Viele wichtige Themen standen auf der Agenda der jährlichen Mitgliederversammlung der Kfz-Innung Göppingen, die jüngst im Restaurant am Golfpark in Göppingen stattfand: darunter die Wahlen des Obermeisters und des Vorstands. Diese zeigten einmal mehr, wie zufrieden die 114 Mitgliedsbetriebe mit der Arbeit der Führungsriege der Innung sind: Sowohl Ludger Wendeler als auch Jochen Staudenmayer wurden erneut einstimmig in das Amt des Obermeisters und des Vizeobermeisters gewählt. Die anderen Mitglieder des Vorstands Jochen Baumann, Jürgen Holz, Johannes Könninger, Felix Ritter, Dirk Stahl und Armin Weber wurden ebenfalls einstimmig in ihrem Amt bestätigt.
Lieferfähigkeit verbessert sich
In seinem Geschäftsbericht ging Ludger Wendeler auf die Entwicklungen des vergangenen Jahres ein. Es war von Ereignissen geprägt, die auch in der Kfz-Branche ihre Spuren hinterlassen haben. So verlängerte der Krieg in der Ukraine unter anderem die Lieferproblematik, deren Ursprünge in der Corona-Pandemie lagen. Dennoch entspannt sich die Lage langsam und immer mehr Fahrzeuge werden von den Herstellern ausgeliefert, wodurch der Auftragsbestand langsam abgebaut wird. So wurden 2022 bundesweit 2,65 Millionen Pkw neu zugelassen - 1,1 Prozent mehr als 2021. Im Innungsbezirk Göppingen sind die Neuzulassungen sogar noch etwas mehr um 3,8 Prozent gestiegen. "Es ist ein gutes Zeichen, dass die Zahlen langsam wieder steigen, auch wenn sie noch weit hinter den Vor-Corona-Zahlen 2019 zurückliegen", stellt Ludger Wendeler fest.
Rückläufig war jedoch das Gebrauchtwagengeschäft, bundesweit wurden 15,8 Prozent weniger Gebrauchtwagen verkauft, in Göppingen waren es 15,2 Prozent weniger. Das liegt daran, dass nach wie vor weniger gebrauchte Fahrzeuge auf dem Markt sind. Durch höhere Verkaufspreise konnte dieser Rückgang jedoch deutlich kompensiert werden.
Rückgang bei Neuwagen-Bestellungen
Seit Mitte 2022 sei ein Rückgang der Auftragseingänge zu verzeichnen, was insbesondere auf unsichere Rahmenbedingungen, sinkende Kaufkraft bei den Kunden und hohe Fahrzeugpreise zurückzuführen sei, erklärt Ludger Wendeler: "Viele Hersteller haben die Zeit der knappen Ware genutzt, um die Fahrzeugpreise teilweise stark zu erhöhen und Rekordergebnisse zu erzielen. Ob diese Strategie nachhaltig erfolgreich ist, bleibt abzuwarten. Zudem werden im Segment der Kleinwagen immer weniger Fahrzeuge von europäischen Herstellern angeboten. Bei dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob die individuelle Mobilität auf Dauer noch für alle bezahlbar bleibt."
Transformation in zwei Bereichen
Die größten Herausforderungen, denen das Kfz-Handwerk gegenübersteht, sind die Transformation der Antriebe und die Transformation der Geschäftsmodelle. So wollen in Zukunft immer mehr Hersteller für den Neuwagenverkauf auf Agenturvertrieb setzen. "Das kann auch eine Chance für die Autohäuser sein, wenn sich tatsächlich alle Agenten einer Marke an die Preisvorgaben der Hersteller halten, denn dann wird es keinen Preiswettbewerb innerhalb der Marke mehr geben", so Ludger Wendeler. "Im echten Agentursystem müssen außerdem die Hersteller alle Kosten und Risiken tragen, die aus dem Vertrieb der Neuwagen für die Agenten entstehen."
Autohäuser bleiben wichtig
Darüber, dass die Autohäuser im Agentursystem eines Tages überflüssig werden könnten, sorgt sich Ludger Wendeler nicht: "Zwar gibt es eine Tendenz zum Onlinekauf im Neuwagenverkauf, aber ich bin überzeugt, dass die Beratung und Betreuung in den Autohäusern auch im neuen System eine zentrale Rolle spielen werden. Das Auto ist schließlich ein komplexes Produkt und der Service spielt bei der Kaufentscheidung eine zentrale Rolle. Hier liegt die Kompetenz eindeutig bei den Autohäusern vor Ort."
Trotz neuer Möglichkeiten wird das Agentursystem jedoch auch dazu führen, dass weniger Ausstellungsfläche benötigt wird, die Netze reduziert werden und viele Autohäuser keinen Neuwagenverkaufsvertrag oder Agentenvertrag mehr erhalten. "Die Konsolidierung wird weiter voranschreiten und auch Händler treffen, die viele Jahrzehnte loyal waren und gut verkauft haben", sagt Ludger Wendeler. "Das kann unter Umständen aber auch eine Chance sein, sich neuen Marken zuzuwenden, die auf den deutschen und europäischen Markt streben."
Gemeint sind damit vor allem Hersteller aus dem asiatischen Raum wie BYD, Great Wall, Nio oder Lynk, deren Qualität sich im Laufe des vergangenen Jahrzehnts stark verbessert hat, und die von der schnellen Transformation hin zu den elektrischen Antrieben profitieren.
Zahl der E-Fahrzeuge auf den Straßen steigt
Tatsächlich hat mit 48,9 Prozent mittlerweile fast jedes zweite Fahrzeug, das 2022 in Göppingen neu zugelassen wurde, einen Elektro-Motor an Bord. Umso wichtiger sei es für die Autohäuser und Werkstätten, sich darauf einzulassen und entsprechende Investitionen in die Ladeinfrastruktur, die Schaffung elektrofähiger Arbeits- und Reparaturplätze und auch in die Mitarbeiterqualifikation zu tätigen, betont Ludger Wendeler. "Die Transformation der Antriebe wird Veränderungen mit sich bringen und auch das Werkstattgeschäft beeinträchtigen, da ein E-Motor viel weniger Teile hat und zum Beispiel auch kein Öl braucht. Diese Entwicklung ist jedoch planbar. Und nicht zu vergessen: Auch nach 2030 werden in Deutschland noch 30 Millionen zugelassene Verbrenner auf den Straßen sein, die gewartet und repariert werden müssen."
Werkstattgeschäft im Aufschwung
2022 lief das Werkstattgeschäft sehr erfreulich. "Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe ZDK hat ermittelt, dass die Werkstattauslastung 2022 bundesweit bei 84 Prozent lag - 2021 lag die Auslastung noch bei 80 Prozent. Verantwortlich dafür ist zum einen, dass weniger Menschen im Homeoffice arbeiten und zum anderen, dass alte Fahrzeuge in den letzten Jahren länger gefahren wurden."
Insgesamt zeigt sich Ludger Wendeler trotz schwieriger Rahmenbedingungen zufrieden mit den Ergebnissen der Autohäuser und Werkstätten und er blickt optimistisch auf die kommenden Jahre, auch wenn die Herausforderungen nicht weniger werden.
Ausbildung und Fachkräfte
Eine dieser Herausforderungen ist der Fachkräftemangel, der in der Branche deutlich spürbar ist. "Dem Thema Ausbildung kommt daher eine besondere Bedeutung zu", sagt Ludger Wendeler. "Hier stehen wir im Wettbewerb mit der Industrie und den Hochschulen. Das Kfz-Handwerk muss sich aber nicht verstecken: Nur wenige andere Branchen können so viele Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung bieten wie wir. Wer sich einen sicheren Arbeitsplatz wünscht und beste Perspektiven für die Zukunft, ist im Kfz-Handwerk richtig."
Zulassungszahlen
628 Neufahrzeuge wurden im April im Landkreis Göppingen zugelassen (März: 861). Davon waren 91 Elektrofahrzeuge (131), 178 Hybridfahrzeuge (281) und davon 38 Plug-in-Hybridautos (66).
1684 Gebrauchtwagen, die im April zugelassen wurden, zählt das Landratsamt Göppingen (März: 2167).