Von Heike Siegemund
Hitzewallungen, Schlafstörungen, Depressivität: Dies sind die drei typischen Beschwerden, die bei Frauen in den Wechseljahren auftreten können, sagt Dr. Markus Windstoßer, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Praxis in Deggingen. In den Wechseljahren hören die weiblichen Eierstöcke auf, Hormone zu produzieren. Deshalb kommt es bei vielen Frauen zu Beschwerden, weiß der Gynäkologe, der gesundheitliche Probleme nicht nur mit schulmedizinischen Methoden zu lösen versucht, sondern mit einem ganzheitlichen Ansatz. Denn Frauenkrankheiten seien sogenannte Systemerkrankungen, also Krankheiten, bei denen der gesamte Körper betroffen ist und nicht nur ein einzelnes Organ.
Daher bietet Windstoßer seinen Patientinnen neben der Schulmedizin pflanzliche Alternativen an und lässt ihnen dabei die Wahl. Denn er weiß, dass Hormone in Form von Tabletten nicht bei allen den besten Ruf genießen: Diese Medikamente „lösen teilweise Ängste aus, an Krebs zu erkranken“, berichtet der 53-Jährige. Bis zum Jahr 2003 hätten zahlreiche Frauen Hormone eingenommen, erinnert er sich. Dabei habe es sich um Hormone aus Pferde-Urin trächtiger Stuten gehandelt. „Dadurch ging es den Frauen fast schlagartig besser.“ Doch dann seien die Ergebnisse einer amerikanischen Studie veröffentlicht worden, an der 160 000 Frauen teilgenommen hatten: Demnach „war das Brustkrebsrisiko nach langjähriger Einnahme gering erhöht“. Diese Ergebnisse „gingen wie ein Lauffeuer um die Welt“, blickt Windstoßer zurück. Der Hormonmarkt brach ein; das Wort Hormone erhielt einen schlechten Ruf.
Ein Jahr später wurden die Ergebnisse einer französischen Studie bekannt: 20 000 Frauen hatten über mehrere Jahre naturidentische, künstlich hergestellte Hormone eingenommen – „und es gab kein erhöhtes Krebsrisiko“. Eine weitere finnischen Studie (400 000 Frauen) führte gar zum „finnischen Paradoxon“: Hier war das Brustkrebsrisiko sogar um 40 Prozent vermindert. „Wie es dazu kam, kann man sich nicht erklären“, sagt Windstoßer und verdeutlicht zusammenfassend: „Es wurde bewiesen, dass Hormone und Krebs nicht zusammenhängen“.
Man könne Wechseljahrbeschwerden also mit Hormonen behandeln („bei einem erhöhten Brustkrebsrisiko in der Familie würde ich allerdings aufpassen“), betont der 53-Jährige. „Es ist aber immer gut, wenn man Alternativen hat“, ergänzt der Experte und verweist auf pflanzliche Präparate. Bekannt seien beispielsweise die Traubensilberkerze und Sojaprodukte. Dabei handle es sich um pflanzliche Wirkstoffe, die von der Struktur her Hormonen ähneln. „Diese Phytoöstrogene entfalten eine leichte Hormonwirkung ohne Nebenwirkungen und helfen hauptsächlich bei Hitzewallungen.“
Bei Depressivität seien Johanniskrautpräparate empfehlenswert: „Diese haben die Wirkung, dass der Spiegel an Glückshormonen im Gehirn erhöht wird“, erklärt Windstoßer.
Sie wirken ähnlich wie Antidepressiva, wobei Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder Magenunverträglichkeit nicht auftreten.
Noch eher unbekannt sei die Behandlung mit Magnesium. „Hier gibt es aber Studien mit guten Ergebnissen“, weiß der Facharzt für Frauenheilkunde. Bei Magnesium handle es sich um eine Substanz, die das Stresshormon Cortisol vermindert. Bei einer regelmäßigen Einnahme würden alle elektrischen Vorgänge im Körper entspannt: „Der Blutdruck sinkt, der Herzschlag wird vermindert, die Blutgefäße entspannen sich, es treten weniger Herzrhythmusstörungen auf, und das Herzinfarktrisiko sinkt um 40 Prozent“, zählt Windstoßer auf. Oft könne Magnesium alle drei typischen Probleme in den Wechseljahren verbessern – „denn alle drei sind zurückzuführen auf zu viel Stresshormone: Cortisol und Adrenalin“. Magnesium sei in Kapselform oder als Pulver (Magnesiumgehalt von 400 bis 800 Milligramm täglich) erhältlich. Beachten müsse man: „Man sollte Magnesiumcitrat verwenden und nicht Magnesiumoxid“. Letzteres werde nur zu fünf Prozent vom Körper aufgenommen, Citrat hingegen zu 40 Prozent.
Darüber hinaus gebe es weitere Substanzen, die Stresshormone herunterfahren, zum Beispiel die indische Frucht Ashwagandha aus der Ayurveda-Medizin. Auch hier gebe es Studien, wonach entsprechende Präparate bei Hitzewallungen und Stress helfen – ohne Nebenwirkungen.
Zusammenfassend sagt Windstoßer: „Theoretisch könnte man die Probleme in den Wechseljahren mit Stressbewältigungstechniken unter Kontrolle bekommen“. Doch wer in der Alltagsmühle gefangen sei, den könne man nur schwer herausholen. Trotzdem empfiehlt der Degginger Arzt, sich generell „nicht zu viel aufzubrummen“ und auch nicht stets perfekt sein zu wollen. Stress zu vermeiden, sei auch in den Wechseljahren das A und O.
Wann treten Wechseljahrbeschwerden auf
Im Durchschnitt tritt bei Frauen im Alter von 51 Jahren die letzte Monatsblutung auf, informiert Markus Windstoßer. Dann komme es zu einem Hormonmangel, wodurch Beschwerden auftreten könnten. Manche hätten auch schon vorher kurze Hormonmangelphasen. Wie lange dauern Wechseljahrbeschwerden an? „Es gibt eine Faustregel: Je stärker die Beschwerden sind, desto länger hat man damit zu kämpfen“, informiert Windstoßer weiter. „Die Beschwerden treten bei manchen Frauen nur ein Jahr auf, bei anderen können sie 30 Jahre andauern.“