verschwunden.“

Für die Mitglieder der regionalen Ausbildungsbilanz gilt weiter: Niemand darf verlorengehen – denn jeder Auszubildende von heute ist eine Fachkraft von morgen. Für die Betriebe selbst bleibt die Situation schwierig.

Jörg Ernstberger: „Das Ausbildungsangebot in der Metall- und Elektroindustrie ist zuletzt sogar etwas größer geworden, aber beiden Bewerberzahlen gab es trotzdem einen drastischen Einbruch.“Auch deshalb sind noch viele Ausbildungsplätze für das Jahr2022 nicht belegt. Heribert Lohr