Aktivierung hilft bei Demenz
Sonderveröffentlichung

ConSenio – Leben im Alter - Schwäbisch Hall Aktivierung hilft bei Demenz

Wenn die Vergesslichkeit zunimmt, steht bei vielen älteren Menschen der Verdacht einer Demenz im Raum. Die Krankheit verändert nicht nur das Gedächtnis, sondern teils auch die Persönlichkeit. Umso wichtiger ist es, dass Pflegende auf die Patienten eingehen.

Für die Aktivierung eignet sich alles, was die Sinne anspricht – zum Beispiel farbenfrohe Bilder. In einigen Museen gibt es Ausstellungen, die sich speziell an Demenzkranke richten. Foto: Malte Christians/dpa-mag

21.04.2022

Medikamente, die eine Demenz heilen, gibt es noch nicht. In der Anfangsphase können manche Mittel eine Verschlechterung verzögern. Bei mittlerer oder schwerer Demenz wird allerdings oft auf ruhigstellende Medikamente gesetzt. Dabei sind Medikamente längst nicht alles, wenn es darum geht, möglichst gut mit der Demenz zu leben. Die sogenannte Aktivierung ist für die Betroffenen mindestens genauso wichtig – wenn nicht sogar noch wichtiger. Aktivierung kann ganz viele Formen annehmen. Es kann heißen, kleine Aufgaben in Haushalt und Garten zu übernehmen. Oder Beschäftigungen nachzugehen, die die Sinne ansprechen – Musik von früher zu lauschen oder barfuß durch den Garten zu laufen. Im Kern geht es darum, aktiv zu bleiben.

Oft geht mehr, als die Angehörigen denken

„Es wirkt sich positiv auf die Gedächtnisleistung aus, je aktiver eine Person mit Demenz ist“, sagt Laura Mey, Beraterin beim Alzheimer-Telefon der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft. Die Betroffenen können ihre Fähigkeiten so länger erhalten. Und: Oft zeigt sich, dass sie noch mehr können als ihre Angehörigen vermuten. „Wenn man Menschen mit Demenz gut aktiviert, können sie noch ganz viel selbständig machen“, sagt Susette Schumann. Als Präsidentin der Deutschen Fachgesellschaft für aktivierend-therapeutische Pflege (DGATP) bildet sie Pflegefachkräfte aus.

Aktivierung ist dabei mehr als „nur“ Freizeitgestaltung. Sie umfasst den gesamten Alltag. So können Demenzkranke etwa den Flur fegen oder Staub wischen. „Die Fähigkeit, das zu tun, ist oft noch da. Aber man kommt vielleicht nicht unbedingt auf die Idee und weiß nicht mehr, wo die Putzsachen stehen“, sagt Laura Mey. Wichtig seien daher konkrete Anweisungen: „Du kannst die Fensterbank im Wohnzimmer abstauben, hier ist der Lappen.“ Genauso kann man Betroffenen den Korb mit der frisch gewaschenen Wäsche in die Hand geben und sie zum Wäscheständer führen. „Auch Menschen mit Demenz wollen sich nützlich fühlen. Das ist ein gutes Gefühl und führt zu einer gewissen Ausgeglichenheit“, erklärt Mey. Angehörige sollten daher überlegen, wie sie die erkrankte Person einbinden können. Möglichkeiten gibt es viele, zum Beispiel bei wiederkehrenden Tätigkeiten. „Eine Aufgabe kann zum Beispiel sein, die Post aus dem Briefkasten zu holen“, schlägt Mey vor. Das jeden Tag zu tun, bringt Routine in den Alltag. Routinen sind gerade für Menschen mit einer Demenz wichtig, da sie Sicherheit, Struktur und Orientierung geben.

Aufgaben, die die Sinne ansprechen

Aktivierung kann aber auch heißen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Mit Bildern, Gerüchen oder Gegenständen können Angehörige Reize setzen - am besten abgestimmt auf die Vorlieben der Person mit Demenz. „Hat jemand gerne genäht und sich für Kleidung und Mode interessiert, kann das zum Beispiel eine Kiste mit verschiedenen Stoffen sein“, sagt Mey. Anschauen, befühlen und darüber sprechen – gut ist, wenn Demenzkranke Dinge in die Hand nehmen können. Weitere Anregungen erhalten Angehörige auch in der App „Alzheimer and You“ der Alzheimer-Gesellschaft.

Egal für welche Aktivität man sich entscheidet: Sie sollte möglichst klein und überschaubar sein. „Menschen mit Demenz haben irgendwann große Probleme mit der Konzentration. Sie können sie etwa zehn Minuten lang halten“, sagt Susette Schumann.

Aktivierung wird aber nicht nur von Angehörigen durchgeführt, sondern auch in Pflegeeinrichtungen. Kommt ein Mensch mit einer Demenz ins Heim, können Angehörige biografische Hinweise weitergeben, die bei der Aktivierung helfen können. Eine weitere Möglichkeit: Familienmitglieder können bei einer Aktivierung im Heim dabei sein. „Ich erlebe oft, dass sich Angehörige mal dazusetzen“, sagt Susette Schumann. „Als Heim würde ich dazu sogar einladen.“ Denn das kann für Sohn oder Tochter eine große Hilfe sein, wenn sie nicht so recht wissen, wie sie mit dementen Eltern umgehen sollen. dpa/mag

Möglichkeiten der Aktivierung und eine hilfreiche App

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Ideen für die Aktivierung von Demenzkranken liefert die „Alzheimer and You“-App der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Foto: Zacharie Scheurer/dpa-mag

Die aktivierende Pflege ist in der Regel mit mehr Aufwand verbunden. Viel schwerer wiegen allerdings die positiven Aspekte: Das Selbstwertgefühl der Betroffenen wird unterstützt, sie können Alltagsdinge selbstbestimmt und eigenständig erledigen. Auch körperlich kann aktivierende Pflege fordern und fördern.

Kleidung: Die Pflegebedürftigen wählen selbst aus, was sie tragen wollen. Beim An- und Ausziehen unterstützen die Pflegenden nur so weit wie nötig.

Toilettengang: Soweit körperlich möglich, gehen die Pflegebedürftigen selbstständig zur Toilette. Wenn Pflegende in diesen intimen Prozess eingreifen müssen, sollte dies nach Absprache erfolgen. Auch heikle Themen wie Inkontinenz sollten dabei kein Tabu sein.

Körperpflege: Auch wenn die Beweglichkeit der Pflegebedürftigen eingeschränkt ist, sollten sie so viel wie möglich selbst übernehmen. Wenn das Waschen unter der Dusche nicht eigenständig geht, dann doch zumindest das Zähneputzen.

Ernährung: Die Pflegebedürftigen können ihren Speiseplan nach eigenem Geschmack bestimmen. Im Optimalfall helfen sie bei der Zubereitung bzw. beim Decken des Tisches. Dazu sowie zum Essen selbst sollte immer ausreichend Zeit eingeplant werden. Die Pflegebedürftigen sollten so lange wie möglich selbständig essen – statt zu füttern könnten Pflegende etwa die Hand der Betroffenen führen.

Hilfe und Ideen liefert die Smartphone-App „Alzheimer and You“, die es kostenlos in den gängigen Stores zum Herunterladen gibt. Ideengeber ist die Deutsche Alzheimer Gesellschaft, die für verschiedene Alltagssituationen Vorschläge macht, wie Patienten aktiviert werden können.

Der Rat an Angehörige lautet: Einfach ausprobieren. Jeder Erkrankte ist anders und reagiert auf andere Reize. Geduld ist gefragt.