Seit vielen Jahren ungeschlagen das „lauteste Wesen der Welt“
Sonderveröffentlichung

Fischmarkt in Crailsheim Seit vielen Jahren ungeschlagen das „lauteste Wesen der Welt“

Titel: Wurst-Achim erreicht mit seiner Stimme die Schmerzgrenze. Ein Esel ist keine Herausforderung, seine Konkurrent ist ein Brüllaffe.

Er übertönt sie alle: Wurst-Achim ist das lauteste Wesen der Welt. Die Besucher können sich am Wochenende selbst davon überzeugen. Foto: Veranstalter

02.11.2021

Crailsheim/Hannover. Spricht Sie eigentlich noch jemand mit „Herr Pfaff“ an oder steht bei Ihnen „Wurst–Achim“ im Ausweis? Wurst-Achim: So ungefähr ist es. Ich werde ziemlich oft mit Wurst- Achim angesprochen.Wie lange machen Sie den Job als Marktschreier schon? Ist das die korrekte Berufsbezeichnung? Wurst-Achim: Das ist korrekt. Ich bin jetzt seit 33 Jahren Vollblut- Marktschreier und möchte nichts Anderes machen.

Wie kamen Sie dazu?

Wurst-Achim: Ich bin gelernter Großhandelskaufmann und habe bei einem Markt in Hannover den Einkauf gemanagt. Zu diesem Job kam ich über meinen Ex-Schwiegervater, der damals schon auf Märkte gefahren ist und mich öfter bat, ihm Ware nachzuliefern. Bei einer dieser Gelegenheiten habe ich mir das Mikrofon geschnappt. Es waren bereits einige Kunden da, die das richtig gut fanden. Das hat der legendäre Wurst-Herby mitbekommen, der mir sofort anbot, bei ihm einzusteigen. Von ihm habe ich viel lernen können.

Sie haben zwei besondere „Qualifizierungen“, wenn man das so nennen will. Sie sind amtierender Deutscher Meister und das „lauteste Wesen“ der Welt. Sie schreien also lauter als ein Esel?

Wurst-Achim: Ein Esel? Das ist doch keine Konkurrenz! Ich musste gegen einen Brüllaffen antreten und habe ihn um Längen geschlagen. Ich kam auf 110,2dB (Anm. d. Red. das ist die Schmerzgrenze, so laut sind Kreissägen oder Presslufthämmer), der Affe nur auf 106.

Wer kam denn auf so eine Idee?

Wurst-Achim? Zwei Fernsehsender: RTL und Pro 7: Die haben das in einer Samstagabendshow gesendet. Das ist jetzt schon eine ganze Weile her, die eine Show war 2008, die andere 2012, glaube ich. Seither hat mir niemand den Titel streitig gemacht, obwohl die Fernsehsender nach wie vor nach Anwärtern suchen. Der Deutsche Meister hingegen muss ständig verteidigt werden. Das ist wie bei der Fußball-Bundesliga. Es gibt bei jedem Auftritt Punkte. In jeder Stadt veranstalten wir einen Wettbewerb und lassen die Leute entscheiden, wen sie am besten finden: Der Erste kriegt drei Punkte, der Zweite zwei und der Dritte einen. Am Ende des Jahres wird zusammengezählt und wer die meisten Punkte hat, wird Deutscher Meister.

Will überhaupt einer Ihrer Kollegen noch neben Ihnen stehen, wenn Sie alle übertönen?

Wurst-Achim: Doch, doch. Die stehen alle gerne neben mir. Aber es gibt auch manchmal Feuer. Dann ruft einer rüber, ich soll doch mal die Schnauze halten. Aber abends trinken wir dann wieder ein Bier zusammen und alles ist gut.

Gibt es etwas, was Ihnen die Sprache verschlägt – dreiste Kunden beispielsweise, die alles geschenkt bekommen wollen?

Wurst-Achim: Nein. Das ist mir noch nicht passiert und es zeichnet einen guten Marktschreier auch aus, stets eine Antwort parat zu haben. Man muss einfach spontan sein, und das habe ich in den langen Jahren gelernt. Es gibt eigentlich wenig, was mich überrascht.

Jetzt droht wieder die Erkältungswelle. Was machen Sie, um bei Stimme zu bleiben? Haben Sie ein Geheimrezept?

Wurst-Achim: Es ist die Atemtechnik, die schützt. Jeder Sänger lernt das. Man muss über den Bauch und das Zwerchfell atmen, ja nicht über den Kehlkopf. Anfangs war das reine Kopfsache. Aber mittlerweile geht das automatisch.

Welcher Spruch zieht immer?

Wurst-Achim: Es ist eigentlich eine Mischung aus allem: Witze, Lautstärke, aber auch die leiseren Töne zwischendurch. Man muss aufs Publikum achten und sensibel dafür sein, was ankommt. Vertragen es die Leute mir gegenüber ein bisschen derber, dann bis ich es, wenn nicht, dann muss ich etwas feiner sein.

Was gibt es bei Ihnen, was ich im Supermarkt nicht bekomme?

Wurst-Achim: Ein halbes Schwein für 20 Euro beispielsweise. Aber: Von meinen Produkten gibt es nur ganz wenige im Supermarkt, man bekommt sie nur beim Metzger. Ich habe hochwertige Ware und kann sie nur über die Menge so günstig verkaufen. Bei mir gehen an den drei Tagen bis zu drei Tonnen Wurst über die Theke.

Sie touren durch ganz Deutschland. Wie regeln sie das mit dem Einkauf? Ganz einfach kann das ja nicht sein, immer frische Ware zu bekommen.

Wurst-Achim: Ich habe einen Händler in Unna. Von ihm beziehe ich meine Ware schon seit 33 Jahren. Für mich geht es sonntags im Lkw immer zurück zur Basis. Montag bis Freitag habe ich dann Zeit, mich um den Einkauf zu kümmern.

Sie haben die Menschen aus unterschiedlichen Regionen erlebt. Sind die Schwaben wirklich am geizigsten?

Wurst-Achim: Die Schwaben habe ich nie als geizig erlebt. Eher als überlegt. Sie rechnen nach und vergleichen und wenn sie zu dem Entschluss kommen, dass mein Angebot gut ist, dann schlagen sie auch kräftig zu. Gehandelt wird bei mir übrigens nicht.

Wie viele Termine haben Sie in normalen Jahren im Jahr und was lief über die Zeit des Lockdowns?

Wurst-Achim: Ich habe 45 Veranstaltungen in 45 Städten im Jahr. Während Corona allerdings lief gar nichts. Da war ich daheim, bei meinem Sohn.

Was darf man Ihnen wünschen für die Zeit in Crailsheim?

Wurst-Achim: Ein gutes Geschäft und schönes Wetter. Bei Regen und Sturm trauen sich die Leute nämlich nicht auf die Straße. Aber nach Crailsheim bringe ich die Sonne mit. Kerstin Dorn