Schon seit knapp einem Jahrhundert steht das Haus „Unterwässer 5" unter Denkmalschutz. Es ist wahrlich ein Haus mit Geschichte. Das belegen allein die unzähligen wechselnden Nutzungen - ursprünglich ein Gerberhaus, diente es als Schusterwerkstatt, es beherbergte Siebmacher, Lohmüller, Schneider, Metzger. Im 19. Jahrhundert wurde das Erdgeschoss in einen Wohnraum mit zwei großen Fenstern umgebaut. Weitere Handwerker folgten: Rotgerber, noch einmal Schuhmacher, Mechaniker, eine Messinggießerei mit Laden, mechanische Werkstätte, ein Fahrradgeschäft mit Reparaturwerkstatt und später im Parterre die Fertigung feinster chirurgischer Instrumente. Das historische Gebäude hat zudem jahrhunderte lang unzählige schwere Hochwasser gut überstanden.
2012 kaufte der Rottenburger Verleger Ernst Heimes das historische Gebäude. ,,Das 1566 erbaute Haus ist vermutlich eines der ältesten in Rottenburg", weiß er. ,,Es überstand dank seiner Lage zwischen Neckar und und dem acht Meter breiten Mühlgraben auf der Rückseite die beiden mittelalterlichen Stadtbrände 1644 und 1735 - das Unterwässer lag wie eine Insel vor der Stadt."
In der langen Zeit seiner Existenz wurde das schmucke Gebäude unzählige Male renoviert und erweitert. So stellte sich die Frage, in welchen Zustand das historische Gebäude bei seiner Renovierung versetzt werden sollte. ,,Das Denkmalamt entschied sich für das 19. Jahrhundert", erzählt der Bauherr, der in Rottenburg schon einigen historischen Gebäuden ein neues Leben und damit eine Zukunft schenkte.
In Abstimmung mit Architekt Klaus Osterried und dem Denkmalamt ließ Heimes die Südfassade behutsam freilegen und aufwendig restaurieren. Zahlreiche Farbschichten wurden eingehend untersucht, Fensterläden angebracht und das Stubensandstein-Portal sowie die steinernen Fensterrahmen aufgearbeitet. Bauhistoriker Tilmann Marstaller stellte fest, dass die Balkendach-Konstruktion sogar auf ein noch älteres Baujahr hinweisen könnte als das im Eingangsportal eingemeißelte 1566. „Die Handwerker haben wunderbar gearbeitet und ihr Bestes gegeben. Das Ergebnis freut mich über die Maßen", hebt Ernst Heimes hervor.
Auch über die Zusammenarbeit mit dem Unteren und Oberen Denkmalamt hat Heimes nur Gutes zu berichten: ,,Sie hatten viel Verständnis für meine Anliegen."
Besonders gefreut hat den Rottenburger das rege Interesse der Stadtgesellschaft an der Immer wieder Sanierung. blieben Passanten stehen und befragten die Handwerker nach ihrer Arbeit", erzählt er. „Wie wurde früher der Putz angebracht? Wie wurde früher gearbeitet und mit welchen Materialien? Wie wurden die zentnerschweren Steine bewegt und woher kamen sie? Das war beinahe wie beim Kurs der Volkshochschule!", meint er schmunzelnd.
Nicht nur äußerlich hat sich etwas getan im Haus Unterwässer 5: Die gesamte Elektrik wurde ausgetauscht und eine Heizung eingebaut. neue ,,Gas", antwortet Heimes achselzuckend. „Wir konnten nicht ahnen, wie sich die Weltlage entwickeln würde."
In dem Haus befinden sich heute fünf Wohnungen - das Gebäude ist weitaus größer, als es die Fassade auf den ersten Blick erahnen lässt.
Ernst Heimes wäre nicht Ernst Heimes, wenn er mit dem schönen Gebäude in exponierter Lage an der Josef-Eberle-Brücke nicht auch einen Zweck für die Öffentlichkeit verfolgte: Aktuell werden Erdgeschoss und Garage peu à peu zu einem Ausstellungsraum mit Patio umgebaut. ,,Ob Aktionen Rottenburger Künstlerinnen und Künstler, eine spannende private Fotoausstellung oder Musik - hier soll Soziokulturelles aus der Gesellschaft heraus entstehen, ähnlich wie im Haus am Nepomuk", freut sich der Bauherr mit dem großem Herzen bereits jetzt.
Bis es soweit ist, werden von den beteiligten Handwerksbetrieben allerdings ersteinmal in Windeseile ein Bad eingebaut, Böden nivelliert und verlegt sowie Fenster und Tür im Hinterhaus erneuert. Noch vor Weihnachten wird hier eine junge Frau mit ihrem kleinen Kind einziehen, die aktuell in einer Flüchtlingsunterkunft lebt.
Äußerlich ist das Haus Unterwässer 5 im historischen Rottenburger Zentrum nun fertig. Ein Schmuckstück, ein bewundernswürdiges Kleinod, vor dem die Menschen nach wie vor stehen bleiben. Wie viel Arbeit in der denkmalgerechten Sanierung steckt, ist vielleicht nicht für jeden gleich sichtbar. Die Schönheit hingegen ist es sehr wohl. Ein Haus, das Rottenburg nicht nur bei schönem Wetter strahlen lässt.