Die Bretter, die die Welt bedeuten
Sonderveröffentlichung

40 Jahre Theater Lindenhof - Hechingen Die Bretter, die die Welt bedeuten

Kultur: Aus der aus jugendlichem Eifer entstandenen Initiative wurde ein professioneller Theaterbetrieb – und die 960-Seelen-Gemeinde Melchingen erlangte eine nie geahnte Prominenz.

Jubiläumsfeier im Lockdown? Das war anders geplant. Aber es gibt einen Plan B: Die Lindenhöfler Stefan Hallmayer (links) und Bernhard Hurm warfen schon in einem Radiofeature ein Schlaglicht auf das 40-jährige Jubiläum des Regionaltheaters. Foto Richard Becker

31.05.2021

Im Jahr 1981 kaufte eine Gruppe theaterbegeisterter junger Menschen das Gasthaus „Linde“ mit anliegender Scheune in Melchingen auf der Schwäbischen Alb. Ihr Ziel: „kritisch, poetisches Volkstheater mit Kernbezug zur Schwäbischen Alb“ zu machen. Treibende Kraft der Initiative war Uwe Zellmer, damals Berufsschullehrer in Reutlingen und Leiter einer Theater-AG, heute im Ruhestand. Damals schon an seiner Seite, Bernhard Hurm, Student der Sozialpädagogik, heute über 60 und zweiter Intendant und Schauspieler im Theater Lindenhof.

Viel Einsatz gebracht

Die Anfangsjahre waren alles andere als einfach. Nicht nur, weil die Bewohner der 960-Seelen-Gemeinde Melchingen erst gar nicht so recht wussten, wie sie die jungen Leute, von denen einige ziemlich alternativ daherkamen, einschätzen sollten. Vielmehr musste das freie Theater damals allein vom Einsatz der Beteiligten überleben, die ihre Arbeitskraft, viel Zeit und Geld in das Projekt investierten.

Erst einige Jahre später kam mit dem ersten Schritt in die Kulturförderung eine Wende: Für das kleine Theater, gelegen an der Schnittstelle der Landkreise Reutlingen, Tübingen und Zollernalb, wurde ein Finanzierungsmodell entwickelt, über das 1994 die ersten maßgeblichen öffentlichen Mittel in das Projekt Lindenhof flossen.

Ab da ging es bergauf. Neben der Aufbauarbeit im Melchinger Lindenhof sind jene Jahre vor allem geprägt durch die ersten spektakulären Freilichtinszenierungen, der weitere folgten. Genannt seien hier der winterliche Theaterspaziergang auf dem Melchinger Himmelberg, die Zugfahrt, das Theater auf der Melchinger Burg oder im Schloss in Gomaringen.

Das Spektrum der Stücke, die im Theater Lindenhof auf die Bühne kamen, wurde immer breiter. Neben Geschichten aus der Region kommen heute auch Theaterklassiker auf die Bühne. Besondere Aufmerksamkeit erlangte man mit Bürgertheater-Projekten, wie der Inszenierung des Mössinger Generalstreiks, mit über 100 Mitspielern und Orchester. Zahlreich sind auch die Gstspiele des Theaters Lindenhof, wie etwa bei den Ruhrfestspiele in Recklinghausen oder den Hamburger Theatertagen, bei denen die Melchinger dieses Jahr mit der Hölderlin-Inszenierung „Darum wandle wehrlos fort, und fürchte nichts!“ vertreten sein werden.

Melchingen ist Nummer 1

Von den rund 350 Veranstaltungen im Jahr finden rund 230 am „Spielort Nummer 1“ in Melchingen und 120 verteilt in ganz Baden-Württemberg statt.

Das Theaterhaus in Melchingen wurde von 2016 bis 2019 umfassend saniert und erweitert. Unvorstellbar, dass vor fünf Jahren die Schauspieler noch bei Wind und Wetter über eine Außentreppe die Bühne betreten mussten. Unvergesslich für viele Zuschauer sind der Wartebereich zwischen Vorderhaus und Scheune im Freien und später die kalten Füße im Zuschauerraum.

In der Jubiläumsspielzeit hatte das Theater vor, alle neuen Räume ausgiebig zu bespielen. Doch seit März 2020 sind auch die Türen des Theaterhauses geschlossen. Gearbeitet wurde die meiste Zeit trotzdem. Ein Streaming-Angebot wurde auf die Beine gestellt und neue Produktionen zur Bühnenreife gebracht. In den Startlöchern steht eine Inszenierung von „Der eingebildete Kranke“, eine Neuauflage von „Spätzle mit Soß!“ und ein Kriminalstück nach einem Roman von Wolfgang Schorlau. Und im Sommer wird es ein Hölderlin-Stück auf der Tübinger Neckarinsel zu sehen geben.

Aber das 40-jährige Jubiläum musste leider noch im Lockdown gefeiert werden. Die virtuelle Feier am 22. Mai ist den Tehatermachern gut gelungen. Bei der Online-Gala gratulierten Weggefährten und Partner, einen Rückblick in Bildern und Filmausschnitten und dazu viel Musik. Simone Haug