Was hast du eigentlich gelernt?
Sonderveröffentlichung

Berufswahl und Zukunft Was hast du eigentlich gelernt?

Wellness, Fitness, gesunde Ernährung: Auf Instagram oder Youtube sind das große Themen, für die sich auch viele Jugendliche interessieren. Wer hätte gedacht, dass der Beruf „Diätassistent/in“ alle diese Komponenten vereint? Namen sind eben oft nur Schall und Rauch.

Je mehr Infos desto besser: Wer mehr über verschiedene Berufe weiß, findet eher das, was am besten zu ihm passt. Foto: Monique Wüstenhagen/dpa-mag

21.07.2021

Eine Berufsausbildung, in der es um die Trendthemen Wellness, Fitness und Ernährung geht geht, nennt sich Diätassistent/in. Das klingt für Jugendliche oft wenig ansprechend. Aber wie sehr beeinflussen solche Bezeichnungen wirklich die Berufswahl – und ist das überhaupt so schlimm? „Meine Erfahrung aus der Berufsberatungspraxis ist, dass sich die Jugendlichen unter vielen Berufen wenig vorstellen können“, sagt Sarah Müller, Berufsberaterin bei der Bundesagentur für Arbeit in Bremen. Deshalb gehen viele vor allem danach, was sie aus der Familie kennen, wovon sie schon gehört haben oder was sie sich selbst erklären können. Das reproduziert Muster: „Die Mädchen wollen immer noch sehr gerne in den kaufmännischen Berufen arbeiten“, so Müller. Auch die Ausbildung zur medizinischen oder zahnmedizinische Fachangestellten oder das Berufsfeld Pflege gehören dazu. Die Jungen würden sich zwar ebenfalls für kaufmännische Berufe entscheiden, hauptsächlich aber für etwas Handwerkliches, beispielsweise als Kfz-Mechatroniker oder Tischler.

Bei der Berufswahl: keine Chancen vergeben

Dass sie dadurch mitunter Chancen vergeben, ihr Potenzial in unbekannteren Berufen einzusetzen, ist den wenigsten bewusst. „Berufe, unter denen Jugendliche sich nichts vorstellen können oder die unattraktiv klingen, werden oft im Vorfeld ausgeschlossen und nicht weiter beachtet“, sagt Monika Hackel vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Das träfe selbst dann zu, wenn deren Tätigkeiten zu ihnen passen würden. Der Berufsname als Aushängeschild sei daher im Berufswahlprozess nicht zu unterschätzen.

Klischeebefreite Berufsorientierung

Das stellt manche Arbeitgeber vor ein Problem. Einige Branchen reagieren darauf inzwischen mit mehr gezielter Kommunikation und großen Nachwuchskampagnen. André John spricht im Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) etwa für die IT-Systemelektroniker – von jeher ein männerdominierter Beruf. John plädiert generell für mehr Berufsorientierung an den Schulen. Die technikorientierten Berufe gerieten bei vielen Frauen gar nicht in das Blickfeld. Wenn Technik aber schon im Unterricht vorkäme, dann könnten sie sich viel eher davon angesprochen fühlen.

Würde es aber nicht helfen, manche Ausbildungen attraktiver oder verständlicher zu benennen? In einigen Berufsverbänden wird darüber nachgedacht. Wie es beim BIBB heißt, habe man beispielsweise schon Ende der 90er-Jahre festgestellt, dass sich auf Stellen der „Mediengestalter/ in Digital und Print“ deutlich mehr Frauen bewarben als auf die Vorgängerberufe „Schriftsetzer/ in“ und „Druckvorlagenhersteller/ in“.

André John warnt allerdings davor, einen Namen nur zu Marketingzwecken zu vergeben. „Das Ganze muss insgesamt in das System passen und aussagekräftig sein.“

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FOTO: EHRENBERG-BILDER - FOTOLIA

Karrierewege im Umfeld hinterfragen

Grundsätzlich geht es also für Jugendliche vor allem darum, herauszufinden, welche Ausbildungen es überhaupt gibt und was sich hinter den Bezeichnungen wirklich verbirgt. Berufsberaterin Sarah Müller empfiehlt Jugendlichen deshalb, auch im Alltag mehr darauf zu achten, was die Menschen im eigenen Umfeld beruflich machen, und aktiv das Gespräch mit Familie, Freunden und Bekannten zu suchen. „Junge Menschen können hinterfragen: Was haben meine Eltern eigentlich gelernt oder studiert, und was arbeiten sie heute? Als was arbeitet meine Tante, mein Cousin oder mein Nachbar?“

Auch aktiv zu beobachten, welche Berufsgruppen einem tagtäglich begegnen – wie die Verkäuferin, die Angestellten in der Bank, die Fahrerin der Straßenbahn – kann die Augen für neue oder unbekannte Berufsfelder öffnen. „Viele junge Menschen können nach genauerer Beobachtung zumindest Berufsbereiche benennen, die sie interessant finden“, so Müller. Dann würden sich etwa Praktika, der Girls’- und Boys’-Day oder Messebesuche auch gut eignen, um diese Berufe und Tätigkeiten einmal näher kennenzulernen. dpa