Ein Roadmovie lässt Energie zum Feiern
Sonderveröffentlichung

42. Französische Filmtage Ein Roadmovie lässt Energie zum Feiern

Vorhang auf! Die 42. Französischen Filmtage starten in Tübingen und Reutlingen auf dem Fahrrad: Der tragikomische Roadtrip „À bicyclette!“ nach einer wahren Geschichte eröffnet 2025 die frankophone Filmschau.

Zwei Kumpel auf der Suche: Mathias (Mathias Mlekuz) und Philippe (Philippe Rebbot). Foto: MES Productions - F comme Film

01.01.1970

Beim Tübinger Festival-Auftakt radeln die beiden Kumpel Mathias (Mathias Mlekuz, auch Regie) und Philippe (Philippe Rebbot) vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer. Sie machen das nicht, um ihre Männerfreundschaft zu festigen, sondern um die Route abzuchecken, auf der Mathias‘ Sohn Youri tragischerweise verschwand. Das hört sich an wie ein knallharter Stimmungsdämpfer, doch entlang der Strecke ergeben sich wie von selbst auch viele komische Momente, eingebettet wechselnde Landschaften. Die Dokufiktion beruht auf realen Begebenheiten. 

Von 29. Oktober bis 5. November präsentiert Tübingens ältestes, größtes und bekanntestes Festival zirka 60 Spielfilme und Dokumentationen aus Frankreich, Belgien, der französischen Schweiz, aus sechs afrikanischen Ländern sowie aus Kanadas frankophoner Provinz Québec. Die vier Festivalstädte sind Tübingen, Reutlingen, Rottenburg und Stuttgart. Den Publikumspreis in Höhe von 3000 Euro werden Tübingen und Stuttgart städteübergreifend erstmals gemeinsam vergeben.

Im Internationalen Wettbewerb konkurrieren diesmal neun Erst- oder Zweitfilme junger Regisseurinnen und Regisseure um den Preis der Filmtage Tübingen. Die Reihe „Horizons“ stellt weitere aktuelle Kinoproduktionen vor. Die Programmauswahl trafen die neue Festivalleiterin Lisa Haußmann, Bärbel Mauch von der Afrika-Sektion der Filmtage und der langjährige kaufmännische Geschäftsführer Florian Bauer. 

Durch den Eröffnungsabend im Tübinger Kino Museum am 29. Oktober ab 19.30 Uhr geleitet Haußmann gemeinsam mit Stefanie Schneider, der Co-Vorsitzenden der Filmtage Tübingen. Das Reutlinger Programmkino Kamino überträgt die Eröffnung live und zeigt das Roadmovie auf zwei Rädern dann ebenfalls.

Mit schlanken 89 Minuten dürfte der Radlertrip über die Kinoleinwand den Gästen noch genügend Energie lassen, um nach der Vorstellung in Tübingen in den Oberen Museumssälen zu feiern. Musik dazu macht Aly Keïta auf dem Balafon. 

Festivalzentrum ist erstmals nicht die Filmtagelobby, sondern das Kino Museum: mit Infotheke, Ticketverkauf und Bar. Weitere Spielstätten in Tübingen sind das Kino Atelier und das Kino Blaue Brücke. Festivalkneipen werden das Café Haag und das Lokal Neckawa (vormals Casino).

Neu ist das erweiterte Programm für Kinder, auch für solche, die für das Schulkino noch zu jung sind. Speziell für sie gibt es ein Kurzfilmprogramm mit fünf kleinen Animationsfilmen, überwiegend ohne Dialoge. Der Familientag am Sonntag, 2. November, lockt mit teils kostenlosen Filmvorstellungen und Mitmachangeboten. Für Kinder, die noch nicht oder noch nicht so gut lesen können, werden Untertitel live eingesprochen. 

Nach dem männerbetonten Auftakt stehen beim Tübinger Festivalfinale zwei Frauen im Mittelpunkt: In der Tragikomödie „Des preuves d’amour“ (15Liebesbeweise) erwartet Céline (Ella Rumpf) ihr erstes Kind,aber schwanger ist sie nicht. Ihre Frau Nadia (Monia Chokri) wird das Baby zur Welt bringen. Vorab werden die Filmtage-Filmpreise bekannt gegeben.

Info: Das detaillierte Programm gibt es online unter filmtage-tuebingen.de. Als Heft liegt es in den Festivalkinos aus und im diesjährigen Festivalcenter im Foyer des Kinos Museum.


Kolonialismus, Krisen und Croissants

Begegnungen: Mehr als 20 internationale Gäste versprechen spannende Begegnungen in den Kinosälen und drumherum.

Auf Europa und die Welt blicken die Filmtage mit Diskussionen und Gesprächen zu den neuerlichen politischen Turbulenzen in Frankreich und zum Kolonialismus. Neu in diesem Jahr ist das Filmfrühstück. 

Brezeln und Croissants sind Zutaten für das Filmfrühstück, bei dem Festivalbesucherinnen und -besucher Gästen der Wettbewerbsfilme begegnen und in entspannter Atmosphäre mehr zu den Filmen, deren Entstehung und Themen erfahren können, auch anhand von Filmausschnitten. Als Gastgeber dabei sind Filmtageleiterin Lisa Haußmann, Stéphane Goudet vom Filmtage-Partnerkino „Les Méliès“ in Montreuil bei Paris, sowie Olivier Pierre. Die beiden Frühstückstermine im Kino Museum sind Samstag, 1. November, und Montag, 3. November, jeweils 11 Uhr. 

Dem Kolonialismus durch Frankreich und Belgien und mit Frantz Fanon einem besonders wirkmächtigen Kolonialismus-Kritiker widmen sich zwei Gesprächsrunden in Kooperation mit dem Institut Culturel Franco-Allemand, dem Romanischen Seminar und dem Zentrum für frankophone Welten an der Uni Tübingen sowie mit Susanne Goumegou, Professorin für Romanische Philologie und Direktorin des Interdisciplinary Centre for Global South Studies. Es wird jeweils Deutsch und Französisch mit Simultanübersetzung gesprochen. Um die Bedeutung von Fanon und seiner bahnbrechenden Bücher „Die Verdammten dieser Erde“ und „Schwarze Haut – Weiße Masken“ geht es den Regisseuren Jean-Claude Barny („Fanon“), Dani Kouyaté („Katanga, la danse des scorpions“), Hind Meddeb („Soudan, souviens-toi“), Achille Ronaimu („Diya“) und der Editorin Nadia Ben Rachid („Promis le ciel“) am Samstag, 1. November, 15.30 Uhr, im Stadtmuseum. Zudem diskutiert Regisseur Jean-Claude Barny mit Tübinger Masterstudierenden über seinen Film „Fanon“: Dienstag, 4. November, 10 bis 12 Uhr im Brechtbau, Raum 009. 

Als humorvoll, kenntnisreich und informativ wurde Nadia Pantels autobiografisch angereichertes Frankreich-Buch „Das Camembert-Diagramm“ begrüßt. Mit der Filmtage-Co-Vorsitzenden Stefanie Schneider fragt die Autorin „Wie tickt Frankreich?“ und versucht, die derzeit etwas unübersichtliche Stimmungslage im Land ihrer Großmutter zu durchdringen. Pantel war vier Jahre Frankreichkorrespondentin der „Süddeutschen Zeitung“ und hat auch einen klaren Blick auf die aktuelle Regierungskrise in Paris. Institut Culturel Franco-Allemand, Donnerstag, 30. Oktober, 17.30 Uhr. Eintritt frei.

Politischen Aktivismus in Frankreich jenseits der Gelbwesten greift der Film „Soulèvements“ auf. Die Zadisten besetzen Gebiete, die durch Großprojekte bedroht sind. Regisseur Thomas Lacoste ist Festivalgast.