Sonderveröffentlichung

Weihnachts- und Neujahrsglückwünsche Weihnachtliche „Reimwerkskunst“ aus Ulm

„O du fröhliche“ und all die vielen anderen Weihnachtsklassiker kennt man. Richard Hinz weiß, wie die Lieder oder Gedichte ihren Lauf nehmen. Als „Reimwerker“ fügt er ihnen weitere Verse an.

Der „Reimwerker“ Richard Hinz mit einer Sammlung seiner Fortsetzungsgedichte.

31.12.2019

Von Heike Viefhaus

In der Adventszeit Plätzchen backen, das Zuhause hübsch weihnachtlich dekorieren und sich Gedanken über das Festtagsmenü machen – Anfang der 70er-Jahre wohl eher reine Frauensache. Oder etwas für Ulms Hausmann Nr. 1, Richard Hinz (mehr dazu siehe Info). Neben Hausarbeit und Heimwerken ist seine große Passion jedoch das „Reimwerken“, wie er sagt: „Ich weiß eigentlich nicht, was ich lieber mache, eigene Gedichte schreiben oder Verse der ganz großen Poeten zu einem guten Ende bringen?!“ Richard Hinz schreibt also auch Fortsetzungsgedichte. Sogar Weihnachtsliedern hat er zusätzliche Strophen verpasst: „,Stille Nacht, heilige Nacht‘, ,O du fröhliche‘ oder ,O Tannenbaum‘ habe ich in ernsthafter Weise weitergesponnen. Bei ,Leise rieselt der Schnee‘ oder ,Lasst uns froh und munter sein‘ konnte ich mir in den abschließenden Strophen einen Hauch augenzwinkernde Konsumkritik – in Anbetracht der vorweihnachtlichen Kauflust, die öfter mal in Kauffrust endet – nicht verkneifen.“

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600 Tannenbäume
schmücken während der Waldweihnacht die Innenstadt von Göppingen. Zur Weihnachtszeit verwandelt sich die Stadt in einen echten Zauberwald.

Zehn D-Mark für drei Strophen

Frustration und eine gewisse Form von Revolutionslust veranlassten Hinz zu dem Gedicht „... und Frieden auf Erden“. „Unter dem Titel, einem Bibelzitat aus Lukas Weihnachtsevangelium, folgt ein dreistrophiger Appell an die Menschheit, aufzustehen, um gegen Kriege und Ungerechtigkeit persönlichen Einsatz zu zeigen, damit wir miteinander in einer friedlichen Welt leben können. Geschrieben habe ich das Gedicht 1968, während meiner Bundeswehrzeit in Laupheim. Und ich wollte, dass die Botschaft gelesen wird. Also habe ich es an die Zeitung geschickt und schließlich 10 D-Mark für die Veröffentlichung bekommen.“ Heute treibt Hinz nicht Frust, sondern die pure Lust zum Reimen an: „Geh mit offen Augen durch die Stadt. Höre, was um dich rum passiert. Und mach ein paar Notizen. Ich bin total happy, wenn mir dann stante pede Verse in den Sinn kommen... Nur muss man die dann auch im Hirn behalten bis man zuhause vor dem Tablet sitzt und mit dem Tippen beginnt.“ Oder aber, der Reimwerker lässt seine Ideen gleich an Ort und Stelle lebendig werden, wenn er zum Beispiel Marktleute auf dem Ulmer Wochenmarkt oder das Personal der Apotheke, von Banken oder Behörden mit einem heiteren Zweizeiler begrüßt.

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36,08 Meter
hoch ist der größte Nikolaus der Welt. Er steht in der Schweiz. Seit 1998 wird der jedes Jahr der Kirchturm der Pfarrkirche St. Niklaus im Kanton Wallis in das Gewand des Nikolaus gehüllt.

„Was wirklich geschah!“

Hunderte von eigenen Gedichten sind Hinz „schon aus der Feder geflossen. 70 bis 80 Fortsetzungsgedichte etwa kommen noch dazu.“ Die Vorgaben sind zum Beispiel die Balladen Friedrich Schillers, die spöttisch-satirischen Gedichte Heinrich Heines oder die humoristisch-geistreichen Verse von Ringelnatz und Roth. „Der Rettungsgedanke ist es, der mich dann zum Weiterdichten bringt – einige Gedichte haben einen düsteren oder ungerechten Ausgang. Über den kurzen, den ausschweifenden, den ernsten oder absurden manchmal auch holprigen Versweg, gibt es dann doch ein lyrisches Happy End“. Manchmal mit einer nicht ganz ernstgemeinten Interpretation im Sinne von: Was wirklich geschah! „In Goethes Erlkönig stirbt der Knabe nicht etwa gepeinigt von Fieberwahn, düsteren Todesahnungen oder Halluzinationen. Nein!“, sagt Hinz spitzbübisch lachend: „Der Vater hat einen kurzen Moment lang seine Aufsichtspflicht vernachlässigt. Der Sohnemann frönte währenddessen den Freuden unerlaubten Alkoholkonsums in Auerbachs Weinkeller. Und schwups, hatte ihn der Schwips bewusstlos werden lassen. Und die Moral von der Geschicht: Auerbechern lohnt sich nicht!“

Der Hausmann als Heim- und Reimwerker

Der„Reimwerker“ Richard Hinz ist eigentlich gelernter Industriekaufmann. Bis Anfang der 70er-Jahre war er bei Falschebner, einem früheren Elektrofachgeschäft in der Ulmer Hirschstraße, beschäftigt. Als er und seine Frau damals Nachwuchs bekamen, war für ihn klar: „Ich werde Hausmann“. Unter verwunderten Blicken der anderen Teilnehmerinnen besuchte er als einziger Mann eine Veranstaltung des Hausfrauenbundes an der Ulmer VH im Einsteinhaus. Presse und Fernsehen wurden so auch auf „Ulms ersten Hausmann“ aufmerksam und berichteten.

Mit seinen Kolleginnen vom „Ulmer Dichterkreis“ konnte man Hinz schon bei Auftritten in der Region erleben. Bei der Ulmer Kulturnacht gibt er im Gemeindehaus der St. Georgskirche auch immer Kostproben seines Reimwerkes zum Besten.