Herr Wendeler, welche Bilanz ziehen Sie mit Blick auf das Kfz-Handwerk für das Jahr 2023?
Aus der Perspektive des Kfz-Handwerks kann ich für 2023 eine positive Bilanz ziehen. Im Vergleich zu 2022 ist es für uns sogar sehr gut gelaufen. Deutschlandweit wurden 2,85 Millionen Neuwagen zugelassen, das ist ein Plus von 7,3 Prozent. Und auch die Zahlen bei den Gebrauchtwagen waren erfreulich: So gab es circa sechs Millionen Umschreibungen, was einer Steigerung von 6,9 Prozent gleichkommt. Im Landkreis fallen die prozentualen Werte ähnlich aus.
Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für dieses positive Ergebnis?
Bei den Gebrauchtwagen lag die Steigerung sicherlich daran, dass wieder deutlich mehr Fahrzeuge auf dem Markt verfügbar waren. Bei den Neuwagen war ein wichtiger Grund noch der Nachholeffekt, der ein Resultat der Lieferkettenverschiebungen während der Corona-Pandemie war. Die Hersteller haben die Aufträge, die teilweise noch aus 2022 oder sogar 2021 stammten, aber vollständig abgearbeitet, sodass sich der Effekt nun vollständig aufgelöst hat.
Sehen Sie einen weiteren Grund?
Auch die Förderprämie für E-Fahrzeuge hatte einen großen Anteil an den hohen Zulassungszahlen. Immerhin bis Ende September wurde die Prämie noch vollständig gewährt, sowohl für gewerblich als auch für privat genutzte Fahrzeuge. Das hat das E-Fahrzeuggeschäft deutlich angekurbelt. Zu merken ist dies daran, dass der Auftragseingang ab Oktober 2023 stark eingebrochen ist, weil es für das Gewerbe ab diesem Zeitpunkt keine Förderungen mehr gab und es ein wichtiger Abnehmer für E-Fahrzeuge war.
Bei aller Freude über das Plus darf man aber nicht darüber hinwegsehen, dass die bundesweiten Verkaufszahlen noch lange nicht auf dem Normalniveau vor Corona liegen. Tatsächlich liegen sie mit einem Minus von 20 Prozent bei den Neuwagen weit unter den Zahlen von 2019. Ähnlich sieht es bei den Gebrauchtwagen aus. 2019 gab es noch 7,2 Millionen Umschreibungen, das sind 17 Prozent mehr als 2023.
Wie sind Ihre Prognosen für 2024? Werden sich die Verkaufszahlen weiter erholen?
Ich rechne eher damit, dass 2024 ein schwieriges Jahr für die Kfz-Branche werden wird. Wie gesagt sind alle Auftragsbestände aus den vergangenen Jahren abgearbeitet und die Auftragseingänge waren 2023 eher unbefriedigend. Wenn sich das in den kommenden Monaten nicht belebt und deutlich steigt, wird 2024 ein schwaches Jahr werden für die Autohäuser und Hersteller. Bei Gebrauchtwagen bin ich optimistischer, weil es nun wieder ein gutes Angebot und eine große Auswahl für Interessierte gibt. Ich gehe davon aus, dass die Zahlen hier stabil bleiben oder sogar noch zulegen.
Wie könnten die Hersteller den Auftragseingang ankurbeln?
Die Hersteller sind sehr gut durch die vergangenen Jahre gekommen und haben von der Situation, dass wenig Fahrzeuge auf dem Markt waren, profitiert. Nun ist es an der Zeit, dass sie Geld in die Hand nehmen, um ihre Fahrzeuge mit eigenen Marketingprogrammen attraktiver zu machen. Das ist einerseits ein Appell an sie von uns, den Autohäusern, andererseits rechne ich aber auch mit Preissenkungen und Angeboten, weil die Hersteller durchaus Druck haben, ihre Autos zu verkaufen. Vor allem die europäischen Hersteller müssen Lösungen finden, wenn sie nicht möchten, dass Kunden auf günstigere asiatische Fahrzeuge umsteigen.
Ein spezieller Blick auf das E-Fahrzeuggeschäft: Im Dezember 2023 hat die Politik verkündet, dass es sehr kurzfristig keine weiteren Förderungen für E-Fahrzeuge mehr geben würde. Was bedeutet das für die Branche?
Ich bin überzeugt, dass dies ein herber Rückschlag für die E-Mobilität ist und das Ziel, bis 2030 15 Millionen E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen zugelassen zu haben, rückt damit in weite Ferne. Denn leider sind die Rahmenbedingungen bei den E-Fahrzeugen noch nicht gegeben, dass sie sich ohne Förderungen von selbst tragen. Dafür sind sie vor allem noch zu teuer, gerade im Vergleich zu Pkw mit Verbrennermotor.
Was ist nun mit den Kunden, die bei der Bestellung ihres E-Fahrzeugs fest mit der Förderung gerechnet haben?
Für sie ist es natürlich besonders bitter. Wir sprechen hier immerhin von Förderungen in Höhe von 6750 Euro bei günstigeren Fahrzeugen und von 4500 Euro bei solchen mit Verkaufspreis zwischen 40 000 und 65 000 Euro, mit denen kalkuliert wurde und die quasi von heute auf morgen weggefallen sind. Insgesamt 60 000 Fahrzeuge sind davon betroffen, heißt es laut Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Die Hälfte davon wurde bereits geliefert und hätte nur noch zugelassen werden müssen, die andere Hälfte ist bestellt mit Liefertermin 2024.
Gibt es hier ein Entgegenkommen der Hersteller, um den Wegfall der Förderung aufzufangen?
Die Förderung wurde zu zwei Teilen von der BAFA und zu einem Teil von den Herstellern finanziert. Für die Fahrzeuge, die noch 2023 geliefert wurden, übernehmen fast alle Hersteller nicht nur den eigenen Anteil der Förderung, sondern treten darüber hinaus auch für den Anteil der BAFA ein. Auch für die bestellten Fahrzeuge, die erst noch geliefert werden, bezahlen fast alle Hersteller den Eigenanteil an der Förderung, da sie diesen sowieso fest eingeplant hatten. Einige prüfen auch, ob sie zusätzlich den Anteil der BAFA tragen können. Hier zeichnet sich jedoch noch kein eindeutiges Bild ab.
Der Verkauf ist das eine, der Service das andere. Wie standen die Werkstätten 2023 da und mit welcher Entwicklung rechnen Sie in diesem Jahr?
Das Servicegeschäft war im letzten Jahr sehr erfreulich. Die Auslastung lag bundesweit bei 87 Prozent. Viele Werkstätten lagen damit in der Serviceauslastung sogar über der Vor-Corona-Zeit. Grund dafür ist, dass viele Autos länger gefahren werden, weil weniger geliefert wurden. Heute liegt das Durchschnittsalter der Fahrzeuge in Deutschland bei über zehn Jahren, da fallen natürlich auch mehr Reparaturen an. Ich gehe davon aus, dass das Servicegeschäft auch in den kommenden Jahren stabil bleiben wird, selbst wenn mehr E-Fahrzeuge auf den Straßen sind, an denen es weniger zu reparieren gibt. Zumindest 2024 wird dieser Effekt noch nicht durchschlagen.
Eine Herausforderung für viele Branchen ist der Fachkräftemangel. Wie ist hier die Situation im Kfz-Handwerk?
Natürlich beschäftigt der Fachkräftemangel auch das Kfz-Handwerk, das im Wettbewerb zur Industrie und dem Dienstleistungsbereich steht. Leider betrachten viele Menschen das Handwerk noch als weniger attraktiv. Vor allem kleinere Betriebe tun sich oft schwer, Fachpersonal zu finden, und müssen schließen, wenn es keine Nachfolger gibt. In unserem Landkreis stehen wir aber gut da mit sehr stabilen Zahlen bei den Innungsbetrieben.
Wie erklären Sie sich das?
Wir sind als Innung sehr engagiert in der Werbung für die Ausbildung, sei es bei Ausbildungskampagnen in Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft oder auch, wenn es darum geht, Präsenz zu zeigen, zum Beispiel bei Messen. Das trägt Früchte: Im September wurden wieder 80 neue Auszubildende eingeschult - das ist sogar noch eine kleine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr. Auch bei der kaufmännischen Ausbildung läuft es gut und es konnte wieder wie in den vergangenen Jahren eine eigene Klasse für Automobilkaufleute an der beruflichen Schule gefüllt werden. Das gibt uns Hoffnung für die Zukunft.
Haben Sie noch eine weitere Vermutung, woran die guten Ausbildungszahlen liegen könnten?
Das ist natürlich immer schwierig zu sagen. Vielleicht liegt es daran, dass das Kfz-Handwerk im Vergleich zum industriellen Bereich sehr viel Sicherheit bietet. Die Übernahmequote nach der Ausbildung ist hoch und ein Arbeitsplatz ist fast schon garantiert, wenn die Prüfung einigermaßen zufriedenstellend abgeschlossen wird.
Allerdings sind auch steigende Personallohnkosten ein Thema im Kfz-Handwerk.
Steigende Personallohnkosten belasten die Betriebe in der Tat. Das muss erst einmal erwirtschaftet werden, man kann aber nicht einfach alles auf die Preise umlegen. Hier müssen die Betriebe schauen, wie sie das kompensieren können, zum Beispiel durch Digitalisierung, neue Prozesse oder Verschlankung in unproduktiven Bereichen. Das betrifft aber nicht nur das Kfz-Handwerk, sondern alle Branchen.
Welche Gesamteinschätzung geben Sie für das neue Jahr ab?
Mit Blick auf das Servicegeschäft und die Ausbildung bin ich optimistisch. Hier ist das Handwerk gut aufgestellt und die Betriebe kürzen auch nicht bei den Ausbildungsplätzen, sondern sie bieten sogar eher noch mehr an. In anderen Bereichen ist meine Hoffnung gering, dass 2024 ein Erfolgsjahr wird.
Woran liegt das?
Bremsklötze sind die derzeitige konjunkturelle Lage und auch die Politik, die wirkliche Probleme nicht anpackt und stattdessen immer mehr Herausforderungen für die Betriebe bringt. So gibt es immer mehr Bürokratie und eine wachsende Unberechenbarkeit, obwohl Kunden und Branche Planungssicherheit benötigen. Die Prämienkürzungen sind dafür nur ein Beispiel. Dass es gute Gründe für den Wegfall gibt, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen - wenn kein Geld da ist, kann man es auch nicht ausgeben. Aber man muss faire Übergangslösungen finden für die Menschen, die fest damit gerechnet haben.
Was können Hersteller und Autohäuser tun?
Die Hersteller müssen ihre Hausaufgaben machen, Anreize schaffen und auch preisgünstige Fahrzeuge anbieten. Und von uns Betrieben und Autohäusern müssen Kunden auch weiterhin Zuverlässigkeit, Beratung und eine gute Kundenzufriedenheit erwarten können.