Was ein Ausbildungsabbruch bedeutet
Sonderveröffentlichung

Berufswahl und Zukunft Was ein Ausbildungsabbruch bedeutet

Die Ausbildung macht keinen Spaß? Trotzdem durchziehen oder aufhören, das ist eine Entscheidung, die gut überlegt sein sollte. Und die man am besten nicht alleine trifft.

Werkstatt, Industriebetrieb, Büro oder Klinik? Die Entscheidung für eine Ausbildung ist immer auch eine Entscheidung für ein bestimmtes berufliches Umfeld. Passt dieses nicht zu einem, kann ein Wechsel sinnvoll sein. Foto: Jens Büttner/dpa-mag

31.07.2024

Durchhänger im Laufe der Ausbildung: Das kennen die meisten Azubis. Oft wird es nach einigen Wochen besser. Manchmal kann es aber sinnvoll sein, einen Schlussstrich zu ziehen. Doch wie nur lässt sich das entscheiden – und wie kann es danach weitergehen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie oft werden Ausbildungen eigentlich vorzeitig abgebrochen?

Auf den ersten Blick erscheinen die Zahlen hoch: Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) lag die Vertragslösungsquote im Jahr 2021 bei 26,6 Prozent. Mehr als ein Viertel der laufenden Ausbildungsverträge wurde also vorzeitig gelöst. „Doch das bedeutet nicht automatisch, dass damit auch die Berufsausbildung abgebrochen wird“, erklärt Thomas Bettels, Leiter der Ausbildungsberatung bei der Handwerkskammer Hamburg. In vielen Fällen wird ein neuer Vertrag in einem anderen Betrieb oder in einem anderen Ausbildungsberuf geschlossen. Auch organisatorische Gründe können hinter einer Vertragslösung stecken, etwa eine Betriebsübernahme. Auswirkungen auf die Statistik hat die Tatsache, dass es derzeit mehr Ausbildungsplätze als Bewerber gibt: „Zu wechseln ist dadurch einfacher geworden“, sagt Bettels. Tatsächlich ohne Berufsabschluss bleiben rund zwölf Prozent der Azubis.

Welche Gründe spielen eine Rolle?

Zu Beginn der Ausbildung geht es meistens um die Berufsentscheidung: „Man stellt fest, dass die Ausbildung doch nicht so gut zu einem passt“, sagt Bettels. Manchmal trifft die jungen Azubis auch der Praxisschock: „Viele erleben eine Konfrontation mit ihren Erwartungen und müssen erst in die neue Situation hineinfinden“, so Astrid Kloos, Leiterin des Projekts VerA. Die bundesweit tätige Initiative des Senior Experten Service (SES) bringt junge Menschen, die Schwierigkeiten in ihrer Ausbildung haben, mit ehrenamtlich tätigen Fachleuten im Ruhestand zusammen. Neben Zweifeln an der Berufswahl spielten aber oft auch andere Gründe eine Rolle: Probleme im Betrieb etwa oder in der Berufsschule. Auch gesundheitliche oder familiäre Motive können hinter einem Abbruch der Ausbildung stecken.

Wie kann eine Entscheidung getroffen werden?

Gehen oder bleiben? „Diese Frage ist oft nicht so leicht zu beantworten, gerade wenn man schon einige Zeit in der Ausbildung verbracht hat“, sagt Thomas Bettels. Nicht nur fürs Bleiben, sondern auch fürs Gehen kann es gute Gründe geben, etwa wenn der Betrieb seine Lehrlinge nicht gut ausbildet oder es persönliche Differenzen mit den Vorgesetzten gibt. Bettels empfiehlt Auszubildenden allerdings, sich möglichst frühzeitig Unterstützung zu holen. Man bekommt sie beispielsweise in den Ausbildungsberatungen der Handwerkskammern und IHK. „Beraten wird unabhängig und vertraulich“, so Bettels. Der Ausbilder wird nur hinzugezogen, wenn der Azubi damit einverstanden ist.

Wie es dann konkret weitergeht, hängt vom Einzelfall ab. „Wir haben einen ganzen Instrumentenkasten an Unterstützungsmöglichkeiten“, sagt Bettels. Dazu gehört unter anderem die Kooperation mit der Initiative VerA, an die sich Ratsuchende auch direkt wenden können. 12.500 sogenannte „Senior-Experten“ gehören zum Netzwerk der Initiative, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. „In der Regel können wir kurzfristig einen Tandempartner vermitteln“, sagt Astrid Kloos. Azubi und Mentor treffen sich dann regelmäßig - wenn notwendig, auch mehrmals in der Woche. „Die Mentoren sind anders als die Eltern nicht persönlich beteiligt - und können deshalb oft ganz anders zuhören und unterstützen“, so Kloos. Ziel sei es dabei nicht, um jeden Preis die Ausbildung fortzusetzen, in der sich der Jugendliche gerade so unwohl fühlt, sondern einen Weg zu einem beruflichen Abschluss zu finden, der den Stärken und Fähigkeiten entspricht.

Und auch die Berufsberatung der Bundesagentur für Arbeit ist eine Anlaufstelle: Hier kann etwa besprochen werden, ob eine sogenannte Assistierte Ausbildung (AsA) infrage kommt, bei der Auszubildenden beispielsweise ein persönlicher Ansprechpartner zur Seite gestellt wird. Übrigens: Bei Problemen in der Berufsschule kann man sich auch an die dortigen Beratungslehrer wenden.

Und wenn das Ausbildungsverhältnis beendet werden soll?

In der Probezeit, die bis zu vier Monate dauern darf, können sowohl der Betrieb als auch der Azubi jederzeit fristlos ohne Angabe von Gründen kündigen. „Wenn man feststellt, dass man sich doch für den falschen Beruf entschieden hat, ist das ein gutes Instrument, um zu wechseln, ohne viel Zeit zu verlieren“, sagt Thomas Bettels. Fällt die Entscheidung nach der Probezeit, können Auszubildende mit einer Frist von vier Wochen kündigen – wenn sie in einen anderen Ausbildungsberuf wechseln oder die Ausbildung ganz aufgeben wollen. Wer dieselbe Ausbildung in einem anderen Betrieb fortsetzen möchte, muss sich hingegen mit dem Ausbildungsbetrieb auf einen Aufhebungsvertrag einigen.

Wie sieht es mit Arbeitslosengeld aus?

Zunächst einmal gilt: Auch bei einer nicht abgeschlossenen Ausbildung muss die Vergütung bis zum letzten Arbeitstag gezahlt werden. Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben Azubis anschließend, wenn sie innerhalb der vergangenen zwei Jahre mindestens ein Jahr lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Doch Vorsicht: Geht das vorzeitige Ende der Ausbildung vom Lehrling aus, kann die Arbeitsagentur eine Sperre von drei Monaten aussprechen. Am besten informiert man sich deshalb schon vorab, mit welchen finanziellen Konsequenzen zu rechnen ist.

Wie kann es beruflich weitergehen?

Der Abbruch der Ausbildung muss nicht das Ende, sondern kann ein wichtiger und richtiger Neustart sein. Am besten gelingt das, wenn man bereits einen Plan B hat, also eine Vorstellung davon, wie es weitergehen kann. Das schon Geleistete wird zudem oft anerkannt, nicht nur, wenn man denselben Beruf in einem anderen Betrieb weiterlernt. Auch wer in einer ähnlichen Branche bleibt, beispielsweise vom Bäckerzum Konditorenhandwerk wechselt, kann sich Gelerntes anrechnen lassen. „Das muss dann im Einzelfall vereinbart werden“, sagt Thomas Bettels. Und auch wenn es schmerzhaft ist: Es lohnt es sich zu reflektieren, warum der erste Versuch nicht geklappt hat. Denn das eröffnet die Möglichkeit, gezielt nach einem Unternehmen zu suchen, in dem die Bedingungen besser passen. dpa