Besser geht's nicht: American-Football-Saison 2022 der Schwäbisch Hall Unicorns
Sonderveröffentlichung

DIE UNICORNS - SAISON RÜCKBLICK Besser geht's nicht: American-Football-Saison 2022 der Schwäbisch Hall Unicorns

Saisonverlauf - Die Schwäbisch Hall Unicorns marschieren trotz großen Verletzungspechs ungeschlagen durch das komplette Jahr 2022. Der Lohn: die deutsche Meisterschaft und der Europapokalsieg.

Eines der Highlights der Saison: Die Unicorns gewinnen im Optima-Sportpark den Europapokal mit einem 42:17 gegen die Parma Panthers. Foto: Manfred Löffler

11.10.2022

Wenn im Sportjargon der Begriff „Double“ fällt, dann hat die betreffende Mannschaft faktisch Großartiges geleistet. Denn mit Double wird ein zweifacher Titelgewinn – im Normalfall eine Meisterschaft und ein Pokalsieg – innerhalb einer Saison bezeichnet. Dies ist im Jahr 2022 den Schwäbisch Hall Unicorns auch geglückt, denn neben der deutschen Meisterschaft im German Bowl am vergangenen Samstag heimsten die Haller Footballer schon im Juni den europäischen CEFL-Bowl, also den Europapokal, ein. Die Steigerung dazu, das „Triple“, ist im deutschen Football-Sport nicht möglich, denn einen nationalen Pokalwettbewerb – wie den DFB-Pokal im Fußball – gibt es nicht. Aber auch den hätten die Unicorns höchstwahrscheinlich gewonnen.

Denn die Form der Truppe von Headcoach Jordan Neuman war von Anfang an da. Der neue Quarterback Reilly Hennessey war doch nicht ganz neu, da er im vergangenen Jahr schon als Ersatz-Spielmacher im German Bowl 2021 zum Einsatz kam. „Es war eine einfache Entscheidung für mich. Die Unicorns sind so eine tolle Organisation mit einer speziellen Atmosphäre, angefangen bei den Mitspielern über die Coaches, den Staff oder unseren Mannschaftsarzt“, nennt Hennessey nach dem gewonnenen Finale gegen Potsdam die Gründe, warum er wieder nach Schwäbisch Hall zurückgekehrt ist. Hennessey erweist sich als absolute Stütze des Haller Angriffs. Er macht wenig Fehler und bringt viele Pässe an den Mann. Wenn es keinen anderen Ausweg gibt, scheut er aber auch nicht, selbst mit dem Ball zu laufen und sich ins Getümmel zu werfen. 

Aber auch den Haller Spielmacher ereilt während des Jahres das gleiche Schicksal wie so viele andere Spieler der Einhörner. Sie verletzen sich. Teilweise fehlen 20 Akteure, oft auch wochen- oder monatelang. Cody Pastorino verpasst die zweite Saisonhälfte, also die entscheidende Phase der Saison, wegen einer Brustmuskelverletzung. O-Liner Robert Hager bricht sich das Bein im Europapokalfinale. Nick Alfieri muss lange von außen zuschauen wegen eines Bänderrisses im Knie. Der nach verpflichtete Receiver Jake Parker, erst Mitte Juli gekommen, verletzte sich zweimal schwer, sodass mit Bryce Nunnelly ein Ersatz für den Ersatz geholt werden muss. Die Liste der Ausfälle ließe sich noch ellenlang fortsetzen – so ein Verletzungspech hatten die Unicorns-Verantwortlichen noch nicht erlebt, betonten sie immer wieder während der Saison.

Zweite Reihe bewährt sich 

Und trotzdem schafften es die Haller, ungeschlagen durch die Spielzeit zu marschieren, weil auch die zweite Reihe über genügend Qualität verfügt. Ohne Niederlage gings durch die Regular Season – wie zu erwarten, mag man an dieser Stelle sagen.

Zwischendurch eilen die Unicorns auch im Europapokal von Sieg zu Sieg. Im Viertelfinale sind die Örebro Black Knights aus Schweden nur ein Sparringspartner (58:7), das Halbfinale gegen die Franzosen von Flash de La Courneuve ist da schon bedeutend knapper (35:21). Am 25. Juni kommt es dann zum ersten Highlight der Saison, als die Unicorns zum ersten Mal in ihrer Geschichte als Gastgeber für ein internationales Finale fungieren dürfen. Die Parma Panthers aus Italien sind vor 2383 Zuschauern auf der Auwiese doch deutlich unterlegen, sodass Schwäbisch Hall den Titel verteidigt und auch 2022 wieder CEFL-Bowl-Champion ist.

In den Playoffs um die deutsche Meisterschaft genießen die Haller als Südmeister wieder Heimrecht. Im Viertelfinale erweisen sich die Berlin Adler aber als harter Brocken. 35:21 heißt es am Ende für die Hausherren, die im Halbfinale überraschend auf alte Bekannte treffen. Denn die Allgäu Comets aus Kempten schlagen im Viertelfinale völlig überraschend den deutschen Rekordmeister, die Braunschweig Lions. Im Halbfinale in Schwäbisch Hall werden die Comets wieder in ihre Schranken gewiesen, die Unicorns ziehen mit einem 33:8 in den German Bowl ein.

"Die Unicorns sind so eine tolle Organisation."
Reilly Hennessey Quarterback

Und dort, genauer gesagt im Frankfurter Deutsche Bank Park, kommt es zum „Battle of the Undefeated“ (Schlacht der Unbesiegten). Denn auch die Potsdam Royals geben sich in der GFL-Nord und in den Playoffs keine Blöße. Vor allem die hochgelobte Offense der Brandenburger, die sich durch eine sehr schnelle Spielführung ohne große Absprachen auszeichnet, mutiert zu einer Punktemaschinerie, die die Gegner platt walzt. Aber an diesem Abend nicht. Die Haller Defense hat zunächst zwar auch Probleme, die Potsdamer aufzuhalten, aber je länger das Spiel dauert, desto besser kommen die Unicorns mit dem gegnerischen Angriff zurecht. Und die Offense hat die Partie zu jeder Zeit im Griff, zu schwach ist die Royals-Defense in diesem Finale. Hallsiegt 44:27, der fünfte deutsche Meistertitel und damit das Double sind in dieser Saison ohne eine einzige Niederlage damit perfekt. Besser geht‘s nicht.

„Die letzten zwei Niederlagen im German Bowl war richtig schwer zu verkraften“, gibt Unicorns-Headcoach Jordan Neuman offen zu. „Aber sowas wirft uns nicht um. Wir kommen immer wieder zurück. Das ist auch eine Stärke von uns als Unicorns“, lobt Neuman. Oft muss man im Sport eben Niederlagen akzeptieren und verarbeiten, bis man es ganz nach oben schafft. Da, wo die Einhörner wieder angekommen sind. Viktor Taschner


Neue Energie geschöpft

Kommentar Viktor Taschner über die Saison der Unicorns

Man kann wieder nur den Hut vor den Unicorns ziehen. Spieler, Trainer, Betreuer, Fans: Alle waren auch in diesem Jahr eine Einheit – was in diesem komplexen Jahr 2022 auch nötig gewesen ist. Klar gehören Verletzungen zum FootballSport dazu, es geht zur Sache auf dem Feld, das wissen alle Beteiligten. Aber so massiv wie in dieser Spielzeit waren die Ausfälle noch nie. Zum Glück ist der Großteil der Schlüsselspieler dann doch für die entscheidende Phase in den Playoffs zurückgekehrt, sodass die Haller sich mit richtig viel Power den Weg zum fünften deutschen Meistertitel ebnen konnten. Dass mit dem Sieg im CEFL-Bowl auch schon Europas Krone in dem kleinen württembergischen Städtchen gelandet war, macht die ganze Sache nochmal spezieller.

Wie so oft im Sport mussten die Haller Footballer aber auch erst Widerstände überwinden, um triumphieren zu können. Die Finalniederlagen im German Bowl 2019 gegen Braunschweig und vor allem die von 2021 gegen Dresden hing den Spielern und Trainern noch an. Aber mittlerweile wissen die Einhörner damit umzugehen, sie erzeugen aus schmerzhaften Misserfolgen neue Energie und brechen nicht daran zusammen.

Mehr als der Gewinn der deutschen Meisterschaft und des Europapokals ist de facto nicht möglich. Was soll das Team also noch erreichen? Die Motivation oben zu halten wird eine der Hauptaufgaben sein, die die Coaches im kommenden Jahr angehen müssen. Aber Erfolg macht auch immer Hunger auf mehr und die Konkurrenz wird alles daran setzen, die Unicorns wieder vom Sockel zu stoßen. Potsdam hat Blut geleckt und verfügt zumindest offensiv über genauso viel Potenzial wie Hall. Die Berlin Adler als diesjähriger Aufsteiger waren im Viertelfinale ein sehr starker Gegner, auch auf sie wird man ein Auge werfen müssen, auf die Braunschweig Lions als Rekordmeister sowieso. Im Süden sieht es nicht danach aus, als ob irgendjemand die Vormachtstellung der Haller gefährden könnte.

Die größte Gefahr für das Haller Gesamtgefüge kommt eher von außerhalb. Die GFL muss weiterhin mit der Konkurrenzliga ELF um Marktanteile und auch um Personal kämpfen. Auf dem ein oder anderen Football-Forum im Internet wird spekuliert, dass Halls Headcoach Jordan Neuman in die ELF wechseln könnte, um eine neue Herausforderung anzunehmen. Bislang hat sich der Unicorns-Erfolgstrainer nicht zu seiner Zukunft geäußert. Falls er geht, könnten ihm Spieler und Assistenz-Trainer folgen. Das wäre dann wirklich eine Zäsur und ein harter Schlag für die Einhörner. Mal sehen, wie sich die Protagonisten entscheiden.