Herr Wendeler, welche Bilanz ziehen Sie für die erste Hälfte dieses Jahres?
Es war bisher spannend, um es mit einem Wort zusammenzufassen, und die Kfz-Branche ist mit vielen Veränderungsthemen beschäftigt, die gleichzeitig bewältigt werden müssen - darunter sind zum Beispiel die Umstellung auf das Agentursystem bei vielen Herstellern, immer neue Vorschriften und natürlich nach wie vor auch die Transformation der Antriebe zu nennen. Wir freuen uns aber, dass sich der Markt in der ersten Jahreshälfte 2024 positiv entwickelt hat. Bundesweit haben die Neuzulassungen 5,4 Prozent zugelegt im Vergleich zum Vorjahr, im Landkreis Göppingen sind es sogar 6,8 Prozent Wachstum. Das ist ein gutes Zeichen.
Und wie sieht es bei den Gebrauchtwagen aus?
Auch der Gebrauchtwagenmarkt ist stabil und hat sogar zugelegt. Bundesweit gab es im ersten Halbjahr 8,6 Prozent mehr Umschreibungen und im Landkreis Göppingen immerhin noch rund sechs Prozent mehr. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass wir uns insgesamt, also bei Neuzulassungen und Umschreibungen, immer noch weit unter dem Niveau bewegen, das wir 2019 vor Corona hatten.
Warum reagieren die Kunden nach wie vor verhaltener, wenn es um den Autokauf geht?
Zum einen liegt das daran, dass die Konjunktur in Deutschland, wie auch in anderen Ländern, nicht so richtig in Schwung kommt. Und auch hier im Landkreis Göppingen merken wir, dass die Wirtschaft kämpft. Viele Zulieferer- und Maschinenbaufirmen stellen Investitionen deswegen erst mal zurück, auch mit Blick auf ihre Fahrzeugflotten, und das merken wir wiederum an sinkenden Auftragseingängen. Zum anderen sind viele Kunden aber auch verunsichert, weil sie nicht wissen, was für ein Auto sie kaufen sollen. Die Streichung der Förderung für E-Fahrzeuge hat dies noch einmal verstärkt, genauso wie die Diskussion in der EU darum, ob das Verbrenner-Verbot ab 2035 noch einmal verschoben wird.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat außerdem angekündigt, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 neu zugelassen werden könnten, wenn sie ausschließlich CO2-neutrale Kraftstoffe tanken. Was halten Sie davon?
Ich bin ein Verfechter davon, dass nur eine Zielvorgabe vorgeschrieben wird, nicht aber die Technik, um diese zu erreichen. Mit E-Fuels oder grünem Wasserstoff lässt sich ein Beitrag leisten zum Erreichen der CO2-Ziele und deswegen können wir es uns eigentlich nicht leisten, diese Techniken abzuschreiben. Man muss ja bedenken, dass derzeit allein in Deutschland mehr als 48 Millionen Verbrenner auf der Straße sind und auch lange Zeit nach 2035 wird das noch so sein. Was spricht dagegen, ihren Kraftstoffen grün produzierte E-Fuels beizumischen, um ihre CO2-Bilanz zu verbessern? Hier muss weniger ideologisch, sondern pragmatischer gedacht werden.
Wie hat sich denn der Anteil der Elektro-Fahrzeuge 2024 entwickelt?
Insgesamt ist bei den Neuzulassungen der Anteil der Fahrzeuge mit Elektromotor an Bord, also inklusive Hybridfahrzeuge, leicht gestiegen im Vergleich zum Vorjahr: Waren es in der ersten Jahreshälfte 2023 43,8 Prozent, sind es 2024 44,6 Prozent. Allerdings ist der Auftragseingang in diesem Jahr bisher schwächer als im Vorjahr. Das habe ich nun schon von einigen Kollegen gehört und das hat wohl auch mit dem Wegfall der Förderung zu tun.
Außerdem sehen wir eine Verschiebung weg von reinen Elektro-Fahrzeugen hin zu Hybridfahrzeugen. Der Anteil der reinen Elektro-Fahrzeuge ist tatsächlich etwas gesunken von 15,8 Prozent auf 12,6 Prozent.
Woran kann das Ihrer Meinung nach liegen?
Das hat verschiedene Gründe. Den Menschen muss bewusst werden, dass sich die Technik der Elektroantriebe in Zukunft durchsetzen wird. Davon bin ich überzeugt, auch wenn der Weg dorthin vielleicht länger ist als von der Politik gewollt. Damit die E-Mobilität besser angenommen wird, müssen drei Bedingungen erfüllt werden: Einmal muss eine bezahlbare Ladeinfrastruktur sichergestellt sein - nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Da gibt es teilweise noch starke Gefälle. Dann müssen die Fahrzeuge eine vernünftige Reichweite haben. Das ist mittlerweile eigentlich gegeben die neuen Autos kommen oft 400 oder 500 Kilometer weit oder sogar noch weiter. Und Elektrofahrzeuge müssen auch preislich mit dem Verbrenner mithalten können, denn um es salopp zu sagen: Der Kunde zahlt nicht per se mehr, nur um ein EAuto fahren zu dürfen. Da muss man realistisch sein.
Sind die Preise denn so unterschiedlich?
E-Fahrzeuge von deutschen oder europäischen Herstellern können im Vergleich zu den Verbrennern schon mal 10 000 oder 15 000 Euro mehr kosten. Das liegt aber auch daran, dass sie bei den Elektroautos sehr stark im Premiumsegment eingestiegen sind. Hier müssen die Hersteller ihre Hausaufgaben machen und in Zukunft auch günstigere Modelle anbieten, um wettbewerbsfähig zu bleiben - insbesondere zu den asiatischen Herstellern. Dann braucht es auch keine Strafzölle. Aber wenn sich die Kunden kein E-Auto von einem deutschen Hersteller leisten können, weichen sie eben auf günstige Alternativen von asiatischen Herstellern aus - und das kann man ihnen ja auch nicht zum Vorwurf machen.
Obermeister
Nicht nur der Verkauf, sondern auch das Servicegeschäft ist wichtig für die Autohäuser. Sind Sie damit zufrieden?
Die Auslastung der Werkstätten ist tatsächlich sehr gut und liegt auf Vorjahresniveau, das ebenfalls schon erfreulich war. Das ist insofern eine gute Nachricht, weil das Servicegeschäft der stabile Anker der Betriebe ist und weniger schwankt als der Verkauf.
Viel Service bedeutet oft auch einen hohen Bedarf an Fachkräften. Wie ist die Branche hier aufgestellt?
Das Thema Fachkräfte beschäftigt alle Branchen und davon ist das Kfz-Handwerk natürlich nicht ausgenommen. Die Ausbildung spielt dabei eine ganz große Rolle. Wir als Innung und auch viele unserer Betriebe engagieren sich stark in der Azubiwerbung - mit Erfolg. So haben wir vor Kurzem wieder viele angehende Kfz-Mechatroniker an der Berufsschule begrüßen dürfen. Und über die Sommerferien kommen erfahrungsgemäß auch noch einige hinzu.
Gibt es sonst noch ein Thema, das die Kfz-Branche derzeit besonders beschäftigt?
Viele Betriebe werden durch eine überbordende Bürokratie belastet. Zwar hat sich jede Partei den Bürokratieabbau ins Programm geschrieben, aber es passiert letztendlich fast nichts - zumindest kommen in unserer Branche kaum Entlastungen an. Ganz im Gegenteil. Unsere Betriebe, die überwiegend mittelständisch und familiengeführt sind, und auch kleinere Betriebe leiden darunter, immer mehr Auflagen zur Dokumentation, zum Datenschutz, zur Berichterstattung und so weiter erfüllen zu müssen. Auch verschiedene Genehmigungsverfahren können sich bisweilen unnötig in die Länge ziehen. Da möchte man manchmal schon gar nicht mehr investieren - denn schließlich will und muss man von einer Investition ja zeitnah profitieren können. Das ist einfach nicht mehr tragbar. Die Politik muss aufhören, nur herumzureden, und endlich anfangen, klare Entscheidungen zu treffen. Das fordere ich als Obermeister ein.
Daniela Strohmaier