Sonderveröffentlichung

Kraftfahrzeug und Verkehr Ludger Wendeler, Obermeister der Kfz-Innung Göppingen

Der Obermeister der Kfz-Innung über E-Mobilität, Hybrid-Antriebe und E-Fuels – warum Technologieoffenheit die Zukunft der Automobilbranche bestimmt

Für eine zukunftsfähige Kfz-Branche ist die E-Mobilität zwar eine vielversprechende Lösung, die jedoch nicht die einzige sein sollte. Es braucht Alternativen. Foto: AdobeStock/Eugene_Photo

08.02.2025

Herr Wendeler, wie war das Jahr 2024 für die Kfz-Branche?

Ludger Wendeler: Wir hatten im vergangenen Jahr in Deutschland ein eher anspruchsvolles Geschäftsjahr. Der Automarkt war wenig dynamisch. Also will heißen: Bei den Neuzulassungen sind wir bundesweit bei 2,8 Millionen. Das ist ein Rückgang von ungefähr einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nun kann man sagen, das klingt jetzt nicht so spannend, aber man darf nicht vergessen, dass wir vor Corona bis 2019 Zulassungszahlen in Deutschland hatten, die zwischen 3,2 und 3,6 Millionen lagen. Also schon insgesamt eine spannende Lage. Die E-Mobilität hat vergangenes Jahr einen Knick bekommen, vorwiegend die vollelektrischen Fahrzeuge.

Warum hat sich das so entwickelt?

Natürlich vor allem wegen der eingestellten Förderungen. Es gibt seit vergangenem Jahr keine Förderung mehr für Elektrofahrzeuge, weder bei Neunoch bei Gebrauchtwagen und das hat einfach dazu geführt, dass die Verkäufe eingebrochen sind. Zuwächse gibt es bei den hybriden Fahrzeugen, bei denen sich vergangenes Jahr die Zulassungen etwas gesteigert haben, sodass insgesamt die Quote der alternativen Antriebe immerhin noch im Bundesschnitt bei 47,6 Prozent liegt. Dazu zählen elektrische, Plug-in-Hybride und die normalen Hybride. Das ist jetzt nicht schlecht, aber das rein elektrische Auto hat im vergangenen Jahr nur einen Marktanteil von 13,5 Prozent gehabt. Da hat man sich natürlich mehr erwartet.

Haben sich diese Zahlen im Landkreis widergespiegelt?

Im Innungsbezirk Göppingen ist die Entwicklung ziemlich parallel verlaufen. Also dort haben wir bei den Neuzulassungen einen Rückgang von 0,98 Prozent. Formell kann. Man also auch nicht sagen, der Kreis Göppingen steht besonders gut oder schlecht da, sondern ähnelt der Entwicklung im Bund. Der Elektroanteil in Göppingen ist jetzt mit 48,02 Prozent, Hybride mitberücksichtigt, auch minimal besser als die 47,6 Prozent im Bund. Die Gebrauchtwagenzahlen haben sich bundesweit gut entwickelt, was sehr erfreulich ist, denn die Umschreibungen sind um 7,4 Prozent gestiegen. Bei uns im Innungsbereich um sechs Prozent, etwas weniger dynamisch als im Bund. Aber auch hier lässt sich erfreulicherweise ein Wachstum feststellen. Das ist natürlich sehr positiv. 

Was sind die Gründe dafür?

Das liegt daran, dass sich die Lieferengpässe, die sich nach Corona bemerkbar gemacht haben, das heißt wenige Gebrauchtwagen und wenig Leasingrückläufe, langsam eingependelt haben. Es gibt wieder ein steigendes Gebrauchtwagenangebot und auch die Preise haben sich wieder normalisiert im Gebrauchtwagenmarkt. Das ist natürlich dadurch für viele Kunden auch attraktiver geworden und wir merken, dass sich viele Privatkunden vorwiegend im Bereich Gebrauchtwagen aufhalten, auch bei jungen Gebrauchtwagen. Jahreswagen, Leasingrückläufer und so weiter. Das nimmt zu, weil natürlich die Neuwagenpreise auch sehr stark gestiegen sind. In den vergangenen Jahren, insbesondere nach Corona und den Lieferengpässen, haben die Hersteller auch allesamt die Neufahrzeugpreise erhöht. Davon profitiert jetzt der Gebrauchtwagenbereich.

Unternehmen aus der Region

Wie stellt sich die Lage im Service-Bereich dar?

Im Bereich des Service-Geschäfts ist das vergangene Jahr gut gelaufen. Wir konnten eine hohe Auslastung in den Werkstätten verzeichnen. Das ist natürlich auch bedingt durch den Rückgang der Verkaufszahlen von Neuwagen. Die alten Fahrzeuge werden länger gefahren, und das führt natürlich zu höherem Wartungsbedarf, was positiv für unser Service-Geschäft ist. Das zeigt sich auch im Durchschnittsalter der PKWs, das aktuell in Deutschland bei 10,3 Jahren liegt. Im Vergleich: In den 90er-Jahren lag das noch bei fünf bis sechs Jahren. Es ist also offensichtlich, dass Fahrzeuge länger gefahren werden.

Diesen Monat wird es spannend, denn es stehen Neuwahlen an. Wie sehen Sie das aus Sicht der Kfz-Branche? 

Momentan haben wir eine Situation, dass aufgrund der Bundestagswahlen natürlich ist. Eine sehr hohe Unsicherheit bei den Leuten besteht und daher viele Kaufentscheidungen zurückstellen. Oder eben darauf warten, was die Bundestagswahl bezüglich Förderungen bringen wird. Und das führt natürlich dazu, dass der Auftragseingang bei E-Autos nicht zufriedenstellend, dazu kommt, das Angebot bezahlbarer, günstigerer E-Autos, was vergangenes Jahr so nicht vorhanden war. Mittlerweile tut sich da ein bisschen was. Französische Anbieter sind bereits teilweise mit günstigeren Fahrzeugen auf dem Markt und auch die Chinesen machen Druck. Insofern muss man sehen, wie sich das bevorstehende Jahr entwickelt. Neben der Kaufzurückhaltung ist auch die schwierige konjunkturelle Lage speziell im Filstal kein Geheimnis. Das heißt, wir brauchen dringend Impulse, dass die Zeichen wieder auf Wachstum stehen. Da hoffen wir, dass die neue Regierung relativ schnell was bewegen wird, die richtigen Signale setzt.

Unternehmen aus der Region

Können Sie das weiter ausführen?

Da muss was passieren, wenn man die E-Mobilität weiter steigern will und das ist ja auch politisch nach wie vor gewünscht, auch von der EU. Dann muss man aber auch Anreize schaffen. Diese Technologie ist noch nicht selbsttragend. Die Preise nähern sich zwar denen der Verbrenner an, aber das braucht noch mal ein bisschen Anschub und man sieht es ja in Märkten wie beispielsweise Norwegen, die haben Anreize für Elektromobilität geschaffen mit beispielsweise kostenlosem Parken in den Städten, entsprechender Kfz-Steuer und Ähnlichem. Das heißt, es geht neben den Fördermöglichkeiten auch um eine passende Infrastruktur und um Anreize, die die E-Mobilität im Alltag attraktiver machen.

Unternehmen aus der Region
Ich empfehle jedem, selbst einmal eine Fahrt mit einem E-Auto zu erleben.
Ludger Wendeler, Obermeister

Und wie sieht Ihrer Meinung nach der richtige Weg dafür aus?

Ich glaube, man muss einfach realistisch sein, denn Verbrenner wird man noch länger brauchen. Zudem sind die Verbrenner heutzutage deutlich effizienter, besonders in Bezugauf Verbrauch und CO2-Emissionen. Gerade im Dieselbereich sind die Fahrzeuge dank der neuesten Normen wirklich viel sauberer geworden. Deswegen muss man einfach objektiv sagen: Ja, wir brauchen den Wandel, aber es muss auch Alternativen geben. Wir müssen auch die Verbrenner sauberer kriegen, und dann gibt es ja auch vielleicht alternative Möglichkeiten zur E-Mobilität

Können Sie ein Beispiel nennen?

Eine Spannend bleibt, wie sich das mit den E-Fuels entwickelt, wenn auch hier die Preise noch sinken. Auch die Wasserstofftechnologie ist Option, die für die nächsten Jahre interessant werden wird. Daher sollten wir auch politisch unbedingt technologieoffen bleiben. Hybride sind nach wie vor ein relevantes Thema, vor allem mit den neuen Reichweiten. Die aktuellen Modelle schaffen mittlerweile 100 Kilometer rein elektrisch. Wenn man sich die durchschnittliche tägliche Fahrleistung in Deutschland anschaut, wird das immer relevanter. Auch die Ladeinfrastruktur sollte weiter ausgebaut und modernisiert werden, auch wenn man hier in den vergangenen paar Jahren schon deutliche Fortschritte gemerkt hat.

Wie wirkt sich der chinesische Kfz-Markt, wie vorher angesprochen, auf die Innungsbetriebe aus?

Momentan bauen die chinesischen Hersteller ihre Netze auf und suchen Partner auf dem deutschen Markt. Die einen haben den Fokus auf den Online-Markt gelegt - Beispiel Tesla, aber das allein funktioniert in Deutschland nicht. Die anderen suchen Händler, die die Marken in Deutschland mitvertreten. Der deutsche Markt und der deutsche Käufer möchten Beratung und der Markt sind nach wie vor sehr stark auf den stationären Handel fixiert, was gut ist. Auch für die Autohäuser und auch für die Innungsbetriebe natürlich. Denn die Autobesitzer wollen natürlich sichergehen, dass sie sich auf die lokalen Kfz-Betriebe verlassen können. Die Autohäuser hier nehmen teilweise chinesische Marken mit auf. Da wird sicher eine gewisse Dynamik entstehen und das wird es auch brauchen.
Nina Walter

Ludger Wendeler Obermeister Kfz-Innung Göppingen
Ludger Wendeler Obermeister Kfz-Innung Göppingen

Zur Person

Ludger Wendeler ist Obermeister der Kfz-Innung Göppingen, stellvertretender Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Göppingen und Vizepräsident des Kfz-Landesverbands. Zudem ist er geschäftsführender Gesellschafter von Burger Schloz Automobile.


Zulassungszahlen

<br/>