VOM FISCH ETWAS ÜBRIG LASSEN
Dabei gilt es als Tradition, das neue Jahr im Kreis der Familie mit einem Festmahl zu beginnen. Auch in Ulm und Umgebung blicken viele mit banger Hoffnung auf das neue Jahr. Ein Festmahl am Silvesterabend läutet das neue Jahr ein und soll mit den richtigen Köstlichkeiten das Glück hereinbringen. Bei Lihong Gentner-Zhang aus Senden gibt es „Klebreiskuchen und ,jiaozi‘, kleine Maultaschen in Form von Goldbarren, sie sollen das neue Jahr versüßen und Wohlstand bringen“, sagt Lihong. Auch Fischgerichte stehen traditionell auf dem Speiseplan. Das Wort Fisch (yú) wird genau so ausgesprochen wie das Wort Wohlstand (yú). „Unbedingt etwas vom Fisch übrig lassen“, erklärt Lihong, die 2022 wieder im kleinen Kreis der Familie feiert, „sonst bleibt vom Glück nichts mehr übrig!“ Einer Legende zufolge hatte der Jadekaiser Yu Di, eine zentrale Gottheit der chinesischen Mythologie, die Tiere in sein Reich eingeladen und eine Belohnung ausgelobt. Den zwölf ersten Tieren, die dem Ruf des Jadekaisers folgten, hatte Yu Di die Unsterblichkeit versprochen. Die Ratte verfolgte mit der Katze einen gemeinsamen Plan – auf dem Rücken des Büffels das große Wasser zu überqueren. Mitten auf hoher See versetzte die Ratte der Katze einen Stoß. Bis heute eine sagenumwobene Erklärung dafür, warum Katzen Ratten jagen und sich vor Wasser scheuen? Es kamen der Reihe nach Ratte, Büffel, Tiger, Hase, Drache, Schlange, Pferd, Ziege, Affe, Hahn und Schwein in das Reich des Jadekaisers. So unterhaltsam die Geschichte ist, so verschieden sind auch die Charaktereigenschaften der einzelnen Tiere. Dem Tiger etwa werden Entschlossenheit, Mut und Stärke nachgesagt. „Wer im Jahr des Tigers geboren ist, der schießt auch manchmal über das Ziel hinaus“, wie Lihong Gentner-Zhang erklärt. Seit zwanzig Jahren lebt sie in Senden und pflegt auch hier die kleinen Bräuche und Glücksrituale, mit denen sie in Lanzhou, in der Mitte der Volksrepublik, aufgewachsen ist.
BEDEUTUNG DER TIERE
Aber woher stammen die rot-goldenen Symbole, Laternen und die Tänze eigentlich? Eine Erklärung liefert das Jahresmonster „nian“. Symbolisch für das alte Jahr stehend kommt es aus den Tiefen des Meeres, um Erwachsene, aber vor allem Kinder zu fressen. Was das Monster nicht mag, sind die Farben Rot und Gold und laute Geräusche. Auf dieser alten Legende beruhend, wappnet sich noch heute fast ein Viertel der Weltbevölkerung, um das neue Jahr farbenfroh und mit Feuerwerk zu begrüßen. Außerdem hat man im Reich der Mitte vor langer Zeit beschlossen, Drachen gegen das Jahresmonster einzusetzen.
Der Drache, ein Symbol des Glücks, sollte das Monster und damit das alte Jahr endgültig vertreiben und damit den Weg für ein erfolgreiches neues freimachen. Nicht nur im Reich der Mitte, auch in anderen ostasiatischen Ländern und in Städten mit einer hohen asiatischen Bevölkerung wie in New York, London und Berlin erlebt man sie noch heute: Die legendären Drachentänze, die meist aus mehreren kostümierten Tänzern und komplizierten Schrittfolgen bestehen. Im neuen Jahr setzt man nicht nur im Reich der Mitte auf den Tiger. Mythologisch betrachtet sagt man ihm nach, er könne das Unglück vertreiben. Ob er damit zum Wegbereiter für eine Feier 2023 ohne Grenzen wird? Das steht noch in den Sternen. JULIA HAAGA
Neujahr
Das chinesische Neujahr wird nach dem chinesischen Lunisolarkalender (chinesischer Bauernkalender) berechnet und findet immer am zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende statt. Damit fällt das Neujahrsfest immer auf den Neumond zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar. Mit jedem Jahr verschiebt sich das Neujahrsfest um elf Tage nach vorn.