Sonderveröffentlichung

Berufswahl und Ausbildung Vom Akademiker zum Handwerker

Wie der Wechsel gelingen kann: Anlagenmechaniker statt Anglist – eine Ausbildung nach dem Studium machen

Foto: adobestock/UMB-O

28.01.2024

In vielen akademischen Berufen bleiben die Ergebnisse der Arbeit abstrakt, manchen Menschen fehlt womöglich die Praxis. Eine denkbare Option dann: raus aus dem akademischen Beruf – und eine Ausbildung im Handwerk starten. Hier ist Nachwuchs schließlich gefragt. Doch wie findet man heraus, ob das der richtige Schritt sein könnte – und wie geht man ihn am besten an? Olaf Craney vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsberatung kennt den Wunsch von Akademikern, ins Handwerk zu wechseln. „Bei kreativen und sprachlich orientierten Studiengängen kommt das häufiger vor, weil nach dem Studium erst eine Orientierungsphase stattfindet“, sagt er. „Praktisch orientierte Studiengänge weisen das weniger auf.“

Wechsel mit Umfeld besprechen

Allerdings gilt ihm zufolge auch: „Es ist ein Unterschied, ob jemand ein Problemlösen möchte, indem er den akademischen Tätigkeitsraum verlässt oder ob die Motivation wirklich ist, ins Handwerk zu wollen.“ Nur wenn letzteres der Fall sei, rät er zu einem Wechsel.

Dafür müsste man dann allerdings auch bestimmte Kompetenzen und Voraussetzungen mitbringen. Neben technischem Verständnis, räumlicher Vorstellung, handwerklichem Geschick und einer guten Hand-Augen-Koordination sei etwa die körperliche Belastungsfähigkeit Voraussetzung für einen Handwerksberuf, so Craney. Wer hier unsicher ist, kann der persönlichen Eignung etwa im Rahmen von Kompetenzfeststellungsverfahren bei der Agentur für Arbeit auf den Grund gehen. Craney rät, den Wunsch nach einem Wechsel ins Handwerk zudem mit dem Umfeld zu besprechen – und zu überlegen, ob man mit eventuell kritischen Ansichten in puncto Imageverlust leben kann. Wissen sollte man zudem: „Im Handwerk gibt es flache Hierarchien und regelmäßige Beförderungen sind nicht so häufig wie bei akademischen Laufbahnen“, so Craney. „Auf der anderen Seite wird man schnell Chef oder kann häufig mit niedrigem Startkapital einen eigenen Betrieb eröffnen.“

Verkürzte Ausbildung denkbar

Volker Born vom Zentralverband des Deutschen Handwerks nennt einen weiteren Vorteil für Akademikerinnen und Akademiker, die eine Ausbildung beginnen möchten: eine verkürzte Ausbildungsdauer. Denkbar ist etwa eine Verkürzung um bis zu 12 Monate, wenn man eine allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife mitbringt – und der Ausbildungsbetrieb zustimmt.

Außerdem eine Option für Akademikerinnen und Akademiker: duale und triale Studienangebote, bei denen Ausbildung und Studium oder Meisterqualifikation und Studium kombiniert werden. „Für diese Zielgruppe gibt es viele Möglichkeiten der Aus und Fortbildung, die eine berufliche Karriere bis hin zur Betriebsleitung eröffnen“, so Born. Als mögliche Hürde bei der Ausbildung sieht er lediglich eine falsche Vorstellung über den Handwerksberuf: „Jemand, der gerne am Schreibtisch plant oder Schriftverkehr mag, dürfte vermutlich im Handwerk nicht glücklich werden.“

Wie geht man nun vor?

Wer darlegt, was ihn am Handwerk begeistert und beispielsweise in der Bewerbung angibt, dass man am Ende des Tages gerne auch sehen möchte, was man erarbeitet hat, lasse die Motivation gleich erkennen.

Ein Tipp von Olaf Craney: statt sich schriftlich zu bewerben, einmal persönlich im Betrieb vorbeischauen. „Der erste Eindruck ist wichtiger als die Bewerbungsunterlagen“, so der Experte. dpa/tmn


Firmen setzen weiter auf Ausbildung

IHK: Lehrstellenmarkt mit 4,8 Prozent im Plus

Das Ausbildungsjahr 2023 konnten die regionalen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe mit einem Plus abschließen: 2310 neu eingetragene Lehrverträge bedeuten einen Zuwachs von4,8 Prozent zum Vorjahr.

Dabei legten sowohl die technischen/ gewerblichen Berufe mit 5,7 Prozent (von 928 auf 981 Verträge) als auch die kaufmännischen Berufe mit 4,2 Prozent (von 1276 auf 1329) erkennbar zu. „Die Gesamtbilanz zeigt, dass die Unternehmen weiter personell investieren und eigene Fachkräfte entwickeln wollen“, sagt Petra Brenner, Bereichsleiterin Ausbildung bei der IHK Reutlingen. Die gute Jahresbilanz stimmt die Bildungsexpertin durchaus optimistisch für 2024: „Die Firmen wissen um die demografische Lage und setzen trotz schwieriger gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen nach wie vor auf die Ausbildung.“

Blick in die Landkreise

In allen drei Landkreisen der Region Neckar-Alb verzeichnet die IHK für das Ausbildungsjahr 2023 Zuwächse:

• Im Zollernalbkreis ist der Zuwachs mit 7,9 Prozent (von 687 auf 741 Ausbildungsverträge) am höchsten. Beide Berufsgruppen konnten zulegen:

Kaufmännische Berufe um 9,6 Prozent (von 364 auf 399) und technische/gewerbliche um 5,9 Prozent (von 323 auf 342). Die Branchen Hotel/Gastronomie und Verkehr/Transport entwickelten sich dabei überdurchschnittlich gut.

• Einen deutlichen Zuwachs mit 4,8 Prozent erzielte der Landkreis Reutlingen. Um 5,9 Prozent (von 591 626 Ausbildungsverträge) legten die kaufmännischen Berufe zu, die gewerblichen/ technischen sind um 3,3 Prozent (von 424 auf 438) gestiegen.

• Der Landkreis Tübingen schloss leicht über dem Vorjahresergebnis ab und erreichte 505 neue Ausbildungsverträge, drei mehr als im Vorjahr. Während die technischen/gewerblichen Berufe mit 14,9 Prozent (von 175 auf 201) sehr deutlich zulegten, verloren die kaufmännischen Berufe 7 Prozent (von 327 auf 304).

Info
Weitere Informationen zur Lehrstellenbilanz bei Petra Brenner, Bereichsleiterin Ausbildung bei der IHK Reutlingen, unter 07121 201 262 oder brenner@reutlingen.ihk.de