Praxis oder Schulbank?
Sonderveröffentlichung

Pädagogische Fachkräfte Praxis oder Schulbank?

Bildung: Eine ganze Reihe an Berufsausbildungen findet nicht im Betrieb, sondern an Fachschulen statt. Das bringt Besonderheiten und viele uneinheitliche Regeln mit sich.

Zum Beispiel Erzieher: Eine Reihe an Berufsausbildungen findet an Berufsfachschulen statt – oftmals verbunden mit Praxistagen oder -wochen in einer Einrichtung. Foto: dpa/Markus Hibbeler

12.04.2022

Ob Erzieher, Diätassistent oder Ergotherapeut: Gerade im Sozial- und Gesundheitsbereich finden viele Ausbildungen nicht dual, sondern an der Berufsfachschule statt. Wer sich für diesen Ausbildungsweg interessiert, muss erst einmal verstehen, was es damit auf sich hat. Antworten auf wichtige Fragen.

Was sind schulische Ausbildungen eigentlich?

Hier lernen die Auszubildenden nicht wie im dualen System abwechselnd in Betrieb und Berufsschule, sondern an einer Berufsfachschule. Der Begriff führe allerdings in die Irre, sagt Hanna Stellwag, die beim Fachbereich „Gesundheit und Soziales“ der Gewerkschaft Verdi für die Themen Berufspolitik und Jugend zuständig ist. „Schulische Ausbildungen finden nie nur in der Schule statt“, sagt sie. Vielmehr gebe es auch unterschiedliche Praxisphasen. Und bei Gesundheitsfachberufen wie beispielsweise der Medizinisch- technischen Assistentin (MTA) erfolge die Ausbildungszeit mittlerweile sogar zu einem hohen Anteil in einem Betrieb.

Für welche Ausbildungen gibt es Berufsfachschulen?

„Landes- und bundesrechtlich geregelt sind deutlich mehr als 100 schulische Ausbildungsberufe“, sagt Matthias Hertle von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Neben den Gesundheits- und Sozialberufen wie der Pflegefachkraft, dem Erzieher oder dem Logopäden listet das Portal Berufenet unter anderem auch die Fremdsprachenkorrespondentin oder den Industrietechnologen auf. Ob eine Ausbildung vorwiegend an der Fachschule oder im Betrieb stattfindet, hängt laut Matthias Hertle schlicht von dem Beruf ab, den man ausüben möchte.

Was sollte man vorab bedenken?

Eine schulische Ausbildung kann zwischen einem und dreieinhalb Jahren dauern. „In der Regel besteht kein Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung“, sagt Hanna Stellwag. Im Gegenteil: Obwohl sich gerade in den Gesundheitsberufen einiges getan habe, werde oft noch Schulgeld verlangt. „Das kommt immer ein bisschen auf das Bundesland und den Ausbildungsgang an.“

Darüber hinaus sollten Interessierte darauf achten, dass der jeweilige Abschluss der Berufsfachschule auch in anderen Bundesländern anerkannt ist. Andernfalls können Absolventinnen und Absolventen später nicht bundesweit tätig sein.

Kann man sich die Schule aussuchen?

Die angehenden Auszubildenden suchen sich die Schule im Allgemeinen selbst aus, sagt Hanna Stellwag. „Meistens bewerben sich die Bewerber an verschiedenen Schulen und sagen dort zu, wo sie gerne hinwollen.“

Wie ist das Bewerbungsverfahren aufgebaut?

Grundvoraussetzung für die Zulassung ist an den meisten Berufsfachschulen ein mittlerer Schulabschluss. Je nach angestrebten Beruf kommen weitere Bedingungen hinzu – zum Beispiel ein bestimmtes Mindestalter oder ein Gesundheitszeugnis. Daneben kann es an verschiedenen Schulen auch Eignungstests geben.

Vor einer ergotherapeutischen Ausbildung zum Beispiel durchlaufen die Kandidatinnen und Kandidaten etwa einen internen Auswahlprozess. „In den meisten Bewerberverfahren werden die sozial-kommunikativen Kompetenzen überprüft“, sagt Schirmer. Es kann auch praktische Übungen und Allgemeinwissenstests geben.

Wie läuft die Ausbildung ab?

Das ist in der jeweiligen Ausbildungsordnung und dem Rahmenlehrplan geregelt. Dennoch können Ausbildungen an Berufsfachschulen sehr unterschiedlich ablaufen. Abhängig ist das etwa von Faktoren wie dem Job, der Branche und dem jeweiligen Bundesland. Außerdem spielt es eine Rolle, ob eine Schule einen öffentlichen oder privaten Träger hat.

Hanna Stellwag macht das am Beispiel der Erzieherinnen und Erzieher deutlich. Für die gebe es einerseits Modelle, bei denen etwa drei Jahre Schule und ein Anerkennungsjahr vorgesehen sind. Anderswo wiederum liefe die Ausbildung blockhaft im Unterricht und in der Praxis ab. Oder ähnlich zur dualen Ausbildung – drei Tage in der Berufsschule, zwei Tage in der Praxis. Jede Schule mache das ein wenig anders.

Wie sieht es mit den Kosten und der Finanzierung aus?

Auch die Frage nach Kosten und Finanzierung unterscheidet sich oft – je nachdem, welche Schule man für welchen Beruf in welchem Bundesland besucht. Die Ausbildung an Pflegeschulen immerhin ist für die Auszubildenden mittlerweile bundesweit kostenfrei, Auszubildende erhalten auch eine Vergütung.

Für angehende Ergotherapeutinnen oder Ergotherapeuten stellt sich die Finanzierung hingegen weniger eindeutig dar, sagt Julia Schirmer. „Wir haben Bundesländer, da gibt es kein Schulgeld mehr, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Wir haben sogar Schulen, die eine Ausbildungsvergütung zahlen, etwa in Rheinland-Pfalz.“ In anderen Ländern koste die Ausbildung zum Ergotherapeuten weiterhin etwas.

Wer Schulgeld zahlen muss, um seine Wunsch-Ausbildung zu durchlaufen, kann sich über finanzielle Förderhilfen informieren. Neben dem Schüler- und Aufstiegs-Bafög kommen hier mitunter ein Bildungskredit oder die Berufsausbildungsbeihilfe der Bundesagentur für Arbeit infrage. Hendrik Polland, dpa