
Nach China, den USA und Indien lag Deutschland 2023 weltweit auf Platz 4 der Salz produzierenden Länder. 15 Millionen Tonnen wurden in der Bundesrepublik hergestellt, davon sechs Millionen Tonnen Steinsalz. Jede zwölfte Tonne Steinsalz kam aus Stetten. Vor etwa 240 Millionen Jahren war das Hügelland rund um Haigerloch von einem Binnenmeer bedeckt, das im Lauf der Jahrmillionen verdunstete. Übrig blieben mehrere Meter mächtige Salzablagerungen. Heute profitieren davon nicht nur Verkehrsteilnehmer, sondern insbesondere auch Hightech-Anwendungen bis hin zu Künstlicher Intelligenz.
Damals und heute
So spielt Salz als Gewürz im Stettener Fall schon lange keine Rolle mehr. Vielmehr macht Auftausalz für sichere Straßen den mengenmäßig größten Teil aus. Dazu kommt seine wohl wichtigste Bedeutung: die Verwendung als Industriesalz. Hier kommt die Wacker Chemie AG ins Spiel, zu dem das Salzbergwerk Stetten seit mittlerweile 100 Jahren gehört. Das bayerische Chemieunternehmen benötigt Industriesalz für eine seiner grundlegenden Reaktionsprozesse, der sogenannten Chloralkalielektrolyse. Dabei werden aus Natriumchlorid - so die chemische Bezeichnung für Salz - Chlor, Natronlauge und Wasserstoff gewonnen. Das weltweit größte WACKER-Werk im oberbayerischen Burghausen verarbeitet pro Jahr rund 80.000 Tonnen Salz, hierfür fährt in der Regel zweimal wöchentlich ein Zug mit Stettener Salz nach Burghausen.
Das daraus gewonnene Chlor wird unter anderem zur Produktion von hochreinem Polysilicium verwendet. Und das ist der Grundstoff sowohl für Solarmodule als auch für Mikrochips, die in nahezu jedem elektronischen Bauteil zu finden sind, von der Küchenmaschine bis hin zu Smartphone und Tablet. Rechnerisch steckt in fast jedem zweiten Mikrochip weltweit Polysilicium von WACKER und in übertragenem Sinn auch Salz aus Stetten.
Geschichte mit Salz
Schon zu Beginn seiner Chlorproduktion Anfang der 1920er Jahre benötigte das erst wenige Jahre alte WACKER-Werk in Burghausen eine große Menge an Industriesalz. Aus diesem Grund pachtete WACKER 1924, also vor 100 Jahren, das Salzbergwerk Stetten bei Haigerloch. Das Salzbergwerk, das circa 80 Kilometer südlich von Stuttgart liegt, bestand zu dieser Zeit schon seit 70 Jahren. Der Stettener Salzabbau begann 1857, ab 1875 erfolgte der Abbau durch Bohren und Sprengen. Arbeiter bohrten dabei die Löcher per Hand, befüllten sie mit körnigem Schwarzpulver und zündeten die Sprengladung.
Ab 1924, zeitgleich mit der WACKER-Pacht, erleichterten elektrische Bohrmaschinen die Arbeit der Bergleute deutlich. Heutzutage unterstützen Maschinen bei allen Abbauarbeiten untertage. Die Gewinnung durch Bohren und Sprengen gibt es noch, seit 2018 wird Salz jedoch zusätzlich mittels der sogenannten schneidenden Gewinnung abgebaut. Dabei arbeitet sich die Maschine mithilfe von Fräsköpfen durch die Lagerstätte. Die komplette Aufbereitung des Rohsalzes findet ebenfalls untertage statt.

Um die Langzeitstabilität des Bergwerks zu gewährleisten, werden die leeren Kammern nach dem Salzabbau wieder verfüllt. Als ideale Lösung erweist sich hier Versatzmaterial, also mineralische Reststoffe, die ohnehin sicher verwahrt werden sollen - sicher vor allem vor Witterungseinflüssen wie Regenwasser. Gegenüber einer Lagerung an der Oberfläche bietet das Salzbergwerk hier entscheidende Vorteile: die absolut wasserundurchlässigen Gesteins- und Bodenschichten oberhalb des Salzes, und das Salz selbst als zuverlässiger Indikator, dass die Kammern auch wirklich sicher sind vor Wasser. Wäre dem nicht so, hätte sich das bekanntermaßen wasserlösliche Salz nicht über Millionen von Jahre halten können.
Heute findet sich im Bergwerk jede Menge Technik: 15 Kilometer Bandanlagen, 84 Förderbänder und 120 Fahrzeuge bringen das Salz von A nach B. Über den 2008 in Betrieb gegangenen Clara-Stollen können auch Lkw direkt ins Bergwerk einfahren.
Ein Thema, das im Stettener Salzbergwerk großgeschrieben wird, ist die Sicherheit der Bergleute. Schon in frühen Jahren gab es eine Grubenwehr. Einhundert Jahre später ist darin rund ein Drittel der Belegschaft organisiert. Rund 500.000 Tonnen Salz werden in Stetten pro Jahr gefördert. Es ist eines von zwei noch aktiven Salzbergwerken in ganz Baden-Württemberg. WACKER investiert stetig in das für den Konzern so wichtige Bergwerk. So wurden in den letzten beiden Jahren ein Labor und ein neuer Versatzannahmehof in Betrieb genommen.
Auch wird der Fuhrpark ständig ertüchtigt, um die modernsten und emissionsärmsten Motoren zum Einsatz zu bringen, und es werden auch Elektrofahrzeuge eingesetzt. Trotz aller Moderne spielt gerade im Bergbau Tradition eine große Rolle. So gehört in Stetten beispielsweise die Heilige Barbara zum tagtäglichen Bild. Zu ihren Ehren findet jährlich eine Feier rund um den Barbara-Tag am 4. Dezember statt. Somit bleibt im Salzbergwerk Stetten beides gewahrt, Historie auf der einen Seite und - über die Einsatzgebiete des Salzes - Hightech auf der anderen.