Aachtalhaus des ZfP: Ein Stück Beheimatung für Patienten
Sonderveröffentlichung

Erweiterung Aachtalhaus Aachtalhaus des ZfP: Ein Stück Beheimatung für Patienten

Investition von rund 6,5 Millionen in Zwiefalten: Umfassende Behandlung psychisch kranker Täter durch differenzierte Behandlungsangebote. Rund 28 Patienten im Maßregelvollzug.

Von 1803 bis 1962 war es das Schulhaus der Gemeinde - das generalsanierte Aachtalhaus des ZfP auf dem Marktplatz in Zwiefalten. Fotos: Jürgen Herdin

10.02.2024

Seit Jahresbeginn 2023 herrscht im generalsanierten historischen Schulhaus wieder Leben. Der Bauherr, das Zentrum für Psychiatrie (ZfP), schuf in seinem Aachtalhaus Platz vor allem für Menschen, die wegen ihrer Suchtkrankheit mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, aber wegen psychischen oder Suchtkrankheiten schuldunfähig oder vermindert schuldfähig sind. Der Knast ist für sie dann der falsche Ort, befinden die Gerichte.

Die forensische Psychiatrie dient dem Schutz der Öffentlichkeit durch die umfassende Behandlung psychisch kranker Täter, so die Justiz. Den Patienten soll in dem Haus nahe des Münsters durch differenzierte Behandlungsangebote wieder zu einem straffreien eigenverantwortlichen Leben verholfen werden. Die Rückfallquote ist deutlich geringer als die von Menschen, die im Gefängnis saßen.

Am Ende der Flure befinden Aufenthaltsräume, sich die hier mit einer Fernsehecke.
Am Ende der Flure befinden Aufenthaltsräume, sich die hier mit einer Fernsehecke.

Derzeit befinden sich rund 28 Patienten im Maßregelvollzug des ZfP in Zwiefalten, wie es juristisch korrekt heißt. Ein Stockwerk im Aachtalhaus ist anderen Suchtkranken vorbehalten. insgesamt entstand Platz für rund 60 Patienten - davon für 18 psychisch Erkrankte ohne strafrechtlichen Hintergrund. Ab etwa 2032 soll das Haus ausschließlich dem Maßregelvollzug dienen. Das Gebäude mit nun insgesamt 1700 Quadratmetern nutzbarer Fläche ist viergeschossig, samt einem Dachstuhl, der jedoch für die Architekten und den Denkmalschutz eine sehr knifflige Herausforderung war.

Notwendig wurde daher die Aufteilung in zwei Bauabschnitte. Rund 6,5 Millionen Euro hat das Vorhaben gekostet, eine Investition, die überwiegend vom Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg übernommen wurde. So hat das Haus von Minister Manfred Lucha auch die Fachaufsicht. Das ZfP mit seinen rund 4 000 Beschäftigten in sechs Landkreisen ist jedoch in seinem unternehmerischen Handeln frei.

Das Schulgebäude, erbaut um 1673, diente dem Kloster als Internat und Gymnasium. Von 1803 bis 1962 war es das Schulhaus der Gemeinde Zwiefalten. In zwei großen, gewölbten Räumen im Erdgeschoss des Aachtalhauses befinden sich unter anderem Gerätschaften der ZfP-Werksfeuerwehr.

Prof. Gerhard Längle, Regionaldirektor Alb-Neckar im ZfP Südwürttemberg, lobte die vertrauensvolle und reibungslose Zusammenarbeit der Architekten vom Büro Hartmaier+Partner um Ralf Straub sowie Nicolas Riek. Er ist Leiter der Abteilung Bauen und Entwicklung des ZfP. Das ambitionierte Projekt einer Generalsanierung, realisiert zwischen 2019 und Ende 2022, hatte durchaus seine Tücken. Einerseits mussten in aufwendiger Arbeit zahlreiche Duschen samt deren Wasserleitungen ins historische Gemäuer eingebaut werden. Außerdem wartete das Dachgestühl mit einer unliebsamen Überraschung auf. Und selbstverständlich war bei allen Baumaßnahmen der Denkmalschutz involviert.

„Bei den vier Geschossen haben wir oben angefangen - mit dem Dachstuhl aus Eichenholz“, erläutert Architekt Ralf Straub. Dort war es im Laufe der Jahre zu einer Kondensat-Bildung gekommen, die den Fußpunkt zersetzt hatte. „Hier musste alles neu ertüchtigt werden“, ebenso wie im gesamten Gebäudetrakt, so Straub. Der lobte dann auch die umsichtigen Dachdeckerarbeiten der Firma Bayer aus Zwiefalten in besonderer Weise. „In Spitzenzeiten arbeiteten hier über 60 Handwerker gleichzeitig“, weiß Straub. Dessen Mitarbeiterin Nadja Buck war die Projektleiterin vor Ort.

Florian Bayer bei seinen umfangreichen Arbeiten am Dachstuhl im Aachtalhaus des ZfP Zwiefalten. <i>Foto: Ralf Straub</i>
Florian Bayer bei seinen umfangreichen Arbeiten am Dachstuhl im Aachtalhaus des ZfP Zwiefalten. Foto: Ralf Straub

Im Dachgeschoss sind jetzt Räumlichkeiten für Mitarbeiter des ZfP, Sozial- und Therapieräume - sowie eine Wohngruppe. Im zweiten Obergeschoss ist Platz für 18 Patienten in zehn Zimmern, hinzu kommt ein rollstuhlgerechter Wohnraum. Das Aachtalhaus des ZfP verfügt über einen geräumigen Aufzug. Die breiten Flure sind kommunikative Treffpunkte, verfügen unter anderem über eine Bücherecke. Es gibt einen Speiseraum mit Küche, Dienstzimmer und Büros. Im Erdgeschoss befinden sich unter anderem drei große Therapieräume.

Prof. Gerhard Längle betont, dass die Menschen in dieser forensischen Einrichtung beileibe nicht etwa nur wenige Monate verbringen „Hier findet ein Stück Beheimatung statt“, fasst Längle die Besonderheiten dieser so umfangreichen Modernisierung zusammen. Denn ein Erfolg versprechender Maßregelvollzug dauert. „Die Leute sind etwa zwei Jahre bei uns“, so Längle. Heimat auf Zeit: Freundliche helle Räume gehören da ebenfalls dazu, wie „ein ausgetüfteltes Möblierungskonzept samt einer besonderen Farbgebung“. Und die umfassende Therapie trägt Früchte - bundesweit. Die Rückfallquote von Menschen, die einen Maßregelvollzug durchlaufen haben, ist erheblich niedriger als bei Straftätern, die im Knast saßen. Die Therapie von „harten Fällen“, Menschen, die schwere Straftaten begangen haben, findet im Zwiefaltener Aachtalhaus übrigens nicht statt. Weswegen das Gebäude auch nicht ähnlich einem Gefängnis gesichert werden müsse. 
Von Jürgen Herdin