Die Sache mit der Geschichtsschreibung
Sonderveröffentlichung

1250 Jahre - drei Stadtteile, ein Fest! Die Sache mit der Geschichtsschreibung

Ortschroniken: Melchingen legt vor, Burladingen und Gauselfingen sind dagegen seit Jahrzehnten im Verzug. Jubiläums-Festschrift, die jetzt erschienen ist, will Anregungen geben, das Versäumte nachzuholen.

Innenminister Lothar Späth (l.) überbrachte 1978 die Urkunde zur Stadterhebung. Beim Festakt musste der spätere Ministerpräsident überstürzt abreisen, weil die Regierung Filbinger kippte.

16.09.2022

In Melchingen arbeitete man seit Monaten an einer Neufassung und Erweiterung der Ortschronik von 1972. Sie ist inzwischen fertiggestellt und wird im Oktober erscheinen.

In Burladingen wurde hingegen seit der 1957 von August Speidel verfassten Ortschronik zwar immens viel über die Stadtgeschichte, die lokale Kirchengeschichte und über einzelne Vereine geschrieben, aber die Daten und Ereignisse wurden nicht zentral erfasst, nicht gesammelt und nicht in einer leicht fasslichen Zusammenschrift aufgearbeitet.

Und dabei hat sich in vergangenen Jahrzehnten wirtschaftlich und kommunalpolitisch enorm viel getan: Kreisreform, Gemeindereform, Schulreform, die Textilindustrie erlebte ihren Höhepunkt und Niedergang, neue Gewerbe sind entstanden... Wer‘s wissen will, muss die Daten mühevoll zusammenklauben.

Ähnlich beklemmend sieht es in Gauselfingen aus, einer einstmals ebenfalls blühenden Textil-Industriegemeinde. Hier legte Alois Eisele vor Jahrzehnten eine herausragende Chronik vor – die seither ebenfalls nicht fortgeführt wurde.

Die Festschrift, die zum Jubiläum erscheint, kann diesen Mangel in Bezug auf Burladingen und Gauselfingen nicht ausgleichen. Sie muss sich im Falle der Kernstadt mit Schlaglichtern in Form von Zeitzeugen-Interviews begnügen, während wiederum Gauselfingen eine andere Form gewählt hat, eher anekdotisch (trotzdem sehr kurzweilig). Nur Melchingen ist fein raus, die dortige Redaktion steuerte aus ihrer neuen Ortschronik einige Artikel als Leseproben bei – und kann auf den Oktober verweisen, wenn das vorbildlich verfasste, reichlich bebilderte Gesamtwerk herauskommt.

Doch es scheint, als ob das Interesse geweckt wäre, Gauselfingens Ortsvorsteherin Silvia Roos und ihr Mitredakteur Sven Rempe waren kaum zu bremsen, brachten 60, statt der vereinbarten 30 Seiten daher. Sie waren dann gezwungen, zu kürzen – und bedauerten sehr, die Schätze, die sie aufgetan hatten, nicht präsentieren zu können.

Wiederum die Macher des Burladinger Festschriftteils erhielten während ihrer Recherche viel Zuspruch und Unterstützung. Mehrfach äußerten Interviewpartner und Tippgeber den Gedanken, es wäre dringend notwendig, die jüngere Heimatgeschichte aufzuarbeiten.

Mit Hilfe von Archiven dürfte es auch in 100 Jahren noch möglich sein, die wesentliche Vorgänge in der Stadt seit den 1950er-Jahren zu rekonstruieren. Dann aber auf mühselige Weise. Momentan jedoch leben noch Zeitzeugen, deren Erzählungen Pfade durch den Dschungel weisen können, die Bescheid wissen über die Historie der Firmen und des Gewerbes, der Ladengeschäfte, die es einst gab oder über die Kneipen, die nicht mehr existieren. Noch wissen Menschen, die dabei waren, wie sich die Schullandschaft formte oder wie zäh die Gemeindereform verlief. Doch die Zahl der Zeitzeugen wird weniger.

Die Festschrift ist am Dienstag erschienen. Bei der Präsentation im Rathaus der Stadt drückte sich der Wunsch aus, dass sie nicht als abgeschlossenes Werk angesehen wird, sondern bestenfalls als der Startschuss für weitere Exkursionen in die jüngere Vergangenheit der Kernstadt und des Stadtteils Gauselfingen. bad 

Festschrift ist erhältlich

Historie Wer mehr über die jüngere Ortsgeschichte Burladingens – aber auch Gauselfingens und Melchingens – erfahren möchte, lese die 1250-Jahr-Festschrift. Sie ist unter anderem am Wochenende auf dem Marktplatz erhältlich.