„Die Transformation wird in diesem Jahr weiter an Fahrt aufnehmen.“, so Ludger Wendeler von der Kfz-Innung Göppingen
Sonderveröffentlichung

Kraftfahrzeug und Verkehr „Die Transformation wird in diesem Jahr weiter an Fahrt aufnehmen.“, so Ludger Wendeler von der Kfz-Innung Göppingen

Pandemie und Lieferschwierigkeiten haben die Branche im letzten Jahr herausgefordert. Trotzdem blickt Ludger Wendeler, Obermeister der Kfz-Innung Göppingen, optimistisch in die Zukunft.

Trotz aller Herausforderungen blickt Innungsobermeister Ludger Wendeler optimistisch auf das Jahr 2022. Foto: Innung

14.02.2022

Herr Wendeler, mit 2021 ist ein weiteres Corona-Jahr vorübergegangen. Wie ist es dem Kfz-Handwerk ergangen?Ludger Wendeler: Insgesamt verlief das Jahr 2021 zufriedenstellend für das Kfz-Handwerk, wenn es bisweilen auch herausfordernd war – wie für die meisten Branchen. Die Werkstätten waren geöffnet und das Servicegeschäft, das 2020 rückläufig war, hat sich wieder stabilisiert, doch haben uns die Nebenfolgen der Pandemie sehr beschäftigt – allen voran natürlich die unterbrochenen Lieferketten. Speziell der Halbleitermangel war problematisch - schließlich ist in modernen Fahrzeugen eine Vielzahl an Mikrochips verbaut, zum Beispiel auch in Ausstattungen wie elektrischen Heckklappen und Fensterschließungen.

Welche Auswirkungen hatte das konkret?

Viele Fahrzeuge konnten nicht oder nicht vollständig produziert werden, das hat sich natürlich schon bemerkbar gemacht. So ist die Zahl der Neuzulassungen in Deutschland um zehn Prozent zurückgegangen im Vergleich zu 2020. Im Landkreis Göppingen sogar noch etwas mehr: Hier haben wir ein Minus von 13,5 Prozent zu verzeichnen.

Die Lieferengpässe haben sich aber auch auf den Markt für Gebrauchtfahrzeuge ausgewirkt. Weil weniger Neufahrzeuge geliefert worden sind, sind weniger junge Jahreswagen und Gebrauchte zurückgekommen - diese wurden ganz einfach länger gefahren. So gab es 2021 nur 6,7 Millionen Besitzumschreibungen in Deutschland, das ist ein Rückgang von 4,5 Prozent.

Das Interesse am individuellen Fahrzeug ist also nach wie vor vorhanden?

Die Nachfrage ist da und Corona hat den Trend zum eigenen Auto sogar eher wieder verstärkt. Die Auftragsbestände sind jedenfalls gut. Der Rückgang der Neuzulassungen und Besitzumschreibungen in diesem Maße lässt sich also allein auf die fehlende Verfügbarkeit von Fahrzeugen zurückführen und nicht auf schwindende Kaufbereitschaft auf Seite der Kunden: Die Branche könnte mehr verkaufen, gäbe es keinen Mangel an Ware.

Wie haben die Kunden auf die Lieferengpässe reagiert?

Vor allem anfangs führten die Lieferverzögerungen und -ausfälle zu schwierigen Kundengesprächen. Zwar ist der Handel nicht dafür verantwortlich, dass Liefervereinbarungen nicht eingehalten werden können, wir sind jedoch der erste Ansprechpartner für den Kunden und müssen diese Themen entsprechend transportieren. Mittlerweile ist das anfängliche Unverständnis der Kunden aber gewichen, auch weil man in fast jeder Branche damit konfrontiert ist.

Die große Stornierungswelle ist also ausgeblieben?

Die meisten Kunden haben Verständnis für die Situation und wissen, dass den Handel keine Schuld an der aktuellen Entwicklung trifft. Die Autohäuser und Innungsbetriebe bemühen sich außerdem sehr stark darum, Lösungen zu finden und die Mobilität für den Kunden sicherzustellen. Das bedeutet manchmal natürlich, Kompromisse eingehen zu müssen in Bezug auf die Ausstattung des Wunschfahrzeugs und es gab auch Einzelfälle, die ihren Auftrag wieder abbestellt haben. Dabei handelt es sich aber um eine Minderheit.

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Foto: Stock.Adobe.com/nerthuz

Wann rechnen Sie mit einer Entspannung der Lage?

2022 wird sicherlich weiterhin stark unter dem Einfluss der Lieferengpässe stehen, zumindest im ersten Halbjahr. Speziell die Halbleiterproblematik wird uns aber noch eine Weile beschäftigen, einfach weil die Nachfrage in allen Branchen sehr hoch ist. Die Produktion der Halbleiter wird hochgefahren und es werden auch neue Werke gebaut, aber es dauert einfach seine Zeit, bis diese lieferbereit sind.

Ich gehe also davon aus, dass die Verfügbarkeit von Fahrzeugen 2022 etwas besser sein wird als 2021, und obwohl es noch weit entfernt sein wird von einem Normaljahr, bin ich doch optimistisch. 2023 wird es dann wieder eine normale Lieferfähigkeit geben, so ist die Hoffnung – vorausgesetzt, dass Corona keinen Strich durch die Rechnung macht.

Welche Themen spielen 2022 sonst noch eine Rolle für die Kfz-Branche?

Das Thema Antriebe spielt natürlich weiterhin eine große Rolle. Letztes Jahr betrug der Anteil der Elektro-Fahrzeuge inklusive Plug-in-Hybridfahrzeugen bei den Neuzulassungen 42,9 Prozent in Deutschland, im Landkreis Göppingen sogar 44,4 Prozent: Damit hat knapp jedes zweite neu zugelassene Fahrzeug in Göppingen einen alternativen Antrieb. Der Anteil rein elektrischer Batteriefahrzeuge lag im Landkreis immerhin bei 17,3 Prozent. Es wird also deutlich, dass die Transformation weiter an Fahrt aufgenommen hat und die Anteile werden 2022 noch steigen. Das liegt natürlich auch an den interessanten Fördermöglichkeiten, Prämien und Steuervorteilen für Dienstwagen, die in diesem Jahr im Wesentlichen weitergeführt werden.

Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Man muss offen sein für die neuen Antriebe, auch wenn das Herz vielleicht noch am Verbrenner hängt. Das ist einfach wichtig, um die Welt für zukünftige Generationen zu bewahren. Ich denke, dass man die Entwicklung deswegen nicht bremsen darf, sondern vernünftig begleiten muss. Die Hersteller sind hier schon weiter und viele haben angekündigt, bereits vor 2035 aus dem Geschäft mit dem Verbrenner auszusteigen. Ab dann werden keine Verbrenner mehr zugelassen. Aber wenn Reichweite, Preis und Ladeinfrastruktur gegeben sind, wird auch die letzte Skepsis gegenüber den E-Fahrzeugen schwinden, davon bin ich überzeugt.

Weiterhin sollte die Politik aber auch das Thema E-Fuels fördern – schließlich werden Verbrennermotoren noch viele Jahre und weit über 2035 hinaus auf den Straßen zu finden sein. Durch Beimischung von E-Fuels könnte man sie sauberer machen, sofern die E-Fuels umweltfreundlich hergestellt werden.

Bringt die Transformation Veränderungen für die Autohäuser mit sich?

Die Hersteller nehmen die neuen Antriebe zum Anlass, auch die Vertriebsmodelle anzupassen und den Anteil des Direktvertriebs zu erhöhen. Das bedeutet, dass die Kunden vermehrt direkt beim Hersteller bestellen können. Auch Agenturmodelle werden eine Rolle spielen. Dabei bestimmt der Hersteller die Preise und auch eventuelle Nachlässe für den Kunden. Der Händler vor Ort ist währenddessen dafür zuständig, die Kunden zu vermitteln, wofür er eine Provision erhält. Dieses Modell ist nicht ganz neu und wird bei manchen Herstellern in abgeschwächter Form bereits seit einigen Jahren angewendet.

Liegen in dieser Veränderung der Vertriebsmodelle eher Risiken oder Chancen?

Es kann beides sein, abhängig davon, wie die Hersteller diese Umstellung gestalten werden. Die meisten werden ein Interesse daran haben, den Handel vernünftig in das Geschäftsmodell zu integrieren. Schließlich ist dieser ideal für den Vertrieb aufgestellt und sorgt als verlässlicher Partner für die Kundenbindung.

Da die Preishoheit beim Hersteller selbst liegen wird, kann dies außerdem zu einer Preisstabilisierung führen – ähnlich wie bei der Buchpreisbindung – und damit auch die Erträge des Händlers stabilisieren. Insofern sehe ich in Summe mehr Chancen.

Inwiefern wird sich das Kfz- Handwerk sonst noch mit den neuen Antrieben verändern?

Auch das E-Fahrzeug wird regelmäßig zum Service gebracht werden müssen, die Werkstätten werden also nicht verschwinden und das Kfz-Handwerk wird weiterhin sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze bieten. Natürlich ist es für die Betriebe wichtig, sich auf die neuen Antriebe einzustellen, die Mitarbeiter zu schulen und für die Hochvolttechnik zu qualifizieren. Auch die Arbeitsplätze müssen entsprechend eingerichtet und ausgestattet werden. Insgesamt wird sich das Berufsbild verändern und Themen wie Diagnose und Fehlersuche werden an Bedeutung gewinnen. Der Wandel trifft uns aber nicht wie ein Erdbeben. Die Betriebe haben genügend Zeit, sich vorzubereiten. Daniela Strohmaier

Fast jedes zweite neu zugelassene Fahrzeug im Landkreis hat einen alternativen Antrieb.

Zulassungszahlen 579 Neufahrzeuge wurden im Januar im Landkreis Göppingen zugelassen (Dezember: 686). Davon waren 85 Elektrofahrzeuge (171), 155 Hybridfahrzeuge (193) und davon 70 Plugin-Hybridautos (120).

1658 Gebrauchtwagen, die im Januar zugelassen wurden, zählt das Landratsamt Göppingen (Dezember: 1844).