Es klingt erst einmal seltsam: Eine Start-up-Konferenz im Forum in Rot am See, während in Musdorf das wilde Hohenloher Leben tobt? Vorträge und Workshops zu den Kernthemen „Deutsche Wettbewerbsfähigkeit“, „Künstliche Intelligenz im Mittelstand“ und Fachkräftemangel“, während einen Kilometer Luftlinie entfernt Jungvieh prämiert wird und Händler ihre Schürzen, Hosenträger und Gewürze anbieten? Wie, bitteschön, soll das zusammenpassen? Nachfrage bei Samuel Keitel, dem Initiator des Muswiesen-Summits: „In München gibt es das Startup-Festival ,Bits & Pretzels' parallel zum Oktoberfest. Da kommen 5000 Leute und es herrscht eine unbeschreibliche Atmosphäre“, sagt der 21-Jährige. „Ich dachte mir also: Was die in München können, müssen wir doch in Hohenlohe auch hinbekommen. Wir haben zwar kein Oktoberfest, aber wir haben viele innovative Unternehmen - und die Muswiese.“
Man muss wissen: Keitel kommt aus dem Schrozberger Teilort Obereichenrot und geht auf den schönsten Hohenloher Jahrmarkt der Welt, seit er denken kann. „Ich bin ein echter Muswiesengribbl“, sagt er. Er liebe es, durch die Budengassen und die Ausstellung zu schlendern, hier und dort jemanden zu treffen, mit Freunden zusammenzusitzen. „Ich bin also der Letzte, der der Muswiese mit einer Parallelveranstaltung Konkurrenz machen will“, beteuert Keitel. Er sehe den Summit vielmehr als Ergänzung nach dem Motto„Innovation trifft Tradition“: Musdorf ist ein wichtiger Marktplatz für den lokalen und regionalen Mittelstand sowie für die Landwirtschaft, der Muswiesen-Summit bringt junge Gründer, Influencer und KI-Experten mit hiesigen Unternehmern zusammen. Einfach so vorbeikommen geht nicht. Wer teilnehmen will, muss sich anmelden. Keitels unternehmerisches Feuer wurde entfacht, als er mit 16 ein paar Wochen bei einer befreundeten Familie in den USA verbrachte. Gemeinsam besuchten sie eine Leadership-Konferenz in Chicago. „Da waren lauter Visionäre unterwegs. Deren Begeisterung, etwas voranzubringen und zu verändern, hat mich gepackt.“ Zurück daheim nahm er an einem Businessplan-Wettbewerb teil - er entwickelte gemeinsam mit einem Mitstreiter eine Haustier-App - und schaffte es ins Bundesfinale. Kurz darauf gründete er eine Firma und wollte einen Online-Marktplatz für Direktvermarkter aufbauen. Nach zwei Jahren als Einzelkämpfer war aber Schluss: „Ich bin auf gut Deutsch auf die Schnauze gefallen“, sagt Keitel. „Das war eine wichtige Erfahrung. Es hat mir gezeigt, dass allein nichts geht.“ Auch jetzt beim Muswiesen-Summit sorgt ein Team von 14 Leuten gemeinsam dafür, dass es läuft.
Nach dem Abi in Rothenburg besuchte Keitel ein Jahr lang eine Business-Schule mit christlichem Hintergrund in Nürnberg. Jetzt studiert er im fünften Semester „Management and Technology“ am Campus Heilbronn der TU München - mit Fokus auf digitalen Technologien. Ein Jahr seines Studiums hat er in der bayerischen Landeshauptstadt verbracht. Hier wie dort hat Keitel begonnen, Kontakte in die Start-up-Welt zu knüpfen. Und zusammen mit anderen hat er „Senior Connect“ gegründet, eine Online-Plattform, die erfahrene Arbeitnehmer mit Unternehmen, welche genau diese Erfahrung suchen, zusammenbringen soll.
Als Schirmherren des Summits hat Keitel den CDU-Bundestagsabgeordneten Christian von Stetten gewonnen, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schickt ein digitales Grußwort, der frühere Landes-Wirtschaftsminister Dr. Walter Döring spricht, der bekannte Kolumnist Jan Fleischhauer und die Welt/N24-Moderatorin Fanny Fee Werther moderieren, namhafte Vertreter des Hohenloher Mittelstands diskutieren miteinander, „Top Experten“ (so Keitel) zu Themen wie KI und Online-Marketing sind als Speaker vor Ort.
Und wenn es am Dienstagabend dunkel ist, werden auch die ganz normalen Muswiesen-Besucher etwas vom Summit sehen: hoch oben am Himmel. Dort soll es zum Abschluss der Veranstaltung eine Show mit 80 Drohnen geben. „So etwas hat Hohenlohe noch nicht gesehen“, verspricht Keitel. Sebastian Unbehauen