Herr Aiwanger, hatten Sie schon mal von der Muswiese gehört, ehe Sie zur BDS-Mittelstandskundgebung eingeladen wurden? Was denken Sie, erwartet Sie in Musdorf?
Fleißige, vernünftige Menschen, viele davon Mittelständler. Die Muswiese ist eine Veranstaltung mit einer jahrhundertelangen Tradition, die sich ihren ganz besonderen Charme bewahren konnte. Sie ist Treffpunkt für Jung und Alt mit überregionaler Strahlkraft und eine beeindruckende Leistungsschau von Mittelstand, Handwerk und Landwirtschaft aus der Region. Diese Branchen liegen mir besonders am Herzen. Deshalb komme ich sehr gerne nach Musdorf und bedanke mich für die Einladung.
Und was darf Musdorf von Ihnen als Gastredner erwarten?
Eine klare Botschaft an den Mittelstand und alle Steuerzahler: Ihr seid das Rückgrat unserer Wirtschaft, Ihr braucht eine Zukunftsperspektive, Arbeit muss sich wieder mehr lohnen als Drückebergerei.
Die Region Hohenlohe wurde von den hohen Herren in Stuttgart früher gern als Württembergisch-Sibirien verspottet. Ihre Heimat Niederbayern liegt auch nicht selten im Schatten des münchnerisch-oberbayerischen Selbstbewusstseins. Könnte es da vielleicht eine Art Seelenverwandtschaft zwischen unseren Stämmen geben?
Ich denke nicht, dass die Niederbayern oder die Hohenloher heute ihr Licht unter den Scheffel stellen müssen. Am Land ist die Welt oft noch mehr in Ordnung als in gewissen Stadtvierteln. Die Spötter von früher sind mit ihren Kindern mittlerweile häufig aufs Land gezogen. Ich bin sicher, wir verstehen uns hervorragend.
Kann aus vermeintlicher Schwäche eine Stärke erwachsen?
Ja, gerade ländliche Regionen und der Mittelstand müssen mittlerweile viel auffangen und Stabilität liefern.
Sie, Herr Aiwanger, strahlen jedenfalls aus: „Euch zeig ich’s! Ihr mögt mich als Provinzler verspotten, aber gerade darauf bin ich stolz.“ Täuscht das oder ist diese Haltung ein wichtiger politischer Antrieb für Sie?
Mein Antrieb ist es, vernünftige, bodenständige Politik für dieses Land zu machen. Wir brauchen wieder mehr gesunden Menschenverstand und weniger woke linke Ideologie.
Was bedeutet es heute, Politik für den ländlichen Raum zu machen? Welche Punkte sind Ihnen da besonders wichtig?
Der ländliche Raum soll auch in Zukunft attraktiver Lebens- und Wirtschaftsraum bleiben. Er ist nicht nur Erholungs- und Naturraum, Basis für eine gesunde regionale Lebensmittelversorgung und für dezentrale Energieversorgung, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsraum, der noch Entwicklungsmöglichkeiten hat. In Baden-Württemberg und Bayern haben wir sehr viele erfolgreiche Handwerksbetriebe, mittelständische Unternehmen und Hidden Champions im ländlichen Raum. Diese Strukturen haben sich während der Corona-Pandemie krisenresistent gezeigt. Eine Politik für den ländlichen Raum muss deswegen dort auch eine dauerhaft gute Infrastruktur bereitstellen. Von leistungsfähigen Breitbandanschlüssen, vielfältigen Bildungseinrichtungen bis zur Gesundheitsversorgung.
Auf der Muswiese sprechen Sie über die Themen Mittelstand und Landwirtschaft – inwieweit sind die Interessen von bäuerlichen Betrieben und anderen Familienunternehmen deckungsgleich?
Die Herausforderungen sind für Mittelstand und Landwirtschaft in der Tat sehr ähnlich. Eigentum und Wirtschaften in Generationen muss gestärkt werden, dazu muss z.B. die Erbschaftsteuer abgeschafft werden, Steuern gesenkt, ich sage, 2000 Euro pro Monat steuerfrei, dafür kein Bürgergeld für Arbeitsunwillige. Gerade kleine Familienunternehmen leiden unter der wirtschaftlichen Unsicherheit in Deutschland. Von allen Erwerbstätigen wird ihre Stimme am wenigsten vernommen. Dabei spielen Selbstständige und Kleinstunternehmen eine wichtige Rolle, wenn es um unsere Lebensqualität aller und die volkswirtschaftliche Dynamik geht. Auch Berlin muss erkennen: Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für unsere Selbstständige. Die Themen Steuererleichterungen, flexibleres Arbeiten und Bürokratieabbau gehören ganz oben auf die bundespolitische Agenda!
Sie sind ja ein geübter Bierzeltredner. Was braucht’s, damit man als Politiker durchdringt, wenn alle vor dem Bierhumpen hocken und in Feierstimmung sind?
Ich würde sagen: eine gute Mischung aus den richtigen Themen, klaren Botschaften und einer Portion Humor.
Ist bei einer solchen Rede mehr erlaubt als in anderen Umgebungen – und wo verläuft die Grenze zum Populismus?
Natürlich wird in einer Bierzeltrede mehr zugespitzt als anderswo. Das hat aber für mich nichts mit Populismus zu tun.
Ist Populismus überhaupt ein Schimpfwort für Sie?
Wenn Populismus bedeutet, wider eigenes besseres Wissen Stimmung zu machen: Das bin ich nicht und so handle ich auch nicht.
Sind Bierzelt-Auftritte Routine oder ist jede Rede anders?
Eine gewisse Routine gibt es zwar, aber es ist immer wieder etwas ganz Besonderes. Ich freue mich auf die Muswiese.
Dass Sie als bayerischer Minister ein Gastspiel in Baden-Württemberg geben: Hat das damit zu tun, dass Sie mit Ihren Freien Wählern außerhalb des Freistaats ein gewichtiger politischer Faktor werden möchten?
Ja, wir als Freie Wähler wollen nächstes Jahr in den Bundestag einziehen, mindestens über drei Direktmandate und eine bürgerliche Koalition ohne Grüne. Ich bin aber auch davon abgesehen gern wieder in Baden-Württemberg unterwegs. Die Menschen hier sind fleißig und machen keine großen Sprüche, sondern leisten etwas.
Herr Aiwanger, wie viel Zeit haben Sie denn für Ihren Muswiesen-Besuch? Bleibt Gelegenheit für einen kleinen Bummel?
Ich hoffe, dass Zeit für einen kleinen Rundgang und Gespräche bleibt. Ich will ja auch hören, was die Bürger bewegt.
Welche Programmpunkte des Jahrmarkts würden Sie denn am meisten reizen: ein Gang durch die landwirtschaftliche und die gewerbliche Ausstellung, eine Einkaufstour entlang der mehr als 250 Krämerstände oder der Verzehr einer deftigen Schlachtplatte in einer Bauernwirtschaft?
Ich versuche alle drei Punkte hinzubekommen!
Zum Abschluss noch ein paar Muswiesen-typische Entscheidungsfragen: Kraut oder Kartoffelsalat?
Beides gut
Bier oder Spezi?
Alkoholfreies Bier
Politisieren oder Schunkeln?
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Blasmusik oder Layla?
Kein Widerspruch.
Johnny oder Fendt?
Hauptsache grün. Nein, bin da offen, wir haben Johnny und Steyr.
Saustallkappe oder Country-Hut?
Jägerhut
Riesenrad oder Boxauto?
Geisterbahn
Kutteln oder Spätzle mit Soẞ?
Kutteln mit Spätzle und wenig Soße, den Senf geben Politiker selbst dazu. Sebastian Unbehauen