Normal oder krankhaft?
Sonderveröffentlichung

Leben und Wohnen im Alter Normal oder krankhaft?

Gesundheit: Wird häufig etwas vergessen, fürchten ältere Menschen oft, erkrankt zu sein. Doch nicht jede Vergesslichkeit ist eine beginnende Demenz.

Mit Merkzetteln wie diesen können Menschen mit einer beginnenden Demenz oft nichts mehr anfangen. Foto: dpa/Christin Klose

15.07.2021

Wer im Alter immer wieder Dinge vergisst, hat schnell eine Befürchtung: Bin ich an einer Demenzform erkrankt – habe ich etwa Alzheimer? Eine ärztliche Untersuchung ist in so einem Fall immer sinnvoll. Es beruhigt vielleicht aber auch schon ein bisschen, wenn man weiß, dass es einige Unterschiede zwischen dem „normalen“ Vergessen und den sogenannten pathologischen Gedächtnisstörungen gibt, wie sie bei Frühformen von Demenzen auftreten.

Der Schlüssel im Kühlschrank

Ein Beispiel sei der Nutzen von Merkhilfen, sagt der Neurologe Michael Lorrain in einem Video des Vereins Alzheimer Forschung Initiative. Diese Zettel, auf denen man sich Dinge notiert, an die man unbedingt denken muss, seien bei Demenz-Frühformen zunehmend nicht mehr hilfreich. „Das heißt: Die Menschen schreiben etwas auf, aber sie wissen nicht mehr, welche Bedeutung es hat und in welchem Kontext sie etwas aufgeschrieben haben“, erklärt Lorrain.

Unterschiede gibt es auch beim Verlegen von Dingen. Bei pathologischen Gedächtnisstörungen legen Betroffene Gegenstände oft an Orte, wo sie wirklich überhaupt nicht hingehören – und vergessen das dann. So landet zum Beispiel der Schlüsselbund im Kühlschrank.

Eine Abgrenzung zwischen „normalem“ und krankhaftem Vergessen ist laut dem Neurologen auch, dass vergessene Inhalte normalerweise auf kurz oder lang wieder im Gedächtnis auftauchen. Bei Alzheimer und anderen Demenzformen blieben sie jedoch für immer verschwunden.

Was vielen Menschen vermutlich nicht bewusst ist: Es gibt auch „nicht so pathologische Gründe“ für eine erhöhte Vergesslichkeit, wie Lorrain sagt. An erster Stelle sei dabei die Depression zu nennen.

„Durch Depression verursachte Gedächtnisstörungen sind im Grunde genommen nach außen hin vollkommen identisch mit den Anfangssymptomen einer Demenz“, sagt der Neurologe. Ursächlich für die Vergesslichkeit können auch leichte kognitive Defizite sein, bei denen es sich aber nicht um Demenz handelt. Viele davon Betroffene entwickeln später allerdings eine Demenz.

Gedächtnisstörungen werden mitunter auch durch Medikamente verursacht, wie der Berufsverband Deutscher Nervenärzte erklärt. Sie bildeten sich in der Regel zurück, sobald man das Mittel absetzt.

Um Klarheit zu bekommen, sind Untersuchungen ratsam. „Wenn es Menschen zum Arzt treibt, weil sie Dinge vergessen, dann ist das ernstzunehmen“, sagt Lorrain. Erste Anlaufstelle ist in der Regel der Hausarzt oder die Hausärztin. Es folgt gegebenenfalls eine Überweisung an eine Neurologin oder einen Psychiater. Gerontopsychiatrische Kliniken und sogenannte Memory Kliniken bieten ebenfalls Gedächtnissprechstunden an.

Zum Arztgespräch bringt man idealerweise eine nahe stehende Person mit, die die eigenen Abläufe und Gewohnheiten kennt – das hilft den Fachmedizinern bei der Einschätzung. Zu der Diagnostik gehören auch körperliche Untersuchungen, eine Blutanalyse, Gedächtnistests und gegebenenfalls Untersuchungen des Hirns mit Hilfe bildgebender Verfahren wie etwa der Computertomographie. dpa

Möglichst lange fit und mobil

Freizeit: Radfahren ist auch für Senioren eine ideale Sportart. Wichtig dabei: das Rad anpassen.

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Dank ihres Rads bleiben Senioren lange mobil. Foto:djd/ www.diesattelkompetenz.de/GettyImages/amriphoto

Radfahren ist die ideale sportliche Betätigung für Senioren. Man verbraucht auf sanfte Art Kalorien und sorgt für eine Entlastung der Gelenke, der Kreislauf kommt in Schwung, Muskeln und Lunge sind gefordert. Und nicht zuletzt macht Radfahren gute Laune. Vor allem aber bleiben aktive Radler höheren Alters so lange mobil und selbstständig.

Damit das Radfahren für Senioren auch wirklich gesundheitsfördernd ist, sollten Radgeometrie und Sattel möglichst optimal auf den Nutzer abgestimmt sein. So wird die Wirbelsäule geschont und man ist kraftsparend unterwegs. Denn dank optimaler Sitzposition ist eine geringere Halt- und Stützarbeit des Körpers notwendig.

Auf den Fahrer eingestellt

„Bei der Anpassung an die individuellen Anforderungen setzt das sogenannte Bikefitting an. Im Profibereich ist es längst Standard“, weiß Thomas Bayer, Geschäftsführer beim Allgäuer Unternehmen „Die Sattelkompetenz“. Das Fahrrad und der Sattel werden dabei im Handel millimetergenau auf die Bedürfnisse und physiologischen Voraussetzungen des Fahrers eingestellt.

„Optimalerweise sollten sich gerade Senioren bereits vor dem Kauf eines neuen Fahrrads vom neutralen Experten im Fachhandel mithilfe eines sogenannten Physiotherameters gezielt vermessen und beraten lassen“, rät Bayer. Die Fachhändler, die diesen Service anbieten, stellen nicht nur neue Räder optimal auf individuelle Bedürfnisse ein, auch mit einem gebrauchten Fahrrad kann man die Fachgeschäfte aufsuchen.

Wenn Senioren nach einer längeren Pause wieder auf dem Sattel Platz nehmen, können sie obendrein ein Fahrradsicherheitstraining absolvieren. Dabei erlangen sie auf speziellen Übungsstrecken die nötige Sicherheit zurück.

Das Tragen eines Fahrradhelms ist in Deutschland keine Pflicht – gerade ältere Menschen sollten ihren Kopf dennoch damit schützen. Wer unsicher ist, ob er mit seiner aktuellen gesundheitlichen Situation Radfahren darf, kann einen Gesundheits-Check beim Hausarzt vereinbaren. djd

Geduld ist gefragt

Hilfen: Es braucht Zeit, um sich an Hörsysteme zu gewöhnen.

Blätterrauschen oder das Tropfen des Wasserhahns: Wer über einen längeren Zeitraum schwerhörig ist, gewöhnt sich daran, nicht alles zu hören. Bestimmte Geräusche sind dann aus der sogenannten Hörerinnerung gelöscht, wie die Bundesinnung der Hörakustiker (biha) erklärt. Ein neues Hörsystem stellt das Gehirn deshalb vor eine Herausforderung: Es muss lernen, die neuen Geräusche, die es plötzlich vom Gehör empfängt, einzuordnen.

Hörübungen helfen dem Hirn dabei. Deren Ziel ist es, dass die Höreindrücke aus der Umwelt besser wahrgenommen und die Mitmenschen besser verstanden werden. Wer erstmals ein Hörsystem bekommet und bei wem eine Hörentwöhnung vorliegt, sollte solche Übungen vom ersten Tag an machen, rät biha-Präsidentin Marianne Frickel. Bei der Gewöhnung ans neue Hörvermögen sind Geduld und Ausdauer gefragt. Damit das klappt, helfen die Hörakustiker vor Ort.

Ein gutes Beispiel für eine solche Übung ist das sogenannte Hör-Memory. In verschlossenen kleinen Dosen befinden sich unterschiedliche Dinge, erklärt Frickel. Etwa Reis, Nägel, Steine oder Geldstücke. Wie beim klassischen Memory mit verdeckten Karten ist auch hier jeweils in zwei Dosen der gleiche Inhalt. Das Ziel der Übung ist es, jeweils die passenden Klangpaare zu finden und damit die Geräuscherkennung zu trainieren. dpa