Doch ist das allen bewusst? „Gerade wenn sich in jungen Jahren Berufswünsche bilden, kommt es stark darauf an, welche Kenntnisse man darüber hat“, sagt Brigitte Schels, Professorin für Arbeitsmarktsoziologie. Noch entscheidender als das Wissen über den Beruf, seien aber oft die Klischees, die in den Köpfen verankert seien, sagt Prof. Schels. „Wir lernen diese Stereotype von Kindheit an.“ Geschlecht und Geschlechtstypik gehören der Expertin für Berufswahl und sozialer Ungleichheit am Arbeitsmarkt zufolge zu den ersten Dingen, die Kinder bereits im Alter von etwa acht Jahren wahrnehmen. Dabei spielt die eigene Erfahrung eine große Rolle: Was sieht man im Fernsehen, was liest man in den Kinderbüchern und wen sieht man, wenn man an einer Baustelle vorbeigeht?
Einflüsse von Eltern, Schule und Unternehmen
Laut Susanne Eikemeier von der Bundesagentur für Arbeit haben sich die zehn beliebtesten Ausbildungsberufe unter jungen Frauen seit Jahren kaum verändert. Kaufmännische Berufe oder eine Ausbildung zur Friseurin seien weiterhin unter den Favoriten. Die Berufswahl sei allerdings nicht nur von den eigenen Interessen, sondern auch viel vom Feedback im Umfeld abhängig, so Arbeitsmarktsoziologin Prof. Schels. Dazu zählen einerseits die Meinungen von Eltern oder Lehrerinnen und Lehrern. Andererseits auch die Frage, mit was man während der Ausbildungssuche konfrontiert ist und inwiefern Unternehmen auf Frauen zugehen.
Geschäftsführerin Barbara Hagedorn hat in ihrem Arbeitsalltag die Erfahrung gemacht, dass oft Freunde und Eltern große Zweifel streuen, wenn es um eine Ausbildung auf der Baustelle geht. „Wenn Eltern das erste Mal zu unseren Infoabenden kommen, sind sie oft überrascht zu hören, wie die Ausbildung und die Arbeit in der Praxis tatsächlich aussehen.“
Vorbilder gesucht: Mit dem Radlader auf Instagram
Prof. Schels zufolge brauche aber vor allem mehr Vorbilder für die Ausbildungsberufe im Baugewerbe. „Im Bauingenieurstudium sind Frauen zwar auch in der Minderheit, aber immerhin wahrnehmbar.“ Wenn auf einer Baustelle aber im Schnitt weniger als fünf Prozent aller Beschäftigten weiblich sind, fehlt diese Sichtbarkeit. Zumindest in den sozialen Medien ist das Interesse, wie die Arbeit als Frau auf der Baustelle aussieht, groß: Der Maschinistin Agnes Borchers (@püppi.at.work) etwa folgen über 90 000 Menschen auf Instagram, der Maurermeisterin Julia Schäfer (@tschulique) sogar über 180 000. Es gibt mehrere Tausend Likes für ein Foto, in dem Schäfer lässig grinsend im Reifen eines Radladers sitzt oder ein Video, in dem Borchers Schutt verlädt. Beide Beiträge sind mit dem Hashtag #frauenpower und #frauimhandwerk beziehungsweise #frauambau versehen.
Das ganze Unternehmen muss mitziehen
„Sowohl die Sozialen Medien als auch unsere Kampagne ,Frau am Bau’ sind kleine Mosaiksteine, mit denen wir ein Netzwerk aufbauen und Veränderung erreichen können“, sagt Hagedorn. Aber auch die Unternehmen seien gefordert. Es reiche nicht nur, auf Frauen zuzugehen oder Frauentoiletten bereitzustellen: „Der ganze Betrieb muss mitziehen.“ Damit sich langfristig mehr Frauen für eine Arbeit auf der Baustelle begeistern, ist laut Arbeitsmarktsoziologin Prof. Schels mitunter auch das Klima am Arbeitsplatz entscheidend. Dabei geht es um die eigene Wahrnehmung. Aber auch eine weibliche Ansprechpartnerin kann den Einstieg beispielsweise erleichtern. Am besten ist es, sich vorab zu informieren und ein Praktikum zu machen, rät Prof. Schels. So könne man das Arbeitsklima direkt kennenlernen. Denn neben dem Interesse, etwas Handfestes zu schaffen, sollte man auch Spaß an der Teamarbeit haben, heißt es vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. dpa