Kurze Clips, große Wirkung
Sonderveröffentlichung

Job-Börse Click it! Kurze Clips, große Wirkung

Recruiting: Soziale Medien werden für die Unternehmen immer wichtiger, um Nachwuchs zu gewinnen. Viele Firmen präsentieren sich etwa auf Instagram und Youtube – andere nutzen die Videoapp TikTok.

Für lustige TikTok-Videos können sich die Ventilatoren von Ziehl-Abegg schon mal in einen „Bob“ verwandeln. Die Regie hierfür übernahmen die Verantwortlichen des Kanals, Sophie Grill (links) und Rebecca Amlung. Foto: Ziehl-Abegg

06.05.2021

Wenn Firmen junge Leute auf sich aufmerksam machen wollen, müssen sie sich dorthin begeben, wo sich die zukünftigen Nachwuchskräfte am liebsten aufhalten – in die sozialen Netzwerke. Viele Betriebe wecken die Neugier vor allem mit Videos, die einen Blick hinter die Kulissen gewähren.„Social Media haben einen festen Platz in unserem Recruiting von Azubis und Studierenden“, sagt Jan Deininger, Pressesprecher beim Haller Verpackungsmaschinenbauer Optima. So hat sein Unternehmen eine Social-Media-Kampagne gestartet, um in Bild und Ton neue Mitarbeiter für das Ausbildungsjahr 2022 zu gewinnen. Dabei berichten Azubis und duale Studenten, wie sie zu ihren Jobs gekommen sind und was ihnen besonders gefällt – das kommt bei den Jugendlichen an. Die Clips sind auf Instagram, Facebook und Youtube zu sehen.   

Wichtige Informationsquelle

„In den Vorstellungsgesprächen haben uns die Kandidaten erzählt, dass sie durch die Videos einen guten Einblick in die Berufe bekommen haben“, schildert Deininger. Dabei hätten auch die angehenden Fachkräfte selbst vor der Kamera viel Spaß.

Ähnliche Erfahrung hat das Bauunternehmen Leonhard Weiss gesammelt. „Social Media sind für uns ein wichtiges Instrument, um mit unserer jungen Zielgruppe direkt in Kontakt zu treten und zu bleiben“, erklärt Social-Media-Manager Dominik Strauß. „Viele Bewerber geben im Job-Interview auf Nachfrage an, sich vorab über diese Kanäle informiert zu haben.“

Ausgesprochen beliebt seien Film-Clips vom Baustellengeschehen, von Maschinen in Aktion und Drohnenaufnahmen. Aber auch Berufsvorstellungsvideos und Erfahrungsberichte würden gerne angesehen. Dabei spiele der seit 2019 betriebene Instagram-Kanal eine immer wichtigere Rolle. „Das zeigte sich vor allem 2020, als wir coronabedingt unsere jährliche Ausbildungsmesse durch die Instagram-Live-Vorstellung ‚Ausbildung hautnah’ ersetzt haben“, so Strauß. „Dadurch konnten wir den potenziellen Bewerbern die Berufe zumindest virtuell näherbringen.“ Die Resonanz sei sehr positiv gewesen, bot sich doch die Gelegenheit, direkt Fragen zu stellen. „TikTok“ ist hingegen für die meisten Firmen Neuland. Die 2016 in China entwickelte Videoapp ist für ihre kurzen lustigen Tanz- und Playbackeinlagen sowie Challenges bekannt – und ist bei Jugendlichen ein absoluter Renner.

Ein regionales Unternehmen, das sich rangewagt hat, ist etwa Ziehl-Abegg. „Ich stand gerade mit meiner Kollegin Rebecca Amlung an der Kaffeetheke, als wir uns überlegt haben, das Ganze einfach mal auszuprobieren“, berichtet Pressesprecher Rainer Grill. Um den Geschäftsführer zu überzeugen, habe es keine fünf Minuten gedauert. Und so ist im ersten Video im Juni 2020 zu sehen, wie Grill angesichts der Genehmigung vor Freude tanzt.

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Tanzeinlagen wie hier bei Ziehl-Abegg in Künzelsau sind die Klassiker unter den TikTok-Clips. Foto: Screenshots
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Das erfolgreichste TikTok-Video der Würth-Gruppe zeigt, wie aus einem Fahrrad ein „E-Bike“ werden kann. Foto: Screenshots

Zur Hobbygruppe zählt auch seine Tochter Sophie Grill, die in der Firma eine Lehre zur Industriekauffrau absolvierte. Das Trio behält die TikTok-Trends im Blick und tüftelt aus, was sich davon umsetzen lässt. Die Ergebnisse: Witzige Büro-Sketches, Tanz- und Playbackdarbietungen sowie Challenges, bei denen es zum Beispiel gilt, auf besonders coole Art Flaschen zu öffnen – etwa mit einem Regelgerät. „Wir haben keine Marketing-Strategie entwickelt, sondern einfach losgelegt, ganz ohne Druck und Erfolgszwänge“, hebt Rainer Grill hervor. Zudem werde ihnen völlig freie Hand gelassen.

Bereits nach kurzer Zeit war die Resonanz enorm. Die Clips kamen so gut an, dass Ziehl-Abegg im Oktober 2020 sogar eine Auszeichnung bekam: Beim Deutschen Preis für Onlinekommunikation (DPOK) erreichte der Ventilatorenhersteller in der Kategorie „TikTok-Kampagne des Jahres“ den zweiten Platz, gemeinsam mit „Otto“, der Volksbank Mittelhessen und Mercedes-Benz. Den ersten Rang sicherte sich das Klinikum Dortmund.

Auch Kunden sind auf TikTok

Die TikTok-Aktivitäten von Ziehl-Abegg als „Business-to-Business-Unternehmen“ muten ungewöhnlich an. Schließlich verkaufen solche Firmen nur an Industriekunden und nicht an Privatleute. „Mit den Videos erreichen wir aber nicht nur junge Leute, sondern auch unsere Kunden und Lieferanten. Damit haben wir selbst nicht gerechnet“, unterstreicht Rainer Grill. Neben lobenden Nachrichten seitens der Abnehmer gibt es einen weiteren positiven Nebeneffekt: Der Kanal mit seinen inzwischen gut 30 500 Followern hat einige zukünftige wie ausgelernte Kräfte dazu bewogen, sich beim Betrieb zu bewerben. Zu den großen Tik-Tok-Pionieren in der Region zählt auch die Würth Gruppe. „Unser Kanal ist Anfang 2019 aus der Not heraus entstanden“, erzählt Social-Media-Managerin Stefanie Koch. „Für die Kampagne ‚#Handwerkrockt’ haben wir nämlich nach einer Möglichkeit gesucht, unsere Produktwerbung mit Rocksongs zu hinterlegen. Auf Instagram ging das damals noch nicht. Also sind wir auf TikTok umgestiegen“, erläutert sie.

„Mehr als nur ein Hype“

Bald habe man festgestellt, dass es sich bei der App nicht nur um einen Hype handle, sondern um eine ernstzunehmende Plattform. „Wir haben gesehen, dass wir dort unsere beiden wichtigsten Zielgruppen erreichen: junge Handwerker als unsere Kunden und potenzielle Bewerber.“

Nach den ersten Testversuchen und Analysen wird der Kanal nun seit Beginn des Jahres 2020 richtig bespielt. Inzwischen haben ihn 31 500 User abonniert. Geboten wird eine Mischung aus Produktpräsentationen, Lifehacks, Challenges und lustigen Videos. „Unser erfolgreichster Clip hat 1,7 Millionen Views. Er zeigt, wie mit einem Akkuschrauber aus einem Fahrrad ein ‚E-Bike’ wird“, erklärt Stefanie Koch.

Ein vierköpfiges Team dreht pro Woche zwei bis drei Videos. Die Protagonisten sind oft Azubis, Studenten und Praktikanten. „Für TikTok braucht man viele kreative, junge Leute, die mit Apps aufgewachsen sind“, so die Expertin. „Der Kanal ist sehr aufwendig. Ich vermute, dass einige Unternehmen aus diesem Grund die App noch etwas scheuen. Aber sie macht auch unheimlich viel Spaß, und wir haben heute eine sehr aktive Community.“

Für das Recruiting von Nachwuchskräften stehe jedoch Instagram im Zentrum. „TikTok belegt hier nur Platz zwei“, sagt Koch schmunzelnd.

   

"Für TikTok braucht man viele kreative, junge Leute, die mit Apps aufgewachsen sind."