Wenn ich nach Hause komme, ersetze ich meistens nur die eine Arbeitshose durch eine andere", erzählt Johannes May lachend. Der 20-Jährige aus Frankenhardt-Sandhof macht eine Ausbildung zum Fruchtsafttechniker bei den Hohenloher Fruchtsäften in Schwäbisch Hall, jobbt aber auch bei der Kelterei Erhardt in seinem Heimatort, brennt Schnaps, schreinert und gärtnert in seiner Freizeit. Dabei wollte er nach seinem Abitur 2021 eigentlich Volkswirtschaftler werden und studierte ein Semester in Augsburg. ,,Das hat mir schon Spaß gemacht", sagt Johannes. Aufgrund der Corona-Pandemie fanden jedoch fast ausschließlich Online-Vorlesungen statt und das ,,dauernde in der Bude hocken" war nicht sein Ding. Er beschloss, sich etwas anderes zu suchen.
Schon als Gymnasiast hatte Johannes, dessen Familie selbst 120 Obstbäume besitzt, bei der benachbarten Kelterei ausgeholfen und dort immer mehr Verantwortung bekommen. Er bediente die Waage bei der Obstanlieferung, unterstützte bei der Einlagerung, mischte Saft aus, maischte Äpfel für den Most ein, half beim Abfüllen und bediente im Laden. Weil er immer noch mehr wissen wollte, kaufte er sich Fachbücher und fing an, selbst zu experimentieren. Vor diesem Hintergrund entschied er sich zunächst für ein Praktikum bei den Hohenloher Fruchtsäften. Am 1. September 2022 startete er in Schwäbisch Hall seine Ausbildung und mit diesem Schritt ist der Praktiker nun überglücklich. „Ich bereue keinen Tag, dass ich das Studium beendet und die Ausbildung begonnen habe." Da er einiges an Vorwissen mitgebracht hatte, wurde seine Lehrzeit um ein Jahr auf insgesamt zwei Jahre verkürzt.
Die Berufsschule findet im Blockunterricht in Geisenheim im Rheingau bei Wiesbaden statt, der einzigen Berufsschule für Fruchtsafttechniker im deutschen Sprachraum. ,,Weil die Branche sehr klein ist, kennt jeder jeden", schwärmt Johannes. ,,Man tauscht sich aus, hilft sich gegenseitig und kann Kollegen auch mal anrufen, wenn man im Betrieb beispielsweise mit einer Rezeptur nicht recht weiterkommt."
Aber auch die familiäre Atmosphäre und dass er in dem vergleichsweise kleinen Betrieb in Hall einfach alles von der Anlieferung des Obstes über das Kreieren neuer Säfte bis zur Abfüllung in Flaschen lernen kann, gefällt dem 20-Jährigen. Ob Kellermeister Daniel Rübmann oder Produktionsleiter Jürgen Göller - alle haben ein offenes Ohr für den interessierten Auszubildenden, der auch bei der VR Bank Job-Börse vor Ort sein wird.
Um 6 Uhr startet der Arbeitstag des angehenden Fruchtsafttechnikers. Je nach Plan werden dann Produkte ausgelagert oder Säfte ausgemischt. Beim Orangensaft zum Beispiel wird das Konzentrat, das in Fässern aus Brasilien geliefert wird, mit destilliertem Wasser versetzt und mit natürlichem Aroma ergänzt, das den Früchten vorher entnommen wurde. ,,Das Konzentrat riecht nur leicht, das Aroma jedoch unglaublich intensiv nach Orangen", erzählt Johannes, und ergänzt: ,,Konzentrate verwenden wir ausschließlich bei Säften mit exotischen und südländischen Früchten, wie eben Orangen, Grapefruits oder Maracujas." Ansonsten werde einheimische Früchte aus der Region zu Saft weiterverarbeitet.
Sollen Gewürzen und Kräuter oder wie etwa Pfefferminz oder Rosmarin zugesetzt werden, wird eine Art Tee angesetzt. ,,Wir verwenden dafür kaltes Wasser", erläutert Johannes. Das sei einerseits schonender, andererseits begegne man, wenn man auf die Erhitzung verzichte, der Bildung von Hydroxymethylfurfural, was ab einer bestimmten Konzentration krebserregend sein kann. Ein Highlight in seinem Arbeitsalltag sei immer die Entwicklung neuer Kreationen. So war er dabei, als das Apfel-Maracuja-Schorle entwickelt wurde. ,,Wir mischen dann verschiedene Zutaten so lange, bis das Getränk allen Beteiligten schmeckt." Das könne schon nach drei Versuchen der Fall sein, oder erst nach 20 bis 25 Variationen. Sein persönliches Lieblingsgetränk ist übrigens Apfel-Birnen-Most.
Richtig viel zu tun ist immer im August, wenn die Äpfel und Birnen angeliefert werden. „Die Tanks müssen aufwendig gereinigt, die Rohware bei der Anlieferung eingehend kontrolliert und die Oechslegrade der Früchte gemessen werden". Wie beim Wein errechne man mithilfe der Oechslegrade den Zuckergehalt und, beim Most, den zu erwartenden Alkoholgehalt nach der Gärung. Sehr viel Sorgfalt sei nötig, wenn das Obst zu Saft weiterverarbeitet wird, erläutert Johannes, denn Verunreinigungen können zur Bildung von Hefen oder Schimmelpilzen führen. Dann sei das Produkt unbrauchbar und schlimmstenfalls könne man ,,30 000 Liter nur noch in den Gulli laufen lassen". Daher seien für Fruchtsafttechniker sauberes und genaues Arbeiten sowie die Beachtung der Hygieneregeln besonders wichtig. Hinzu kämen laut Johannes ein Bezug zur Natur, das Interesse und ein Gespür für Obst, das Produkt Saft und für Lebensmittel im Allgemeinen.
Das genaue Arbeiten liegt Johannes im Blut. Wenn er in seiner Freizeit Tomaten anbaut, schreibt er in einem Buch akribisch auf, was geklappt hat und was nicht. Dann weiß er das im nächsten Jahr. Wenn es etwas zu reparieren gibt, ist er zur Stelle. „Ich probiere einfach gerne Sachen aus", sagt er, ,,und bleibe dran, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt."
.Von Claudia Linz