Dirndl und Lederhosen haben auf dem Fränkischen Volksfest in Crailsheim schon längst Einzug gehalten. Auf der Muswiese dagegen sind die alpenländischen Textilien als Freizeitmode-Trend bislang noch verpönt - allerdings steigt die Zahl ihrer vor allem jugendlichen Träger auch hier von Jahr zu Jahr. Freilich gibt es in Musdorf einen Ort, wo krachlederne Bekleidung alles andere als fehl am Platz ist: In der Weinstube Pietz herrscht allenthalben österreichisches Flair. Schon seit 25 Jahren steuert der Steirer-Hannes hierzu seine musikalischen Künste bei - mit Keyboard und Harmonika.
Dass sich die Weinstube Pietz alljährlich in eine kulinarische und musikalische Botschaft des Nachbarlandes verwandelt, liegt an Erika Pietz: Sie stammt aus Spielfeld in der Steiermark, und als sie im Jahr 1992 zusammen mit ihrem Mann Horst die ruhmreiche Immobilie in Musdorf erwarb, wo die bei alten Muswiesengängern unvergessene Familie Daiß über viele Generationen hinweg ihre Gäste bewirtete, reifte der ursprünglich gar nicht vorgesehene Plan, in die Riege der Muswiesen-Wirte aufgenommen zu werden.
Im Jahr 1995 war es dann nach einem behutsamen Umbau so weit: Auf zwei Stockwerken des historischen Bauernhauses war Platz für rund 170 Gäste. Und auf der Speisekarte stehen seither nicht nur hohenlohische Klassiker, sondern eine überaus beliebte „Brettljause“, wie sie in der Steiermark aufgetischt wird.
Daran änderte auch Sylvia Keller-Uhl nichts, als sie die Weinstube von ihren Eltern übernahm. Es gab auch keinen Grund, die musikalische Unterhaltung der Gäste zu wechseln - ganz im Gegenteil: Der Steirer-Hannes hatte sich da schon längst in die Herzen der Besucher gespielt. Das Muswiesen-Gastspiel des Berufsmusikers, der heute im bayerischen Bad Füssing wohnt, aber aus Schladming in der Steiermark stammt, begann mit einem Zufall: Bei einer Kur lernte er das Ehepaar Pietz kennen - und war sofort für die Muswiese engagiert.
Die Liebe zur Tonleiter war dem Steirer-Hannes in die Wiege gelegt: Schon sein Vater schwang als Kapellmeister den Taktstock beim Fürsten Schwarzenberg. In die baulichen Geheimnisse der Harmonika wurde er bei einer profunden Ausbildung zum Musikinstrumentenmacher im oberösterreichischen Molln eingeweiht. Das Instrument selbst spielte er schon im zarten Alter von acht Jahren. Später kam auch noch das Schlagzeug hinzu. Als Berufsmusiker steht der Steirer-Hannes seit 1976 auf der Bühne, zwischendurch auch mal kurzzeitig mit einer Band. Als Solist, zu dessen Freundeskreis auch Wolfgang Ambros und Klaus Eberhartinger von der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“ zählen, bewältigt er gut 300 Auftritte pro Jahr vor allem im süddeutschen Raum. Immer dabei: ein Keyboard und eine steirische Harmonika. Er schöpft dabei aus einem Repertoire von rund 1000 Liedern aus dem volkstümlichen Genre. Aber auch die wahre, weil traditionelle Volksmusik findet bei seinen Auftritten ihren gebührenden Platz.
Zur Muswiese hat der Steirer-Hannes ein ganz besonderes Verhältnis: „Ich bin mit dem Festvirus voll infiziert - da kommst Du nimmer davon los. "Im Laufe der Jahre hat er jede Menge Freund- und Bekanntschaften in Musdorf geschlossen - und auch in der Wirtsfamilie herrscht ein unglaublicher Zusammenhalt, das ist für mich inzwischen wie eine Familie.“ Auch außerhalb der Muswiese wird der Kontakt intensiv gepflegt.
Seine Gastspielzeit in der Weinstube Pietz beginnt der Steirer-Hannes stets mit einem Ritual: „Am ersten Tag laufe ich vor dem ersten Auftritt durch die Budengassen. Und ich bin immer wieder erstaunt, wie vielfältig das Angebot bei den Händlern ist - hier gibt es Dinge, die es sonst nirgendwo gibt, wie zum Beispiel Akkus für nicht mehr ganz so moderne Handys.“ Ein obligatorischer Anlaufpunkt für den Profimusiker ist der Maroni-Stand: „Da muss ich einfach hin.“
Die Schicht für den Steirer-Hannes beginnt an jedem Markttag der Muswiese um 11 Uhr. Bis um 1 Uhr in der Nacht sitzt er dann vor den Tasten seines Keyboards und drückt die Knöpfe seiner Harmonika. Nicht selten schwingen die Besucher der Weinstube Pietz dazu das Tanzbein - früher ein obligatorisches Vergnügen in den Bauernwirtschaften und mittlerweile fast schon ausgestorben. Harald Zigan