Gustav Rennertz und Peter Steiner sitzen an einem großen Holztisch unterhalb eines warmen Ringlichts in den Räumlichkeiten des Planungsbüros für Architektur und Innenarchitektur 4+5 in der Scheffeltgasse in Ulm: Ein lichtdurchflutetes Büro im Obergeschoss eines großzügigen Gebäudes aus den 1920er-Jahren, inmitten einer alten Parkanlage. Mitten in der Weststadt und dennoch umgeben von viel Grün - eine richtige Wohlfühloase für die beiden sympathischen Geschäftsführer und ihre neun Mitarbeiter:innen. 4+5 beschäftigt aktuell drei Architekt:innen, sechs Innenarchitekt:innen und zwei kaufmännische Mitarbeiterinnen. Der Weg dorthin war ereignisreich - und wird in diesem Jahr aus verschiedenen Gründen gefeiert.
Ein Jahr, in dem es viele Jubiläen zu feiern gibt
Vor 40 Jahren gründet der gebürtige Düsseldorfer Gustav Rennertz, der aus einer Familie von Architekten und kleineren Bauunternehmern stammt, seine erste eigene Tischlerei in Ulm, die er kontinuierlich zu einem Planungsbüro und Design für Bau, Kunst weiterentwickelt. Von Beginn an ist die Ausstattung und Gestaltung von Arztpraxen und Kliniken ein Hauptarbeitsgebiet.
Vor 25 Jahren - also 1998 - lernt Gustav Rennertz den Schreiner Peter Steiner während des Architekturstudiums in Biberach kennen. Neben dem gemeinsamen Bezug zum Praktischen eint die beiden, dass sie zu diesem Zeitpunkt beide Selbstständige mit Familie sind: „Verantwortung und Stringenz im Tun war bei uns ähnlich stark ausgeprägt“, so Rennertz. Der Beginn einer äußerst fruchtbaren und erfolgreichen beruflichen Partnerschaft.
Vor 20 Jahren steigt Steiner als Mitarbeiter in Rennertz' Büro für Bau, Kunst und Design mit ein.
Vor 15 Jahren - also 2008 - wird die Partnerschaft geschäftlich besiegelt: Beide Architekten sind nun gleichberechtigte Partner des Planungsbüros, das nun 4+5 heißt. Das Unternehmen wächst kontinuierlich weiter und es bilden sich zwei Kernbereiche: Neben der Planung und Umsetzung von medizinischen Objekten werden verstärkt Wohnprojekte gebaut, vor allem aber auch saniert.
Vor zehn Jahren - also 2013, entsteht schließlich die 4+5 GmbH. Unter dieser Bezeichnung firmiert das Planungsbüro bis heute. Ein besonderes Highlight dieser Zeit ist die zweimalige Verleihung des Gradmann-Stiftungspreises für besondere Innenarchitekturprojekte für Menschen mit Demenz.
Das Leitbild von 4+5
Das Leitbild, das sich hinter dem Namen verbirgt und Rennertz, Steiner und ihre Mitarbeiter:innen im täglichen Miteinander und bei jedem neuen Projekt motiviert, steht für Professionalität, Technik, Funktionalität und Stringenz auf der einen Seite - mindestens genauso wichtig ist auf der anderen Seite aber die Sensibilität für die Bedürfnisse, die jedes Projekt erfüllen muss: der menschliche Aspekt. „Wir entwerfen, gestalten und bauen für Menschen. Hiervon ausgehend denken wir.“
Geteilte Visionen
Rennertz beschreibt sich und seinen Partner als Gegensatzpaar: Er selbst, der künstlerische Visionär mit Leidenschaft fürs Spirituelle, für Raumwirkung und -wahrnehmung - Steiner, der strukturierte Planer mit Expertise für das Konstruktive.
Trotz dieser Gegensätze verbindet beide die Idee einer wertebasierten Wirtschafts- und Unternehmenskultur. „Von Beginn an hatten wir dieselbe Vorstellung, wie ein Unternehmen funktionieren und was es leisten soll. Natürlich ist das ein dynamischer Prozess, aber im Kern war die Idee sehr stabil. Es kann nicht nur um Profit gehen - wir wollen auch einen Mehrwert bieten. Unsere Start-Präambel war zunächst die Erd-Charta“, erzählt Steiner. Dabei handelt es sich um eine Initiative, die weltweit dazu aufruft, einen neuen Sinn für gemeinsame Verantwortung und gegenseitige Abhängigkeit zu entwickeln, mit dem Ziel, eine lebenswerte Gegenwart und Zukunft für alle Lebewesen zu schaffen. „Und 2010 entstand in Österreich die Gemeinwohl-Ökonomie, die unsere Vorstellung nicht nur sehr gut abbildet, sondern auch überprüfbar macht.“
Das erste deutsche Planungsbüro mit GWÖ-Zertifizierung
2018 wird ein weiterer, für das Büro sehr wichtiger Meilenstein erreicht, der diese ethische Selbstverpflichtung reflektiert: 4+5 erhält die Zertifizierung der Gemeinwohl-Ökonomie - und damit die Bestätigung über die nach innen und außen gelebte Unternehmenskultur und Wirtschaftsphilosophie, die sich dezidiert von gängigen, rein motivierten kapitalistisch Ansätzen unterscheiden möchte.
Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist ein innovatives, nachhaltiges Wirtschaftsmodell mit dem Ziel einer ethischen Wirtschaftskultur. Nicht Gewinnmaximierung oder Mitarbeiter:innen als Ressourcen - wie im gegenwärtigen Wirtschaftsverständnis - stehen hier im Fokus. Stattdessen ist die GWÖ werteorientiert: Menschenwürde, ökologische Verantwortung, Solidarität, soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung und Transparenz.
Dahinter steht die Überzeugung, dass die drängenden Herausforderungen unserer Zeit - von Ressourcenknappheit und Klimakrise, dem Verlust der Artenvielfalt bis hin zur größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich Folgen des Kapitalismus sind und nur ganzheitlich und systemisch zu lösen sind. „Unser gemeinsamer Hintergrund im Handwerk - und damit der Wunsch, zu gestalten und etwas zu bewegen - erklärt, weswegen es uns so wichtig ist, Respekt vor der Umwelt und den Mitmenschen unternehmerisch nach innen wie nach außen zu leben“, so Steiner.