Bauen in Zeiten von Extremwetter
Sonderveröffentlichung

Der Fachmann hilft Bauen in Zeiten von Extremwetter

Generell haben Bauherren und Hauskäufer gute Möglichkeiten, sich über örtliche Wetterrisiken zu informieren.

Starkregen und versiegelte Flächen bedeuten Überflutungsgefahr. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa-mag

04.01.2024

Spätestens die Flutkatastrophe vom Sommer 2021 mit einem Sachschaden von 33 Milliarden Euro hat gezeigt, wie gravierend sich extreme Wetterereignisse auf bewohnte Gebiete auswirken können. „Verschiedene aktuelle Studien gehen davon aus, dass sich diese Schäden infolge des Klimawandels bis 2050 mindestens verdoppeln werden“, sagt Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): „Es hat immer einen Wechsel von schadenarmen und schadenreichen Jahren gegeben. Wir stellen jedoch fest, dass die Abstände dazwischen kürzer werden.“ In Deutschland rangieren bei den Elementarschäden Hochwasser und Überflutungen vor Starkstürmen und Hagel, der in der Regel zwar keine Todesopfer fordert, aber Sachschäden in immenser Höhe verursacht.

Lage des Grundstücks als Risiko

Mit diesen Risiken im Hinterkopf sollten Bauherren und Hauskäufer schon bei der Wahl ihres Baugrundstücks auf mögliche Extremwetterfolgen achten, rät Florian Becker vom Bauherren-Schutzbund: „Das gilt zum Beispiel für Hanglagen, die ohnehin teurer zu bebauen sind, und wo bei Starkregen schlimmstenfalls der ganze Hang in Bewegung geraten kann.“ Ebenfalls problematisch sind Grundstücke in einer Senke, in der sich Wasser sammeln kann. Ein eher verstecktes Risiko: Flächen, auf denen früher einmal Wasser gestanden hat, inzwischen aber nicht mehr: „Straßennamen wie ,Aue' oder ‚Graben können hierfür Anhaltspunkte liefern“, so Becker. Bei all diesen Grundstücken drohen Probleme mit dem Grundwasser, weil es dort schon bei relativ wenig Niederschlag sehr schnell und sehr stark ansteigen kann.

Generell haben Bauherren und Hauskäufer in Deutschland gute Möglichkeiten, sich über Wetterrisiken für ihren Grund und Boden zu informieren. Becker verweist auf die interaktive Karte des Bundesinstituts für Bau- und Stadtentwicklung, die detailliert und kostenlos die Naturgefahren für einzelne Regionen aufschlüsselt: „Manche Wetterbelastungen sind regional spezifisch, wie zum Beispiel starker Wind im Norden und die Schneelast im Süden. Ein gefährliches Phänomen wie Starkregen kann aber praktisch überall ohne große Vorwarnung auftreten.“

Wasserabfluss regelmäßig überprüfen

Dann wird es unter ungünstigen Umständen für Wohnhäuser eng: „In so einer Situation ist es entscheidend, dass der Niederschlag schnell vom Grundstück wegkommt. Das gilt umso mehr, wenn der Boden trocken oder versiegelt ist, also die Wassermassen nicht versickern können.“ Ein altes oder verstopftes Drainage-System kann dann zum gefährlichen Flaschenhals werden. Hauseigentümer sollten daher regelmäßig überprüfen, ob die Regenrinnen ausreichend dimensioniert und in einem guten Zustand sind. Mit einem Wasserschlauch kann gefahrlos simuliert werden, wie gut die Wassermassen im Ernstfall bewältigt werden und in die Kanalisation fließen. Wichtig ist hier eine Rückschlagklappe, die verhindert, dass das Wasser von der Kanalisation wieder zurück in das Gebäude gelangen kann. Auch hier muss regelmäßig geprüft werden, ob diese Klappe auch wie vorgesehen funktioniert.

Wie dem Wasser widerstehen?

Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, wirbt bei der Gefahr von Überflutungen für das AWA-Prinzip: „Erstens ausweichen, zweitens widerstehen, drittens anpassen“, wobei „Ausweichen“ bedeutet, dass man erst gar nicht dort siedelt, wo es Probleme geben könnte. Bei Bestandsbauten, die teilweise erst durch den Klimawandel überflutungsanfällig geworden sind, stehen die Eigentümer vor einer schwierigen Entscheidung, sagt Gebbeken: „Man muss festlegen, ob man den Überflutungen widerstehen oder sie durch Anpassungen auffangen will.“

Dabei können die häufigen Schwachstellen Kellertüren und -fenster druckdicht gemacht werden, sodass dort kein Wasser eindringen kann. Auch muss das Fundament des Gebäudes so aufbereitet werden, dass es nicht unterspült werden kann. Es kann mit Pfählen stabilisiert oder von außen mit Stahlbeton verstärkt werden, auch eine Einfriedung mit einem Damm ist möglich. „Baulich ist das alles lösbar“, versichert Gebbeken. Wer in einem potenziellen Flutgebiet neu oder umbauen will, hat die Alternative, eine Überflutung zuzulassen, indem man das Gebäude so plant, dass das eindringende Wasser nur geringen Schaden anrichtet. Dazu müssen Versorgungseinheiten wie Strom und Heizung in den höheren Stockwerken installiert werden. Schließlich müssen auch die Wände so ausgelegt sein, dass sie dem Wasserdruck widerstehen.

Gefahr durch Sonne

Florian Becker vom Bauherren-Schutzbund verweist darauf, dass extreme Niederschläge nicht die einzigen Auswirkungen des Klimawandels sind, die Gebäuden zu schaffen machen: „An Häusern gibt es sehr viele dunkle Bauteile, die bei intensiver Sonneneinstrahlung Spannungsrisse bekommen oder sich ausdehnen. Blechteile verformen sich und es entstehen Lücken, an denen Wasser eindringen kann.“

Man sollte daher auf korrekte Dehnungsfugen achten und helle Fassadenfarben bevorzugen. Eine hitzebedingte Grundwasserabsenkung kann dazu führen, dass sich die Bodenplatte eines Gebäudes verschiebt. Großzügige Bepflanzungen mit Laubbäumen und eine möglichst geringe Versiegelung des Grundstücks können helfen, die Folgen des Klimawandels aufzufangen. Außen angebrachter Sonnenschutz und eine ausreichende Belüftung entlasten das Gebäude und verbessern zudem die Aufenthaltsqualität. Der Schutz vor Elementarschäden ist eine Aufgabe, die angesichts der zunehmenden Extremwetterfolgen nicht nur den einzelnen Hausbesitzer betrifft, sagt Versicherungsexpertin Anja Käfer-Rohrbach: „Ohne konsequente Klimafolgenanpassung kann es in den nächsten zehn Jahren zu einer Verdopplung der Wohngebäudeversicherungsprämie allein durch den Klimawandel kommen.“ dpa