Das Rössle war lange Jahre Dorfwirtschaft, seit Anfang der 1980er-Jahre Gasthaus mit Hotel. „Seit 1850 ist das Rössle im Familienbesitz. Es war ein Hochzeitsgeschenk für meine Vorfahren. Erwähnt ist die Wirtschaft das erste Mal im 16. Jahrhundert“, blickt Manfred Renz, der den Familienbetrieb mit Frau Carin in der fünften Generation leitet, auf die Historie zurück. Das Rössle steht beispielhaft für den Wandel der Gastronomie im ländlichen Raum. Ganz charakteristisch war die Dorfwirtschaft nahe der Kirche. Sonntags ging es nach dem Kirchgang für die Männer zum Frühschoppen. Im großen Saal wurde gefeiert, Vereine trafen sich, Chor und Musikverein probten und es gab auch einige Attraktionen. „Legendär waren die Fasnetsbälle. Mittags war Kaffeekränzle, abends Kehraus. Und als ich ein kleiner Kerl war, war im Saal Tanzschule. Die Lehrerin hatte auf einer Papierrolle die Tanzschritte aufgemalt. Außerdem gab es Kino. Da wurde der Saal abgedunkelt. Ich erinnere mich noch, wie die ,Zehn Gebote‘ liefen – das waren so vier Filmrollen“, schildert der 60-jährige Renz.
Wirtshauskultur im Wandel der Zeit
Durchs Jahr war der Saal Ort für Vereins- und Familienfeiern. „Da kam das halbe Dorf zu einer Hochzeit. Der Saal fasste bis 250 Leute. Für so eine Hochzeit wurde oft ein Kalb geschlachtet, mittags gab es dann Kutteln, abends Kalbsbraten. Und traditionell wurde Kranzbrot aufgetischt“, schildert Renz. Kranzbrot gab es auch bei Beerdigungen, das ist heute noch so, wenngleich sich sonst vieles verändert hat. Mit der Eingemeindung nach Ulm 1974 wurde die Mehrzweckhalle gebaut, die Vereine ließen sich in eigenen Räumen nieder, der Saal wurde also nicht mehr benötigt. Anfang der 80er-Jahre baute die Familie Renz den neuen Gasthof mit Hotel neben der früheren Wirtschaft. Die Gäste kommen inzwischen von weit über Ermingen hinaus aus dem Umland, zum Mittagstisch ist das Lokal gut besetzt. Auch in der Küche hat ein Wandel stattgefunden, wie Manfred Renz weiß: „Früher haben die Leute eher gevespert, heute essen sie meist warm. Was immer gut läuft, sind Kutteln und Tellersulze.“ Was es zudem noch gibt, sind Stammtische. Mittags treffen sich Senioren zum Essen, abends stellt sich mancher Stammtisch ein – gemütlich ist es immer. Petra Starzmann
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