Die Schwäbisch Hall Unicorns haben eine herausragende Saison 2023 gespielt. Coaching Staff und Mannschaften mussten neu zusammengestellt werden, und dennoch gelang dem Team der Einzug in den GFL Bowl. Das war auch für Szenekenner durchaus überraschend. Der Erfolg des Vorjahres hat aber nicht dazu geführt, dass den Verantwortlichen die Vorbereitung auf die GFL-Saison 2024 leichter von der Hand geht: „Ich bin tatsächlich davon ausgegangen, dass das zweite Jahr härter wird“, berichtete Head Coach Christian Rothe – und sollte sich damit nicht täuschen.
Denn auch wenn die Unicorns sportlichen Erfolg hatten, gab es einige Faktoren, die es den Hallern schwierig machten. Und nur die wenigsten Faktoren konnten die Unicorns selbst beeinflussen.
So überraschte der Verband die Vereine, dass ab diesem Jahr in der ältesten Jugend die Altersgrenze um ein Jahr angehoben wird. Somit spielen keine U19-Teams mehr, sondern U20-Mannschaften. Die Konsequenz für die Unicorns: Die Aktiventeams erhalten keine Zugänge aus der eigenen Jugend. Wäre die Altersgrenze so geblieben wie sie ist, wären 23 Spieler aufgerückt.
Das hat die Planungen auch des GFL-Teams gewaltig durcheinander gebracht. Head Coach Christian Rothe und sein Coaching Staff benötigten nun auch Spieler auf Positionen, die sie eigentlich mit Personal besetzen wollten, das aus der eigenen Jugend kam.
Das Rekrutieren von Spielern ist nicht nur für die Unicorns schwieriger geworden. Zum einen gibt es die ELF als große Konkurrenz. Nicht wenige Spieler schließen sich den Teams dieser Liga an, selbst dann, wenn sie kaum mit Einsatzzeiten rechnen können und somit kaum oder gar nicht Spielpraxis erhalten. Aber diese Liga ist für die Akteure attraktiv. Und andererseits ist zu hören, dass nur wenige Spieler aus unteren Ligen nach oben wechseln wollen. Der Aufwand, den man für die GFL betreiben muss, ist ein weitaus höherer. Und diesen kann oder will nicht jeder leisten.
Es gibt noch Lücken
Die Aufgaben für Christian Rothe sowie für Offensive Coordinator Felix Brenner und Defensive Coordinator Mike Freckmann waren also nicht einfach zu lösen. Selbst wenn wenige Wochen vor Saisonauftakt noch nicht alle Lücken geschlossen waren, zeigte sich Head Coach Christian Rothe hochzufrieden mit der Arbeit. „Wir haben super rekrutiert. Es ist ein geiles Team!“
Viele Zugänge sind noch jung. So sind Elvis Webster (Defensive End), Rasmus Christiansen (Cornerback) und Louis Bergeron (Safety) gerade mal Anfang 20 „und passen damit perfekt in unser Beuteschema“, freut sich Christian Rothe.
Die Neuen sollen auch charakterlich passen. So gab es vor der Verpflichtung einige Gespräche mit den potenziellen Zugängen. Dass das Teamgefüge mehr als nur in Ordnung ist, zeigte sich dann beim Trainingslager in Österreich. Dabei gibt es die Tradition des Teamabends, an dem sich die Neuen präsentieren. Bierernst ist die Veranstaltung nicht, es darf und soll locker zugehen. Nicht jedem fällt das leicht, schon gar nicht, wenn er seine Mitspieler nicht lange kennt. Doch der Teamabend entwickelte sich für die Unicorns grandios. „Wir hatten singende Männer, Zaubertricks und vieles mehr. So etwas macht man nicht, wenn man sich nicht wohlfühlt“, betont Christian Rothe. Und er ergänzt bewusst ein Zitat von Wide-Receiver-Coach Florian Zielbauer. Der nämlich meinte, „dass es schon geil ist, wenn an einem solchen Abend die toxische Männlichkeit weg ist.“ Soll heißen: American Football ist durchaus ein harter Sport, aber Spieler müssen sich nicht wie „harte Männer“ aufführen, beziehungsweise so, wie das vielleicht in früheren Zeiten erwartet worden und längst nicht immer richtig war.
Doch nicht nur charakterlich passt es im Team, sondern auch sportlich. Das Trainingslager sei anstrengend gewesen. „Fünf Einheiten sind wirklich viel, aber es gab keinerlei Gemotze. Selbst die, die verletzt waren, hatten die Augen offen und haben mitgeholfen.“
O-Liner werden gesucht
Zum Leidwesen der Coaches waren in der Vorbereitung einige Spieler angeschlagen, manche auch längerfristig verletzt. Gerade die O-Line hatte es erwischt. Ausgerechnet die O-Line muss man fast sagen. Denn O-Liner werden europaweit gesucht.
So war Christian Rothe auch nicht komplett unglücklich darüber, dass das erste geplante Testspiel (gegen Pforzheim) abgesagt werden musste. „Für die Ablaufroutine wäre es gut gewesen, aber mehr Luft tat uns auch gut.“
Mehr Luft hat auch der Spielplan, was die Unicorns nicht glücklich macht. Kurzfristig zogen sich die Ingolstadt Dukes aus der GFL zurück. Auch wenn die Gründe andere sind als im Vorjahr bei den Cologne Crocodiles, muss man festhalten, dass es wieder ein Team erwischt hat, was nicht gerade für die GFL spricht. Nicht wenige hätten auch aufgrund der Konkurrenz durch die ELF den Zeitpunkt als richtig angesehen, die GFL zu verkleinern. Das aber geschah nicht.
Christian Rothe hatte den vorläufigen Spielplan, bei dem die Dukes noch dabei waren, früh an die Spieler weitergegeben. Diese sollten entsprechend Urlaub in den Spielpausen planen. Nach dem Rückzug war alles obsolet.„Jetzt haben wir einen total zerrupften Spielplan“, ärgert er sich. Mögliche Urlaube haben sich durch veränderte zerschlagen. Ansetzungen „Wiederholt muss man zurückstecken, weil andere schlecht arbeiten“, verdeutlicht er. Immerhin habe man eines behalten, nämlich eine längere Sommerpause.
Die Vorfreude jedenfalls ist trotz aller Schwierigkeiten riesig. „Ich freue mich mega, kann es kaum erwarten, dass es losgeht“, bekräftigt Christian Rothe.
An diesem Samstag ist es nun so weit: Die GFL-Saison 2024 startet, und die Unicorns wollen nicht nur im Heimspiel gegen die Allgäu Comets beweisen, dass sie weiterhin zu Deutschlands Elite gehören. Der Erfolgshunger ist längst noch nicht gestillt. Hartmut Ruffer