Vieles hat sich verändert, seitdem das Rottenburger Diözesanmuseum in der Karmeliterstraße 9 im Jahre 1996 eröffnet wurde. Vor allem habe sich die Rezeption, das Zugehen auf sakrale Kunst durch die Besucher verändert, sagt Melanie Prange. Sie ist die Leiterin des Museums seit 2012.
Die Umgestaltung des Barockbaus 1996 für die Nutzung als Museum erfolgte durch den Architekten Eckehard Janofske, der moderne Einbauten schuf. Inzwischen haben sich die Erwartungen an Museen und die Sehgewohnheiten verändert. Mit der Neukonzeption will sich das Team der Zukunft stellen.
Ein neues Gesicht fürs Museum
Vor einem Jahr war es dann so weit – das Museum bekam ein neues Gesicht. Seit dem 1. August 2024 wird an und in dem Gebäude gearbeitet. Nicht nur architektonisch wurde gearbeitet, obwohl natürlich Veränderungen zum Beispiel beim Brandschutz vorgenommen wurden. Der neu gestaltete Eingangsbereich ist ein echter Hingucker. Überzeugend hat man aus ihm einen hellen, lichten, geräumigen Raum geschaffen. Der Empfang rückte links Richtung Straße, daneben an der Wand hängt ein großes Display. Ein Blickfang sind auch die neuen Holzschränke und Kommoden gegenüber: Modern, hohe Qualität und auf Anhieb ansprechend. Der Zugang zu allen Ebenen des Gebäudes wurde endlich barrierefrei gestaltet.
Große Veränderungen
Die größten Veränderungen fanden in den Ausstellungsräumen des Museums statt. So bekam der große Ausstellungsraum ein neues Gesicht, eine Atmosphäre, die ihn atmen lässt und die Besucher dazu bringt, die Kunstwerke dort mit anderen, neugierigen Augen zu sehen.
Dies liegt vor allem daran, dass die dortige Schauausstellung mit verändertem Konzept aufgehängt wurde. „Sakrale Kunst“, sagt die Initiatorin Melanie Prange, „erklärt sich nicht alleine durch ihre Ikonographie, wir wollen jetzt auch zeigen, was uns diese Bilder heute zu sagen haben.“
Die Grundfarbe im Erdgeschoss ist grün. „Das sorgt für eine Spannung bei der Präsentation der Werke, die mit den einzelnen Grüntönen korrespondieren.“ Auch die Wandgröße wurde reduziert, kleinere Aufhängflächen sorgen für einen lebendigeren Rhythmus bei dem Blick auf die Werke.


Moderne Elemente
Zur Neueröffnung dient die Hauptschauwand im hinteren Teil des Erdgeschosses als Video-Projektionswand. Dort wird eine Installation der Augsburger Künstlerin Karen Irmer zu sehen sein.
Zwei Grundprinzipien hätten sie bei der Gestaltung der Ausstellungsflächen geleitet, sagt Melanie Prange. Zum einen habe man die Werke „didaktisch aufarbeiten“ wollen für die Besucher. Nun stehen Texte bei den einzelnen Werken, die nicht nur das Bild erläutern, sondern auch einen Input geben, was das gezeigte Werk mit dem Menschen zu tun hat. „Der einfache Titel des Bildes hat das oftmals nicht erreicht.“
Die zweite Maßgabe war, nun auch zeitgenössische Kunst in die Ausstellungsräume zu integrieren. Das Museum sei dadurch zum Begegnungs- und zum Veranstaltungsort geworden.
Flexible Nutzung
Im großen Ausstellungsraum wurde auf die Stellwände verzichtet, der Raum hat sich geöffnet, ist einladender geworden. So bleibt jetzt genug Raum für Performances, für Konzerte, für Vorträge oder Lesungen. „Wir sind nun so viel flexibler geworden in unseren Angeboten an die Besucher und Besucherinnen.“
Zu Beginn habe man alle Räume komplett leer geräumt und dann alles von Grund auf neu gestaltet. Es gibt nun einen Rundgang im Erdgeschoss unter dem Thema „Menschenbilder.“ Die Besucher erhalten ein Booklet, das auch in einfacher Sprache und auf Englisch vorliegt. Außerdem wurde ein Audioguide installiert.
Das ehemalige Weiß an den Aufhängewänden ist den unterschiedlichen Schattierungen von Grün gewichen. „Die mittelalterlichen Gemälde waren nicht für weiße Wände gemacht“, so Melanie Prange, „sie hingen ja in Kirchen vor dunklen Wänden oder bunten Fenstern.“ Das erklärt auch, wieso bekannte Gemälde nun deutlich beeindruckender wirken auf die Betrachter. Aber auch die ganze Atmosphäre des hohen, nach der Renovierung freigelegten Raumes schafft einen neuen Zugang zu der sakralen Kunst.
Himmelsleiter
Die Treppe zum ersten Stock ist nun in das Gesamtbild des Museums integriert. An einer Wand hängen goldene Flügel, geschaffen von der Künstlerin Susanne Roewer. „Die Treppe ist jetzt so etwas wie eine Himmelsleiter zu den Engeln“, sagt Prange lachend.
Fast noch beeindruckender als das Grün im Erdgeschoss wirkt das Blau der Wände im ersten Stock. Zahlreiche Holzfiguren erstrahlen förmlich im Kontrast zu dem blauen Hintergrund. Jetzt kann man erst erkennen, wie viel ihrer Wirkung durch das Weiß der vorigen Wände verloren gegangen war.
Dasselbe gilt auch für die Alabasterarbeiten: Auch hier werden die ikonischen Trauerbilder sozusagen verinnerlicht. Beeindruckend die Christus-Johannes-Gruppe, bei der der Kopf des Johannes auf der Schulter von Jesus liegt (1360). „Verbundenheit“ ist der neue Titel. Er verweist auf eine neue, moderne, menschliche Ebene in der Skulptur.
Ein Gemälde vom Fegefeuer von 1510 wird mit „Reinigendes Feuer“ vorgestellt – womit man näher an einer Interpretation der biblischen Ikonographie liegt.
Neue Perspektiven
Von der neuen Holzbrüstung herab bietet sich eine neue Perspektive auf den Raum im Erdgeschoss. Vor den großen Fenstern können die Besucherinnen und Besucher sogar durch die Vorhänge hindurch die Schattenspiele der Bäume draußen wie ein Schauspiel genießen.
Im Untergeschoss sind die Geräte für die Messe in der sogenannten Schatzkammer ausgestellt. Ihre Anzahl wurde reduziert und die Ausstellungsstücke wurden thematisch und nach Epochen geordnet.
Schaudepot
Neu ist, dass das Depot im Untergeschoss jetzt frei zugänglich ist. Dieses „Schaudepot“ zeigt auch ungewöhnliche, unerwartete Objekte, wie zum Beispiel einen Spielaltar. Auch die große barocke Kreuzigungsgruppe, die bislang an der großen Wand im Erdgeschoss weit oben zu sehen war, ist nun dort untergebracht. Mit einem großen Vorteil, wie Melanie Prange betont: „Dort sind jetzt Teile der Sammlung untergebracht, die keinen Platz in der Dauerausstellung gefunden haben.“
Die feierliche Einweihung des Diözesanmuseums findet am Samstag, 8. November, statt. Öffentlich zugänglich bei einem Tag der offenen Tür ist es dann einen Tag später, am 9. November. Der Eintritt ins Museum ist bis Weihnachten frei. Werner Bauknecht