Der Wald als Inspiration
Sonderveröffentlichung

Neue Perspektiven Der Wald als Inspiration

Kraftsport: Sven Schober aus Murrhardt hat eine Alternative zum Fitnessstudio gefunden. Der 28-Jährige trainiert draußen mit Baumstämmen, Sandsack und Steinen.

70 Kilogramm schwer ist der Sandsack, mit dem Sven Schober sein Krafttraining in der Natur absolviert. Der Athlet ist 1,80 Meter groß und wiegt 89 Kilogramm. Foto: privat

06.05.2021

Der „Amateur-Strongman“ Sven Schober aus Murrhardt gehörte einst auch zu jenen Kraftsportbegeisterten, die im Fitnessstudio die Hanteln stemmten. Dann kam die Corona-Pandemie und die Trainingsstätten mussten von heute auf morgen schließen. Der 28-Jährige fragte sich wie es weitergehen könnte.   

Für seine Passion, das Krafttraining, entdeckte er einen neuen Ort: die Natur. Aufgewachsen und wohnhaft am Waldrand kam ihm die Idee für ein alternatives Trainingskonzept. Da seine Eltern mehrere Hektar Wald besitzen und diesen selbst bewirtschaften, fand der Kraftsportler ideale Voraussetzungen direkt vor der Haustüre. „Ich fragte mich, was habe ich in der Natur zur Verfügung und an welches Material komme ich schnell ran“, erzählt der sympathische junge Mann von seinen ersten Gedanken. Er kam auf Baumstämme, Sandsack, schwere Steine und einen Vorschlaghammer. Dann folgten wichtige Überlegungen: „Wie verwende ich die Materialien? Welche Grundübungen kann ich damit machen? Wie kann ich das, was ich sonst im Fitnesstudio mache, mit meinen neuen Trainingsgeräten abbilden?“

Es kostete ihn zahlreiche Stunden, in denen er einen völlig neuen Trainingsplan entwickelte. Dreimal die Woche investiert der Powerman seither rund zwei Stunden in sein alternatives Krafttraining. „Ich mache mich mit Eigengewichtsübungen warm.“ Dazu gehören sogenannte Burpees. Das sind gesprungene Liegestütze. Auch die Bergsteiger-Übung ist Teil des Aufwärmtrainings. „Hierbei befindet sich der Trainierende in einer Liegestützposition und zieht die Beine abwechselnd in Richtung Ellbogen“, erklärt Sven Schober und macht es vor. Nach jeweils drei Einheiten mit 20 Wiederholungen ist der Körper fit für das eigentliche Krafttraining.

Da geht der Puls hoch

Jetzt warten die Baumstämme darauf, in die Höhe gehievt zu werden. Zwischen 70 und 80 Kilogramm wiegen die schwersten. Ein „leichter Stamm“ bringt es auf 40 bis 50 Kilogramm. Sven Schober nimmt sich ein großes Exemplar, stemmt es über den Kopf und lässt den Stamm langsam auf die Schultern herab. Geräuschvoll atmet er dabei aus. Dann geht es in die Kniebeuge. Mit dem sechs Meter langen Stamm macht er an diesem Tag stattliche sechs Einheiten mit jeweils 15 Wiederholungen. Der Schweiß läuft dem Kraftpaket in Strömen über das erhitzte Gesicht.

Kurz verschnaufen, dann folgt die nächste Übung. Er nimmt einen Stamm mit einer Länge von 2,5 Metern auf, drückt diesen über den Kopf und lässt ihn anschließend in der Ellenbeuge ab, um in die Frontkniebeuge zu gehen.

Nicht weit von ihm entfernt liegt ein runder Stein mit stattlichen 50 Kilogramm Gewicht. Als Sven Schober diesen aufnimmt, geht er in die Knie und hält seine Arme wie eine Baggerschaufel. Er zieht sich den Stein auf die Oberschenkel und rollt ihn sich im Aufstehen auf die rechte Schulter. Dann wirft er den Koloss mit einem Schrei von sich. Als der Puls wieder im Normalbereich ist, wiederholt er die Übung. Der Stein wandert auf die linke Schulter. Zum Abschluss der Trainingseinheit muss der Sandsack herhalten. Der Athlet trägt ihn vor der Brust und läuft damit sechs Bahnen à 20 Meter. Zufrieden wirft er den Sack am Ende in einen Haufen voll Rindenmulch. Er lächelt zufrieden.

Ausdauertraining als Ausgleich

„An zwei Tagen in der Woche widme ich mich meiner Ausdauer“, erzählt Sven Schober. Er geht joggen. Doch nicht so, wie es ein Läufer tun würde. Er hat 16 Kilogramm Gewicht am Körper und läuft damit vier bis fünf Kilometer querfeldein, Berg hoch, Berg runter. Um dem ganzen noch ein i-Tüpfelchen aufzusetzen, werden kurze Sprints eingebaut.

Und wie hält es der Powerman mit der Ernährung? „Ich esse sehr ausgewogen“, berichtet er. Saisonales Gemüse, hochwertiges Fleisch vom Metzger (ohne Schwein), alte Getreidesorten wie Emmer oder Roggen und Hülsenfrüchte seien seine Energiequellen.

„Mein Ziel ist es, meine Muskelmasse und die Mobilität zu erhalten. Darüber hinaus arbeite ich daran, meine Athletik zu verbessern und mich für kommende Wettkämpfe vorzubereiten“, berichtet der Murrhardter. Als „Amateur-Strongman“ misst sich Sven Schober mit anderen Athleten in verschiedenen Wettkampfdisziplinen des Kraftsports. Ein Faible hat er für die Geschichte der Wikinger, was an seinem langen Bart leicht zu erkennen ist. „Die Wikinger inspirieren mich beim Training“, sagt er lachend.

Nach dem Abitur war der Naturbursche für zwei Jahre bei den Gebirgspionieren der Bundeswehr in Ingolstadt. Schon dort lernte er die raue Seite der Natur kennen. Im Anschluss studierte er an der dualen Hochschule in Stuttgart Wirtschaftsinformatik. Seinen Büro-Job hat er jedoch an den Nagel gehängt. Anstatt zu programmieren wollte er fortan lieber etwas mit Menschen machen. Unter dem Namen „Viking Nature“ hat er sich ein neues Standbein geschaffen und arbeitet als Personal-Coach. Corinna Janßen

Info Unter www.instagram.com/sven_schober/ können seine Aktionen verfolgt werden.

Die tröstende Kraft der Natur

Da stehen sie und recken ihre Blätter wie kleine Ärmchen in Richtung Licht: Die Setzlinge auf der Fensterbank sehnen sich nach draußen – zur Sonne, zur Freiheit. Nicht anders geht es den menschlichen Geschöpfen. Was ist in diesen Frühjahrswochen nicht alles los im Freien. Gefühlt sind in den Parks wohl noch nie so viele Jogger unterwegs gewesen. Auch auf den Rad- und Wanderwegen geht es hoch her. Plötzlich helfen in den Naturschutzverbänden viele Menschen mit, Vögel zu zählen, Schmetterlinge zu beobachten und Kröten zu retten.

Spazierengehen ist hip, und wer einen Garten sein Eigen nennen kann, ist in Pandemie-Zeiten eh ein Glückspilz. Das Wühlen in der Erde, das Pflanzen und Pflegen – es erdet. Den Radieschen, dem Salat oder selbst den Gänseblümchen beim Wachsen zuzuschauen ebenso.

Viele Menschen entdecken in diesen Zeiten die Natur vor ihrer Haustür ganz neu. Das ist einerseits schön, andererseits auch traurig. Bedurfte es erst einer Katastrophe wie Corona, um sich bewusst zu machen, wie erholsam, beruhigend und geradezu tröstend es ist, sich draußen in der Natur aufzuhalten. Viele Menschen sagen nun gewiss, dass sie die Flora und Fauna nun mehr wertschätzen als früher. Genau darin liegt eine große Chance. Das Gefühl, dass eine intakte Natur nicht gratis und unbegrenzt zur Verfügung steht, muss auch nach der Pandemie erhalten bleiben.