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Ludger Wendeler: "Der Fortschritt im Bereich der E-Autos kommt aus dem Markt"
Sonderveröffentlichung

Kraftfahrzeug und Verkehr Ludger Wendeler: "Der Fortschritt im Bereich der E-Autos kommt aus dem Markt"

Interview mit Ludger Wendeler, Innungsobermeister der Kfz-Innung des Landkreises Göppingen, über die Herausforderungen der Kfz-Branche und die dennoch sehr guten Karriereaussichten.

Obermeister Ludger Wendeler zieht Bilanz zur Marktsituation in den ersten Monaten des Jahres.

11.08.2025

Herr Wendeler, wie ist aktuell die Lage in der Kfz-Branche?

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udger Wendeler: Nach einem guten halben Jahr zeigt sich: Die Zahl der Neuzulassungen ist etwas zurückgegangen. Sowohl im Bund als auch hier bei uns im Kreis Göppingen. Bundesweit gibt's einen Rückgang zum ersten Halbjahr 2024 von 4,7 Prozent. Im Landkreis Göppingen sind es sogar 9,27 Prozent also schon ein Stück mehr.

Woran liegt das?

Ich denke, das hat viele Gründe. Natürlich spielt die allgemeine Unsicherheit eine Rolle die ist bei den Leuten einfach da. Und die Transformation zu alternativen Antrieben, die wirkt sich auch aus. Die konjunkturelle Lage im Kreis Göppingen ist zudem schon auch besonders herausfordernd. Unsere Region ist da konjunkturell stärker betroffen als der Durchschnitt in Deutschland. Es gibt aber auch Positives: Der Anteil der Elektrofahrzeuge steigt. Und zwar nicht nur bundesweit, sondern auch bei uns im Kreis. Wenn man sich die reinen Elektrofahrzeuge anschaut - also wirklich batterieelektrische Fahrzeuge -, dann ist der Anteil im Vergleich zum Vorjahr um rund 4 Prozent gestiegen. Das heißt, im ersten Halbjahr 2025 sind etwa 16 Prozent der zugelassenen Fahrzeuge rein elektrisch.

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Und die Hybridfahrzeuge?

Die kommen noch dazu. Wenn man die mitrechnet, also den gesamten Bereich der alternativen Antriebe, dann liegt der Anteil mittlerweile bei über 50 Prozent - genauer bei 57,3 Prozent. Das bedeutet, dass die Mehrheit der Neuzulassungen inzwischen alternative Antriebe hat.

Sehen Sie das als positiven Trend?

Ja, absolut. Man sieht: Es geht voran. Und zwar auch ohne dass es aktuell neue große Förderprogramme gibt. Dieser Fortschritt kommt also aus dem Markt heraus. Und es kommen mehr E-Fahrzeuge auf den Markt - auch von chinesischen Herstellern -, was sich im Preisgefüge bemerkbar machen wird. So werden die E-Fahrzeuge mit Sicherheit günstiger werden.

"Ich wünsche mir von der Politik mehr Verlässlichkeit bei Zusagen."

Woher kommt der Impuls - vom privaten oder gewerblichen Bereich?

Vorwiegend vom gewerblichen Bereich. Die Privatkunden tun sich mit rein elektrischen Fahrzeugen nach wie vor schwer. Die typischen genannten Gründe sind bekannt: Reichweite, Ladeinfrastruktur, Haltbarkeit der Batterien. Obwohl ich finde, dass diese Punkte eigentlich kein echtes Problem mehr darstellen – die Hersteller geben ja Garantien, da ist das Risiko gering. Zudem sind die Reichweiten mittlerweile sehr gut und auch die Infrastruktur ist vorhanden. Aber trotzdem ist die Zurückhaltung bei Privatkunden noch da. 

Kritiker bemängeln die geringen Lademöglichkeiten.

Also, das sehe ich nicht ganz so dramatisch. Unsere Erfahrung ist: Die Kunden, die E-Fahrzeuge kaufen, haben meist entweder zu Hause oder beim Arbeitgeber Lademöglichkeiten. Und der Großteil der Ladevorgänge findet eben dort statt. Die öffentliche Ladeinfrastruktur ist natürlich wichtig, gerade entlang von Verkehrsachsen. Aber da hat sich in den letzten ein, zwei Jahren viel getan, und es wird weiter investiert. Wir sehen da momentan keinen Engpass, auch wenn es zu Ferienzeiten mal zu Spitzenbelastungen kommen kann - das sind aber Einzelfälle.

Wie sehen Sie die technische Entwicklung bei E-Autos?

Die neuen Fahrzeuggenerationen haben heute Reichweiten von über 500 Kilometern - teilweise sogar realistisch 700 bis 800. Manch Benziner kommt so weit nicht. Das Argument mit der Reichweite zieht meines Erachtens nicht so recht - denn die meisten Fahrten, die die Leute am Tag machen, sind ja Kurzstrecken. Für Langstrecken gibt es ja ohnehin immer Ladepausen.

Wie sieht es auf dem Gebrauchtwagenmarkt aus?

Insgesamt recht stabil. Bundesweit sieht man eine minimale Steigerung von 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Kreis Göppingen dagegen ein ganz leichter Rückgang von 1,99 Prozent. Und: Das Angebot ist mittlerweile ganz gut, es gibt keine Lieferrestriktionen mehr. Und man merkt, dass auch die Privatkunden sich verstärkt für Gebrauchtwagen interessieren - weil die Preise dort oft attraktiver sind.

Welche globalen Entwicklungen wirken aktuell auf den deutschen Markt?

Zwei große Themen: erstens die USA - da sind Strafzölle auf deutsche Fahrzeuge im Gespräch - aktuell sollen es ja bis zu 15 Prozent sein. Das verteuert die Autos natürlich enorm. Und zweitens China: Der chinesische Markt läuft momentan nicht gut für die deutschen Hersteller. Die chinesischen Kunden kaufen zunehmend chinesische Elektrofahrzeuge. Deutsche Hersteller dominieren noch im Verbrenner- und Luxussegment, aber bei E-Autos verlieren sie dort Marktanteile. Das könnte auch dazu führen, dass mehr Fahrzeuge in Europa abgesetzt werden müssen - was dann wiederum hier Auswirkungen hat, möglicherweise auch auf die Preise.

Was bedeutet das konkret für den Handel vor Ort?

Das kann uns stark treffen. Der Kreis Göppingen ist sehr exportorientiert, gerade in Richtung USA. Wenn dort Absatz wegbricht, dann schlägt das auf unsere Unternehmen durch im Maschinenbau wie im Automobilbereich. Das belastet natürlich auch die Autohäuser bei uns in der Region durch die Leasing- oder Kaufzurückhaltung der Unternehmen.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Zwei Dinge. Erstens: Verlässlichkeit. Wenn man eine Förderung ankündigt, dann muss man sie auch durchziehen. Nicht alle zwei Monate was anderes auf den Tisch bringen. Die Leute wollen wissen, woran sie sind. Und zweitens: Strompreise runter. Der Strom in Deutschland ist einfach zu teuer - auch im Vergleich zu anderen Ländern in Europa. 

Das macht das E-Auto unnötig unattraktiv. Wenn man will, dass sich die E-Mobilität durchsetzt, muss man da was tun gerade beim öffentlichen Laden.

Wie läuft das Service-Geschäft, das für die Werkstätten ja eine wichtige Basis ist?

Wir merken hier schon auch eine Zurückhaltung, so mancher verschiebt eine Reparatur, die nicht notwendig ist oder scheint. Aber ich kann nur raten, Inspektionen dennoch zu machen - und das in einer qualifizierten Innungswerkstatt.

Kommen wir noch zum Thema Ausbildung. Vor Kurzem war ja die Einschulung der neuen Berufsfachschüler.

Ja, wir haben 65 neue Auszubildende, die im September starten, gemeinsam mit der Schule Gewerblichen begrüßt. Das sind sogar ein paar mehr als im Vorjahr.

Was macht die Ausbildung so attraktiv für junge Leute?

Ich denke, es ist die Faszination für Technik. Viele junge Leute interessieren sich nach wie vor für Autos, für das, was unter der Haube passiert. Und was auch dazukommt: Es ist ein sicherer Beruf. Gerade jetzt, wo viele große Industriebetriebe Tausende Jobs abbauen, schauen sich viele lieber im Mittelstand um - da ist die Übernahmequote nach der Ausbildung hoch. Unsere Kfz-Betriebe übernehmen ihre Azubis fast alle. Und wer nicht übernommen wird, findet bei einem anderen Betrieb einen Platz - da gibt's keine Probleme. Allgemein sind die Perspektiven in der Kfz-Branche sehr gut und die Verdienstmöglichkeiten auch. Wir merken, wie das Handwerk wieder gefragter wird.

Zur Person
Ludger Wendeler ist Obermeister der Kfz-Innung Göppingen, stellvertretender Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Göppingen und Vizepräsident des Kfz-Landesverbands. Zudem ist er geschäftsführender Gesellschafter von Burger Schloz Automobile. Constantin Fetzer