Herr Wendeler, welche Bilanz ziehen Sie für das Kfz-Handwerk im ersten Halbjahr 2023?
Tatsächlich sind wir Autohäuser zufrieden, wie das erste Halbjahr verlaufen ist - vor allem was die Zahl der Neuzulassungen betrifft. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wurden bundesweit 12,8 Prozent mehr Fahrzeuge neu zugelassen. Im Landkreis Göppingen waren es 10,4 Prozent mehr. Diese Steigerung ist vor allem auf einen Nachholeffekt zurückzuführen: Die Lieferproblematik löst sich langsam auf und es werden viele Fahrzeuge ausgeliefert, die im letzten Jahr bestellt worden waren. Die Auftragseingänge sind leider rückläufig gewesen in den vergangenen Monaten.
Können Sie Gründe dafür nennen?
Hauptursache für die verhaltenen Bestellungen ist wohl die konjunkturelle Entwicklung im Land. Die Kaufkraft sinkt durch die Inflation, gleichzeitig herrscht Verunsicherung durch die GEG-Novelle und damit verbundene eventuelle Investitionen in neue Heizungen. Viele entscheiden sich deswegen dafür, zu sparen und das alte Fahrzeug noch eine Weile länger zu fahren oder sich einen Gebrauchtwagen zu kaufen, wenn es gar nicht anders geht. So verzeichnet der Gebrauchtwagenmarkt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Plus von 4,5 Prozent bundesweit, im Landkreis Göppingen sind es sogar 7,2 Prozent.
Wenn ältere Fahrzeuge länger gefahren werden, wirkt sich das sicherlich positiv auf das Werkstattgeschäft aus?
Das ist richtig und insofern erfreulich, dass für viele Betriebe das Service- und Teilegeschäft das Hauptstandbein ist mit Blick auf die Rendite. Je älter die Fahrzeuge sind, desto serviceintensiver sind sie. Und je mehr von ihnen auf den Straßen sind, desto höher ist natürlich auch die Auslastung in den Werkstätten. So lag die Werkstattauslastung im ersten Halbjahr 2023 bei 87 Prozent, das sind vier Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2022. Es wurden aber nicht nurmehr Fahrzeuge repariert: Viele Autobesitzer haben sich entschieden, auch größere Reparaturen durchführen zu lassen, statt in ein neues Auto zu investieren.
Woran liegt das?
Das liegt sicherlich daran, dass die Hersteller die Preise zuletzt teilweise deutlich erhöht haben. Gleichzeitig bringen viele der etablierten Marken immer weniger günstige Kompaktfahrzeuge auf den Markt, sondern sie konzentrieren sich vor allem auf das Premiumsegment. Die Hersteller dürfen aber nicht vergessen, dass Mobilität für alle bezahlbar bleiben muss - auch, weil ihnen sonst neue Hersteller aus Asien, die schon jetzt mit günstigeren Fahrzeugen auf den Markt drängen, irgendwann den Rang ablaufen.
Vor allem im Bereich der E-Mobilität sieht man immer öfter Fahrzeuge neuer Hersteller aus Asien auf den Straßen. Wie entwickelt sich das Thema hier mit Blick auf die Zulassungen?
Im ersten Halbjahr 2023 waren in Göppingen 15,8 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge vollelektrisch, insgesamt hatten 43,8 Prozent zumindest einen Elektromotor an Bord. Damit sind die Zahlen ähnlich wie im Vorjahreszeitraum. Erfreulich ist allerdings, dass der Fördertopf für E-Fahrzeuge im letzten Monat bundesweit noch mal um 400 Millionen Euro aufgestockt wurde, nachdem die bisherigen Fördermittel im ersten Halbjahr so gut wie aufgebraucht waren. Wir gehen davon aus, dass sich damit alle Fahrzeuge, die für dieses Jahr bestellt waren und geliefert werden, abdecken lassen. Unglücklich ist leider, dass dies ab September nur noch für private Fahrzeuge gilt, während die Förderungen für gewerbliche Fahrzeuge Ende August auslaufen.
Gefördert werden aber nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch für Wallboxen gibt es wieder eine Förderung-allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Wie bewerten Sie das?
Prinzipiell ist es gut, dass die Regierung die E-Mobilität fördert, allerdings müssen diese Förderungen auch erreichbar sein. Da ist es natürlich schwierig, wenn für eine Förderung vorausgesetzt wird, dass auch eine Photovoltaikanlage mit Speicher gekauft und installiert wird, so wie es jetzt der Fall sein soll. Denn was bei einem Einfamilienhaus vielleicht noch umsetzbar ist, lässt sich bei Mehrfamilienhäusern mit einer Eigentümergemeinschaft vielleicht nicht ganz so einfach realisieren. Soll die Transformation hin zur E-Mobilität aber erfolgreich sein, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: E-Autos müssen bezahlbar sein, sie müssen eine gute Reichweite haben und die Ladeinfrastruktur muss gegeben sein.
Obermeister
Und nicht zuletzt müssen auch die Werkstätten für E-Autos ausgerüstet sein.
Die Betriebe müssen natürlich in Hochvoltplätze und Hochvoltqualifikation der Mitarbeiter investieren, um die E-Fahrzeuge warten und reparieren zu können. Dazu kommen Investitionen in Geräte für Schadstoffmessungen. Seit diesem Jahr muss bei Euro-6-Fahrzeugen außerdem der Partikelausstoß gemessen werden, was sehr teure Diagnosegeräte voraussetzt. Das müssen die Betriebe, die weiter AU/HU-Prüfungen anbieten wollen, erst mal stemmen und vor allem für kleinere Betriebe ist das eine Herausforderung.
Eine Herausforderung für die Autohäuser ist die Umstellung der Hersteller auf das Agentursystem. Gibt es bereits Erfahrungen?
Tatsächlich haben die ersten Hersteller bereits auf dieses neue System, bei dem sie ihre Fahrzeuge direkt und auch online vertreiben, umgestellt. Hier wird aber noch viel ausprobiert. Natürlich besteht die Gefahr, dass die Autohäuser in Zukunft keine so große Rolle mehr spielen werden, auch wenn die Kunden die Beratung vor Ort fordern. Ich bin überzeugt, dass das System auch für die Hersteller nur funktionieren wird, wenn sie motivierte Händler beziehungsweise Agenten haben. Denn der Onlineverkauf allein, das hat man während der Lockdowns gesehen, funktioniert nicht unbedingt.
Benötigt werden dafür, wie auch für den Werkstattbetrieb, kompetente Fachkräfte. Wie ist die Situation im Landkreis?
Der Fachkräftemangel ist natürlich schwierig und deswegen liegt uns auch die Ausbildung sehr am Herzen. Wir freuen uns hier im Landkreis über sehr konstante Zahlen bei den Auszubildenden. Für das kommende Ausbildungsjahr wurden wieder rund 60 neue Azubis eingeschult. Eine Herausforderung ist es aber, die frischgebackenen Gesellen mit Fachhochschulreife im Beruf zu halten, denn viele streben nach der Ausbildung an die Hochschulen. Hier müssen wir Perspektiven aufzeigen, die sie im Kfz-Handwerk haben - zum Beispiel als Meister, Diagnosetechniker oder Servicetechniker. Es gibt viele Möglichkeiten, sich weiterzubilden und Karriere zu machen. Von Daniela Strohmaier