Metzingen: Die Situation ist extremer geworden, so TuS-Manager Ferenc Rott
Sonderveröffentlichung

TusSies in der Saison 2022/2023 Metzingen: Die Situation ist extremer geworden, so TuS-Manager Ferenc Rott

Interview - Ferenc Rott, Manager der TuS Metzingen, sieht seine Mannschaft gut aufgestellt für die anstehende Spielzeit, weiß allerdings nicht, wo man ab 2025 spielen wird, wenn die Öschhalle den Standards nicht mehr entspricht. 

TuS-Manager Ferenc Rott kann sich seit der EM auch für den Frauenfußball begeistern - an erster Stelle stehen aber natürlich immer noch seine TusSies. Foto: Thomas Kiehl

09.09.2022

Endlich geht es wieder los, die Fans der TusSies atmen auf. Sie dürfen sich auf eine spannende Saison freuen, weil in der Bundesliga hinter dem Überteam aus Bietigheim alles möglich scheint. Auch für die TuS Metzingen, wie Geschäftsführer Ferenc Rott im Interview vor dem Saisonstart betont.

Herr Rott, alle Jahre wieder gibt es bei der TuS Metzingen einen großen Umbruch. Oder sehe ich das falsch?

Ferenc Rott: Wenn man das neue Trainerteam Werner Bösch und Manel Cirac mit einrechnet, kann man das vielleicht so sehen. Ansonsten sind doch viele Spielerinnen vom Stamm geblieben, größer als zunächst gedacht ist der Umbruch aber schon ausgefallen. Die Situation insgesamt ist extremer geworden. Vereine werden nur noch als Sprungbrett angesehen, langfristige Verträge gibt es fast nicht mehr. Das ist der neue Zeitgeist. Für unsere Möglichkeiten haben wir für die kommende Saison ein sehr ordentliches Team am Start.

Nach dem Abgang von Anna Albek klafft auf halbrechts aber eine Lücke. Mit Jana Scheib wurde zwar eine Nachfolgerin verpflichtet, die allerdings bei den Vipers in Bad Wildungen ihren Vertrag erfüllen muss, erst im nächsten Jahr kommt.

Mit der Verpflichtung von Viktoria Woth haben wir darauf reagiert. Linkshänderin ist sie keine, die sind auf dem Markt sehr rar – entweder nicht erschwinglich, oder aber passen sie nicht zu uns. In Maren Weigel haben wir eine ganz erfahrene Spielerin, Marte Juuhl Svensson ist beidhändig unterwegs und hat es in der Vorbereitung im rechten Rückraum überragend gemacht. Auch die anderen Rückraumspielerinnen können jederzeit aushelfen.

Dann ist die Baustelle also nicht ganz so groß. Am Kreis, beziehungsweise im Mittelblock, gibt es eine weitaus größere. Heimkehrerin Julia Behnke wurde in den Vorbereitungsspielen vermisst.

Da wurden ja auch noch keine Punkte verteilt. Probleme mit ihrem operierten Knie tauchten erst nach der Vertragsunterschrift auf. Wir müssen geduldig sein, es sieht aber sehr gut aus. Bis zum Saisonbeginn wird sie in einem guten Zustand sein und uns helfen können. Wie wichtig Jule in der Abwehr ist, muss ich ja niemand erklären. Aus diesem Grund haben wir mit ihr auch einen Dreijahres-Vertrag gemacht, planen langfristig. Ganz im Gegensatz zu dem, was ich vorher gesagt habe. Sie ist eine ganz wichtige Spielerin in unserem Konzept.

Insgesamt ist der Kader nicht gerade üppig besetzt.

Wenn nichts Gravierendes passiert, ist der Kader optimal. Weil wir international keine Einsätze haben, passt es. Zudem haben wir ja auch nicht Geld im Überfluss.

Mit Werner Bösch und Manel Cirac ist ein neues Trainerteam bei der Arbeit. Sind Sie zufrieden mit ihrer Wahl?

Wenn ich nicht überzeugt von ihnen wäre, hätte ich sie ja nicht geholt. Beurteilen kann man bisher aber nur die Vorbereitung. Sie sind jung und engagiert, die Stimmung ist gut. Die Kommunikation sogar sehr gut, wir tauschen uns aus, möchten gemeinsam den Verein voranbringen. Sie bringen ihre eigenen Ideen ein, wollen attraktiven und erfolgreichen Handball spielen. Das ist ganz in meinem Sinne.

Endlich gab es wieder eine Saison mit Zuschauern. Ausverkauft, wie vor Corona eigentlich immer, war es allerdings selten. Wie ist der Dauerkartenverkauf vor der Saison 2022/23 gelaufen?

Da gibt es im Vergleich zur vergangenen Saison keine neuen Zahlen. Um die 500 Dauerkarten gingen weg und das ist gut. Die Resonanz hat in allen Hallensportarten nachgelassen, nur König Fußball ist wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Ich hoffe, dass es nun wieder aufwärts geht, hoffe noch mehr, dass keine neuen Wellen über den Sport schwappen.

Was kann man über die wirtschaftlichen Voraussetzungen sagen, blieben die Sponsoren am Ball?

Wir werden das Niveau der vergangenen Spielzeit wieder erreichen, allerdings jenes von vor Corona noch nicht. Das Ziel ist, dass wir irgendwann mal wieder da hinkommen. Festzuhalten bleibt, dass wir uns auf unsere Sponsoren verlassen können.

Gibt es da auch Zahlen dazu?

30 Prozent haben wir eingebüßt, liegen jetzt bei einer Million. 1,3 waren es einmal, mit Tendenz 1,4. Die allgemeine Verunsicherung trägt allerdings nicht dazu bei, dass uns potenzielle Geldgeber die Bude einrennen.

Die Professionalisierung im Frauenhandball soll voranschreiten. Einhergehend damit gibt es neue Hallenstandards, die ab 2025 greifen sollen. Ohne jetzt ins Detail zu gehen: die Öschhalle entspricht ihnen nicht.

Korrekt. Das ist aber ja nicht neu. Wir werden mit der Stadt sprechen, in dieser Saison müssen wir Klarheit bekommen, was geht und was nicht.

Was soll gehen? Es kommt doch nur ein Neubau infrage – und man kann sich doch nicht vorstellen, dass die Stadt Metzingen einen solchen stemmen wird, die sich in dieser Beziehung doch schon sehr defensiv verhalten hat, als noch mehr Geld da war. Bleibt dann nur der Umzug nach Tübingen?

In dieser Saison werden wir zwei Mal in der Paul-Horn-Arena spielen, die aus naheliegenden Gründen natürlich auch eine Alternative ab 2025 darstellt. Weil es die einzige Halle weit und breit ist, die den Anforderungen entspricht, außer, man würde in die Landeshauptstadt ausweichen.

Und wie sieht es mit einer interkommunalen Lösung aus? Schließlich sind die Männer des VfL Pfullingen auch sehr ambitioniert unterwegs. Sollten da die beiden Vereine nicht Druck machen?

Ich sehe das anders. Was haben wir denn im Kreis Reutlingen an Veranstaltungsorten? Abgesehen von der Stadthalle in Reutlingen gar nichts. Für kleinere Sachen ist die in Ordnung, größere Events sind mangels Kapazität aber ausgeschlossen. Ein Multifunktionsbau würde sich in vielerlei Hinsicht gut machen – nicht nur für Handballvereine. Die müssen da nicht vorangehen. Es liegt am Kreis Reutlingen, diese Lücke zu schließen, die es schon viel zu lange gibt. Was aber sicher nicht in den nächsten Jahren geschehen wird. Da muss man in Deutschland zu viele Hürden überspringen.

Kommen wir zurück zum Sport und der Handball-Bundesliga der Frauen. Wie werden die Plätze hinter der Übermannschaft SG BBM Bietigheim verteilt?

In der Tat wird die Bietigheimer Dominanz bleiben, da bin ich mir ganz sicher. Dahinter sehe ich an Position zwei den Thüringer HC, ab Platz drei wird es enger denn je. Dortmund, Neckarsulm, Buxtehude und Blomberg sind zu beachten, wir wollen in diesem Kreis auch mitmachen. Ziel ist es, uns für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren. Das wird aber eine gewaltige Aufgabe.

Abschließend noch eine Frage an den Manager der TusSies, der einst ein sehr guter Fußball-Torhüter war: Was halten sie vom Frauenfußball, der seit der EM einen Boom erlebt?

Ich finde es einfach großartig, wie Frauenfußball der in der ganzen Welt gepusht wird. Früher war ich skeptisch, da bin ich ganz ehrlich, die EM habe ich aber mit Begeisterung verfolgt. Das Niveau ist enorm und der DFB ist da auf einem richtigen Weg - was man vom DHB noch nicht wirklich behaupten kann. Da wird viel geredet, aber wenig gemacht für den Frauenhandball. Männer geben dort ganz klar den Ton an. Und noch eines: Ich kann es nicht mehr hören, dass Frauenfußball oder -handball ein ganz anderer Sport sei als jener der Männer. Hat irgendjemand moniert, dass Gina Lückenkemper bei der Leichtathletik-EM beim Sieg über 100 Meter um einiges langsamer war als der Sieger bei den Männern, man es deshalb nicht als gleichwertigen Wettbewerb sehen könne? Diese saudumme Unterscheidung gibt es nur in den Mannschaftssportarten.

Jetzt habe ich aber einen wunden Punkt getroffen.

Schon gut - nur noch eines: Ich bin dermaßen begeistert vom Frauenfußball, dass ich mir Karten für das Eröffnungsspiel zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München besorgt habe. Das hat sich angeboten, weil wir einen Tag später mit der TuS Metzingen in Blomberg spielen. Ich will unbedingt sehen, wie sich die EM-Begeisterung fortsetzt. Wolfgang Seitz