Kfz-Innung in Göppingen: Die Branche befindet sich in einer Transformation
Sonderveröffentlichung

Kraftfahrzeug und Verkehr Kfz-Innung in Göppingen: Die Branche befindet sich in einer Transformation

Auf der Versammlung der Kfz-Innung Göppingen blickte Obermeister Ludger Wendeler zurück und betonte die Bedeutung von Innovation und Anpassungsfähigkeit angesichts sich verändernder Marktbedingungen.

Viele Mitglieder im Gesellenprüfungsausschuss feierten Jubiläum. Von links: Thomas Boller (10 Jahre), Markus Schönfelder (20 Jahre), Jörg Schäffer (20 Jahre), Florian Köhler (10 Jahre), Wolfgang Rube (30 Jahre, von Anfang an als Vorsitzender), Johann Daubner (35 Jahre), Udo Widmayer (26 Jahre), Peter Weingärtner (15 Jahre), Dieter Munz (35 Jahre), Bernd Richter (20 Jahre), Wolfram Scheurer (35 Jahre), Stefan Eleuther (20 Jahre), Harald Kreutzer (20 Jahre), Obermeister Ludger Wendeler

10.06.2024

Viele Themen beschäftigen die Kfz-Branche dieser Tage - das wurde deutlich bei der Innungsversammlung des Kfz-Handwerks, die im Mai in Göppingen stattfand. Krisen wie die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, aber auch die Rezession in Deutschland machen den Unternehmen und Autohäusern zu schaffen. Dazu käme, dass sich die Kfz-Branche in der größten Transformation ihrer Geschichte befände, so Ludger Wendeler, Obermeister der Göppinger Kfz-Innung, in seiner Rede an die Mitgliedsbetriebe und Gäste, darunter Carsten Beuß, Hauptgeschäftsführer des Verbands des Kfz-Gewerbes Baden-Württemberg, Vertreter der gewerblichen und der kaufmännischen Schulen in Göppingen und weitere.


E-Fahrzeuge müssen überzeugen

„Die Transformation hin zur E-Mobilität wird sich weiter fortsetzen und das hat auch sein Gutes schließlich ist der Effekt auf das Klima nicht von der Hand zu weisen“, so Ludger Wendeler.

Dennoch rechnet der Obermeister damit, dass das Verbrennerverbot nach der Europawahl noch einmal auf den Prüfstand geht: „Auch wenn das Verbot nicht komplett vom Tisch sein wird, ist spürbar, dass die Hersteller ihre Strategien aktuell anpassen und davon ausgehen, auch nach 2030 oder sogar 2035 noch Neuwagen mit Verbrennermotor in Europa zu verkaufen. Denn: Die Kunden lassen sich nicht vorschreiben, welches Auto für sie das Beste ist. Und erst wenn E-Fahrzeuge in den drei kritischen Punkten Reichweite, Ladeinfrastruktur und Kaufpreis beziehungsweise Wirtschaftlichkeit überzeugen, wird es sich vollends durchsetzen. Noch ist das aber nicht so weit.“

Vertrauensverlust durch Streichung der E-Förderung

Zwar hatte 2023 fast jedes zweite neu zugelassene Auto einen E-Motor an Bord, jedoch waren das weniger Neuzulassungen als im Vorjahr. Generell sei spürbar, dass das Wachstum nachlasse, sagt Ludger Wendeler. „Das mag auch mit der plötzlichen Streichung einer zugesagten Förderung zu tun haben, die sicherlich einen Vertrauensverlust in die Politik verursacht hat. An dieser Stelle möchte ich den Verbänden ein Lob aussprechen, die sehr aktiv sind und auch dazu Gespräche mit allen Parteien suchen.“ Den Mitgliedsbetrieben rät Ludger Wendeler trotz allem dazu, sich auf die E-Mobilität einzulassen. „Wir alle müssen uns darauf einstellen und mit Blick auf Ladeinfrastruktur, Werkstattausstattung und Qualifikation der Mitarbeiter am Ball bleiben.“

Asiatische Hersteller streben auf den Markt

Als besorgniserregend achtet Ludger Wendeler die Tatsache, dass europäische Hersteller das Angebot im Klein- und Kompaktwagenbereich immer weiter reduzieren, denn „das wirft die Frage auf, ob die individuelle Mobilität in Zukunft noch für alle bezahlbar bleibt oder ob asiatische Hersteller diese Lücke komplett schließen.“ Diese würden schon jetzt von der Transformation hin zur E-Mobilität profitieren und seien dabei, auf den europäischen Markt zu drängen. Die Nachricht, dass die USA die Zölle auf asiatische Fahrzeuge kräftig erhöhen wollten, könne diese Entwicklung noch beschleunigen, falls die asiatischen Hersteller ihre Fahrzeuge nun vermehrt auf dem europäischen statt auf dem amerikanischen Markt absetzen wollten.

Die Liefersituation hat sich entspannt, das ist gut für Kunden und Werkstätten.
Ludger Wendeler
Obermeister

Umstellung auf Agentursystem

Die zweite Transformation, die das Kfz-Handwerk beschäftigt, ist die Umstellung vieler Hersteller auf das Agentursystem beim Neuwagenverkauf. „Das muss nicht unbedingt schlecht sein, wenn die Margen vernünftig sind und die Risiken für die Autohäuser wegfallen. Hier kommt es aber wirklich auf die Ausgestaltung an“, erklärt Ludger Wendeler. Weil das Agentursystem für die Autohäuser weniger Ausstellungsware bedeute, hätten sie künftig mehr freie Ausstellungsfläche zur Verfügung. „Dann ist zu überlegen, wie man diese Fläche nutzt und ob man vielleicht eine zweite Marke hinzunimmt.“

Autohäuser bleiben wichtig

Die Beratung und die Betreuung der Kunden spielen aber weiterhin eine zentrale Rolle, ist Ludger Wendeler überzeugt, das sichere die Existenz der Autohäuser. „Das Auto ist ein komplexes Produkt und der Service, den nur die Autohäuser leisten können, ist und bleibt sehr wichtig.“ Sicher ist der Obermeister dennoch, dass die Umstellung auf das Agentursystem die Konsolidierung der Branche beschleunige, da einige Autohäuser ihre Autorisierung für den Verkauf einer Marke verlieren würden. „Und das ist eine sehr traurige Entwicklung.“

Zufrieden trotz vieler Herausforderungen

Trotz aller Herausforderungen blickt Ludger Wendeler insgesamt zufrieden auf das Jahr 2023 zurück. „Die Liefersituation für Fahrzeuge und Ersatzteile hat sich entspannt, das ist gut für die Kunden und die Werkstätten. Die Auftragsbestände, die sich aufgrund der Lieferschwierigkeiten während und nach der Pandemie angestaut haben, sind mittlerweile ausgeliefert.“ 2,85 Millionen Fahrzeuge wurden 2023 bundesweit neu zugelassen, ein Plus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Zuwachs sei erfreulich, läge aber nach wie vor unter dem Niveau vor Corona - damals waren es 21 Prozent mehr. Auch der Gebrauchtwagenverkauf legte im letzten Jahr um sieben Prozent zu, womit er jedoch 16 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau zurückblieb.

Werkstattgeschäft legt zu

„Viele Kunden sind verunsichert, etwa aufgrund der wirtschaftlichen Lage oder weil sie nicht wissen, welches Auto sie kaufen sollen. Das führt dazu, dass sie oft lieber teils hohe Summen in die Reparatur ihres alten Autos investieren statt in den dringend benötigten Neukauf. Aus diesem Grund gehen die Auftragseingänge derzeit bei allen Marken zurück“, sagt Ludger Wendeler. „Allerdings profitieren davon natürlich die Werkstätten.“ So lag die Werkstattauslastung 2023 bei 87 Prozent und damit zwei Prozent höher als im Vorjahr. Allerdings: „Die vielen Vorschriften setzen die Werkstätten unter Druck. Zwar beteuert die Politik stets, dass sie die Entbürokratisierung voranbringen möchte, am Ende passiert aber nur wenig - und wenn eine Vorschrift wegfällt, kommen dafür zehn neue hinzu.“

Fachkräftemangel mit Ausbildung begegnen

Wie in fast allen Branchen zeigt der Fachkräftemangel auch im Kfz-Handwerk deutliche Spuren. Dem könne man nur mit einer hohen Ausbildungsquote begegnen, ist Ludger Wendeler überzeugt. Die Innung engagiert sich aus diesem Grund stark in der Azubi-Werbung, unter anderem, indem sie sich auf den Ausbildungsmessen im Landkreis präsentiert. „Unser Dank geht hier an die Betriebe, die dafür Fahrzeuge zur Verfügung stellen und an die Auszubildenden, die auf den Messen den interessierten jungen Menschen authentisch aus ihrem Ausbildungsalltag berichten.“

Verband engagiert sich für die Branche

Neben Obermeister Ludger Wendeler hielt auch Carsten Beuß bei der Innungsversammlung eine Rede, in der er nicht nur über Chancen und Herausforderungen sprach, sondern auch verdeutlichte, warum die Branche starke Fürsprecher gegenüber der Politik brauche. „Ob es darum geht, dem Regulierungswahn Einhalt zu gebieten, der Politik die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kfz-Branche zu vermitteln oder in Beratungsgremien zu Themen wie E-Mobilität, Umwelt und Fachkräftemangel zu kommen - wir sind hier sehr aktiv und führen viele Gespräche mit Politikerinnen und Politikern im Land, aber auch in Berlin, um die Interessen unserer Kfz-Handwerksbetriebe bestmöglich zu vertreten.“
Daniela Strohmaier