Ein Stück wie gemacht für die Zeit der Pandemie
Sonderveröffentlichung

40 Jahre Theater Lindenhof Ein Stück wie gemacht für die Zeit der Pandemie

Theater: Der Lindenhof zeigt vom 2. bis zum 6. Juni, auf der Tübinger LTT-Hofbühne eine schwäbische Fassung von Moliéres „Der eingebildete Kranke“.

Das Theater Lindenhof zeigt nächste Woche die Komödie „Der eingebildete Kranke“ von Molière auf der Hofbühne des Landestheaters Tübingen. Bei den Proben in Melchingen herrschte Maskenpflicht. Auf der Open-Air-Bühne wird mit mehr Abstand und weitgehend maskenlosen Gesichtern gespielt. Foto: Richard Becker

31.05.2021

Der Dramaturg des Theater Lindenhof, ,Franz Xaver Ott, hat aus der Bearbeitung von Martin Heckmanns eine schwäbische Fassung von Molières „Der eingebildete Kranke“ gemacht. Die Einladung nach Tübingen durch Intendant Thorsten Weckherlin freut die Melchinger sehr, da die Inzidenzzahlen im Zollernalbkreis bisher keinen Spielbetrieb im Mutterhaus zulassen.

Inszeniert hat Regisseur Christoph Biermeier das Stück ganz in der Tradition der Commedia dell’arte, als Typenkomödie. Gespielt wird sehr körperlich und ausdrucksstark. Die Figuren spiegelten dabei gesellschaftliche Phänomene wider, so Biermeier. Die Familie des „kranken“ Argan ähnele dabei einem Staat, indem, wenn das Oberhaupt schwächelt, alle versuchten, das Beste für sich herauszuholen.

Im „Staate“ des kranken Argans spielt ihm jeder etwas vor, um sich seine Sympathie – und Geld – zu erschleichen: Dr. Diarrhörius spielt einen Arzt, ein Kumpel von ihm spielt seinen Sohn. Béline, Argans zweite Frau, spielt die treusorgende Gattin, betrügt ihren Mann aber nach Strich und Faden. Cléante ist verliebt in Vaccine, und um sie sehen zu können, spielt er den verhinderten Musiklehrer. Vaccine spielt die liebende Tochter, um sich bei ihrem Papa einzuschmeicheln, denn Béline will sie aus dem Weg räumen, um alles allein zu erben. Und selbst Toinette, die wohlmeinende Haushaltshilfe, ist gezwungen, Argan einen Arzt vorzuspielen, um ihn von seiner „Krankheit“ zu befreien. Sie leben auf Argans Kosten, während er die Sorgen und das Leid der ganzen Welt auf sich nimmt. Das hinterlässt Spuren in Argans Gesundheit: Besonders der Verdauungstrakt kann das viele Leid nicht mehr bewältigen und muss daher häufig „durchgespült“ werden.

Für Dramaturg Georg Kistner passt Molière sehr gut in die aktuelle Zeit der Pandemie. Habe nicht jeder gerade – wie Argan – das Gefühl, er trage die Last der Welt auf seinen Schultern, und er selbst komme stets zu kurz? Und habe nicht jeder eine grundsätzliche Panik vor Ansteckung und fühle eine obskure „Lebensbedrohung“? Dabei werde, so Biermeier und Kistner, nicht über den Kranken oder Kranke an sich gelacht, sondern vielmehr über den Eingebildeten, der glaube, er sei das Zentrum der Welt, und der von ihr ungeteilte Aufmerksamkeit erwartet.

Die Gastspiele auf der Open-Air Bühne des Landestheaters Tübingen beginnen jeweils um 19.30 Uhr. Für den Besuch einer Vorstellung ist ein negativer Schnelltest oder ein vollständiger Impfschutz Voraussetzung. Nähere Infos zu Testmöglichkeiten findet man auf der Webseite des Landestheaters. Der Kartenverkauf findet ebenfalls über das LTT statt.