Noch einmal Schlafen, dann geht es endlich los mit dem Start in die Fußball-Regionalliga.
Bei den Fans des Göppinger Sportvereins ist die Vorfreude riesig, ist es für die Rot-Schwarzen doch die erste Spielzeit in dieser Liga seit 53 Jahren. Zum Auftakt geht es an diesem Samstag, 14 Uhr, zum favorisierten SGV Freiberg. Eine Woche später, am Samstag, 3. August, steigt dann das lang ersehnte erste Heimspiel gegen die zweite Mannschaft von Bundesligist TSG Hoffenheim. Anpfiff im Stadion an der Hohenstaufenstraße ist ebenfalls um 14 Uhr.
Die Euphorie rund um den Klub ist riesengroß. Vor allem nach dem Aufstieg im entscheidenden Spiel in Mainz-Mombach gegen den SV Gonsenheim, das der Sportverein mit 4:2 für sich entscheiden konnte, kannte der Jubel keine Grenzen. Aber kurz zuvor, in der 73. Minute der Begegnung, als die Rheinhessen nach 0:2-Rückstand zum 2:2 ausglichen, wurde die Nervosität in den Reihen des Sportvereins groß. Das änderte sich jedoch fünf Minuten später, als Luca Piljek das 3:2 markierte und die Gemüter beruhigte, denn schon ein Remis hätte den Rot-Schwarzen zum Aufstieg gereicht. Arm in Arm, mal stehend, mal hüpfend, verfolgte die gesamte Göppinger Bank nebst Betreuern die restlichen Spielminuten, ehe nach dem zweiten Streich von Piljek in der Nachspielzeit zum 4:2-Endstand der Jubel keine Grenzen kannte.
Im Vollsprint rasten seine Mitspieler auf ihn zu, umarmten ihn und ließen sich vor der Fankurve feiern.„Das ist ein unglaubliches Gefühl“, schwärmte der Youngster zwischen Bierdusche, Sektdusche und rot-schwarzen Rauchschwaden „ich bin erst 22, das ist mein erster Aufstieg. Ein Traum wird wahr.“ Piljek, der erst in der 69. Minute eingewechselt wurde, war neben Noah Lulic der Matchwinner. Beide trafen zwei Mal.
„Wir hatten schon vor dem Spiel besprochen, dass ich in der zweiten Halbzeit reinkommen soll und Tempo von außen mache. Das hat super geklappt“, freute er sich.
Anschließend blickte er noch einmal auf die vorausgegangenen Spiele zurück. „Als wir in Mutschelbach verloren haben, waren wir nicht mehr sicher, dass wir es packen. Danach haben wir gedacht: jetzt erst recht! Natürlich gehört auch ein bisschen Glück dazu.“ Damit bezog sich Piljek auf das späte Ausgleichstor des FC Holzhausen gegen die SG Sonnenhof Großaspach, ohne das die Göppinger erst gar nicht in die Aufstiegsrunde eingezogen wären.
Auch die rund 250 Göppinger Schlachtenbummler, die die Mannschaft ins 250 Kilometer entfernte Mainz begleitet hatten, waren nach dem Schlusspfiff aus dem Häuschen, stürmten auf den Platz, herzten ihre Lieblinge, machten eifrig Selfies, schwenkten ihre rot-schwarzen Fahnen und ließen ihre Fanschals durch die Luft wirbeln. Derweil skandierten die Spieler „Nie mehr Oberliga!“ Auch die obligatorische Humba, mit Einpeitscher Max Ziesche an der Spitze, durfte nicht fehlen. Bereits während der Partie hatten die vielen Fans der Rot-Schwarzen, mit elf Transparenten bewaffnet, für reichlich Stimmung gesorgt. Nach dem Schlusspfiff stimmten sie mit den künftigen Regionalliga-Kickern das bekannte „Oh wie ist das schön“ an.
Der sichtlich angefasste Abwehrchef Filip Milisic, der den Tränen nahe war, musste sich nach dem Abpfiff erst einmal sammeln. „Ich habe immer an die Jungs geglaubt. Sie haben alles mitgebracht, Rückschläge schnell weggesteckt und bis zum Schluss Gas gegeben. Ich bin stolz auf die Mannschaft.“ Anschließend wurde er von seinen Kumpels regelrecht überrannt.
Bei den Jubelarien mangelte es an nichts: Auch die passenden Aufstiegs-T-Shirts hatten die Göppinger vorsorglich schon mit im Gepäck, die gleich nach dem feststehenden Aufstieg übergestreift wurden. Auf dunkelrotem Untergrund prangte das Regionalliga-Logo, das Wappen des Sportvereins und die Aufschrift „Aufsteiger 2024 das immer dabei“.
Doppeltorschütze Noah Lulic, Nummer zwei, war nach dem Ab-pfiff völlig fertig: „Ich kann es noch nicht fassen. Dieser Aufstieg bedeutet mir alles. Bei den Toren haben mich Frederik Schumann und Tim Schraml super in Szene gesetzt. Ich bin zwar erst in der Winterpause gekommen, aber das ist die beste Mannschaft, in der ich bisher gespielt habe, sowohl menschlich als auch qualitativ.“
Göppingens Spielleiter Ingo Miede, der mit seinem Organisationsteam rund um die Uhr für den Sportverein im Einsatz ist, dankte vor allem der Mannschaft: „Den Aufstieg musst Du mitnehmen. Den ganzen Aufwand, den wir betrieben haben, hat uns die Mannschaft zurückgegeben. Wir sind ein Verein, alles Freunde.“
Auf dem Platz hat Trainer Gianni Coveli mittlerweile eine schlagkräftige, konkurrenzfähige Truppe für die bevorstehende Saison zusammengestellt. Neben dem Platz bemüht sich eine Vielzahl an Ehrenamtlichen darum, die hohen Anforderungen der vierten Liga zu erfüllen. „Von der Regionalliga kommen immer wieder E-Mails, in denen etwas rot markiert ist. Das sind Dinge, die wir noch zu erfüllen haben, aber inzwischen ist mehr Grün als Rot. Das stimmt uns positiv“, erklärte der Sportvereins-Vorsitzende Paul Lambert bei der offiziellen Mannschaftsvorstellung dieser Tage.
Auf einen großen Zuschauer-Zuspruch hofft Coveli. „Die Kulisse wird größer werden“, ist er sich sicher„ es kommen traditionsreiche Mannschaften wie die Stuttgarter Kickers, Kickers Offenbach und Eintracht Trier zu uns. Das ist für jeden ein Highlight, aber wir gehen demütig an die Sache ran.“ Das große Ziel sei es, den Klassenerhalt in der Regionalliga zu schaffen.„Jetzt steht harte Arbeit an. Es kommen große Aufgaben auf uns zu. Es wird auch Rückschläge geben, aber wir werden alles tun, um unser Ziel zu erreichen“, verspricht er.
Personell hat sich, wie vor jeder Saison unter Coveli, einiges getan: In Henrik Selitaj, Leon Braun, Denis Lübke, Enrico Piu, Oguzhan Kecici, David Trivunic und Bastian Frölich gab es sieben Neuzugänge, dazu in Joe Colletti einen weiteren Co-Trainer. Torwarttrainer Florian Mack wird künftig auch als Schnittstelle zwischen Mannschaft und Management fungieren. Neuer Kapitän ist wie erwartet Filip Milisic. Der 30-Jährige tritt die Nachfolge von Domenic Brück an, der jetzt Spielertrainer in Köngen ist. Wolfgang Karczewski