Charlotte Dorothea Beyer. Auf den ersten Blick ist dieser Name nur den profunderen Kennern der Lokalhistorie ein Begriff. Konkreter wird's, wenn das Grafenberger Pfarrhaus ins Spiel kommt. Denn dort liegen die Wurzeln eines bedeutenden württembergischen Dichters - vielleicht sogar des bekanntesten Lyrikers zwischen Romantik und Realismus: Eduard Mörike.
Besagte Charlotte Dorothea Beyer ist die Mutter des Dichters. Sie wuchs im Pfarrhaus auf. Und dieses zählt nicht nur zu den prominentesten, sondern auch zu den schönsten Gebäuden in Grafenberg. Damals, als die junge Charlotte dort lebte, war Grafenberg ein typisch württembergischer Ort: Die Menschen rackerten sich um das Jahr 1775 in der Landwirtschaft ab, die Bevölkerung war arm, der Alltag hart und entbehrungsreich.
Doch Grafenberg spielte schon zu jener Zeit eine Rolle in der Geschichte der Region. Erstmals erwähnt wird die Siedlung im Jahr 1246 - und zwar in einer Urkunde, in der der damalige Grafenberger Pfarrer bei Papst Innocenz IV. um Erhöhung seiner Pfründe nachsucht. Allerdings ist der Ort vermutlich um einiges älter.
Bereits vor über 4 000 Jahren siedelten auf der heutigen Gemarkung des Ortes Menschen, Scherbenfunde aus der Zeit um 500 vor Christus belegen auch eine Besiedlung in der Keltenzeit. Und auch die Römer fanden Lage und Landschaft anziehend und hinterließen hier ihre Spuren. Wie die Gemeinde Grafenberg zu ihrem Namen kam, ist ebenfalls eine der interessanten Geschichten. In der ersten Urkunde ist noch von „de monte“ die Rede, eine spätere Urkunde aus dem Jahr 1254 erwähnt den Ort als „Berc“.
Aber was hat es mit den Grafen auf sich? 50 Jahre später erscheint urkundlich erstmals „Grawenberge“, da man Verwechslungen mit anderen Berg-Orten ausschließen wollte. Ob auf dem Grafenberg jemals eine „GrafenBurg“ stand, ist umstritten. Zwar deuten Flurnamen wie „Burgstall“ oder „Burgwiese“ darauf hin, dass hier einmal eine befestigte Anlage bestanden haben mag, bei Ausgrabungen 1989 wurden jedoch keinerlei Reste einer Burg oder Hinterlassenschaften ihrer Bewohner gefunden.
Auch ohne Burganlage: Grafenbergs besondere Lage in luftiger Höhe machte die Siedlung offensichtlich anziehend für ihre Bewohner - und für die, die dort Grundbesitz hatten. Das ist bis heute so geblieben. Die Gemeinde hat sich längst gewandelt von der einst landwirtschaftlichen Siedlung zur attraktiven Wohngemeinde.
Plätze in den Baugebieten waren begehrt in den vergangenen Jahrzehnten. Und mit der Einweihung der lange ersehnten Ortsumfahrung 2019 hat das Dorf noch mehr an Lebensqualität gewonnen. Doch mittlerweile gerät Grafenberg in Sachen Bauland genauso an seine Grenzen, wie viele Orte im Erms- und Neckartal. Für die Wohnbebauung ist mittlerweile noch eine Fläche vorgesehen - und zwar die im Anschluss an das Wohngebiet Brunnäcker, erklärt Bürgermeister Volker Brodbeck.
Statt auf Landschaftsverbrauch setzt seine Gemeinde auf Innenverdichtung und Restauration: „Unser Ziel ist es, dass junge Menschen die Häuser der älteren Generation im Ort wieder herrichten, erweitern oder ausbauen.“
Nicht nur als Wohnort kann Grafenberg punkten. Die einst bäuerliche Ortschaft gilt als Gewerbestandort, der sich nicht zu verstecken braucht. Stolze 659 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bietet die gut 2500 Einwohner zählende Gemeinde an, rechnet Volker Brodbeck. Etliche Firmen und Betriebe haben sich dort angesiedelt, darunter GlobalPlayer wie die Chemie-Spezialisten der Rampf-Gruppe. Und demnächst baut der Discounter Aldi in Grafenberg.
Ausstellung zur Ortsgeschichte
Zum Jubiläum hat der Arbeitskreis Kelter eine Ausstellung konzipiert. Die Schau „Spuren der Ortsgeschichte“ ist zu folgenden Zeiten geöffnete: Samstag/Sonntag 8./9., 15./16. und 22./23. Juli, jeweils von 11 bis 18 Uhr. Am 9. und 23. Juli gibt es Kaffee und Kuchen in der Kelter.