Leonhard Kern wurde am 22. November 1588 an der Schwelle zur Renaissance und dem Beginn der Neuzeit in Forchtenberg hineingeboren, in ein kleines Bauerndorf im fränkisch-hohenlohischen Kochertal, nur 12 Kilometer von Künzelsau entfernt, wo ich rund 350 Jahre später den Hauptteil meiner heute 86-jährigen Lebenszeit verbracht habe.
Ästhetik und Filigranität
Schon aus dieser geografischen Nähe und zeitlichen Distanz heraus war für mich immer ein Faszinosum, wie Leonhard Kern aus diesem hintersten Winkel reichstreuer Kleinstaaterei das so bewundernswerte Kunststück fertigbrachte, nach der Bildhauerlehre bei seinen Eltern und dem Bruder Michael in Forchtenberg vor allem in der Elfenbeinschnitzerei mit einer so wunderbaren Ästhetik und Filigranität die Qualität von Werken italienischer Hochrenaissance-Bildhauer zu erreichen. Schon allein, dass dieser junge Leonhard vom hintersten Land den Mut hatte, von 1609 bis 1614 im heutigen Italien auf Wanderschaft zu gehen, ist erstaunlich. Belegt sind seine Aufenthalte in Rom und Neapel, wahrscheinlich ist sogar ein Aufenthalt in einer der Handelsniederlassungen des Großherzogtums Florenz in Nordafrika.
"Die Ausstellung mit fröhlichem Sinn verlassen."
Für mich hat das Faszinosum Leonhard Kern also zwei Ursachen: Zum einen war es die Neugier der geografischen Nähe des Geburtsorts, zum anderen aber noch mehr die ideale Vollkommenheit seiner Schöpfungen. Die Figürlichkeit von Mensch und Tier, die Beherrschung unterschiedlichster Materialien – von Alabaster über Lindenholz bis Elfenbein – erzeugten meine Bewunderung, mit wie viel Expertise und Geduld diese wunderbaren Kunstwerke geschaffen wurden. Schon 1987 ersteigerte ich bei Christie’s mein erstes Werk von Leonhard Kern, die „Drei Grazien“ aus Alabaster, im Laufe der Zeit gesellten sich 15 weitere Werke dazu.
Sternstunde der Dokumentation
Dass es nun gelungen ist, den Leonhard- Kern-Schatz der Kaiserlichen Schatzkammer in Wien zusammen mit Werken aus dem Hällisch-Fränkischen Museum und der Sammlung Würth zu zeigen, ergibt eine echte Sternstunde der historischen Dokumentation der Werke von Leonhard Kern in Europa.
Der Ausstellung wünsche ich viel Glück. Sie ist in Schwäbisch Hall sicher nicht wiederholbar, viele Besucherinnen und Besucher erleben ein singuläres Event. Jedem Betrachter wünsche ich helle Augen und ein offenes Herz – Sie werden die Ausstellung mit fröhlichem Sinn verlassen. Reinhold Würth