Manchmal führt der Zufall Regie. An den Beruf der Restauratorin dachte Ines Frontzek nicht, als sie mit 18 Jahren als angehende Abiturientin des Wirtschaftsgymnasiums an die Kunstakademie Stuttgart ging. Studientage standen an und das Einzige, was neben Studiengängen für Wirtschaftslehre auf dem Programm stand, war eben die Kunstakademie. Ohne große Erwartungen fuhr die Schülerin aus Bühlerzimmern nach Stuttgart und kam begeistert wieder heim. Restauratorin – das wäre es! Die Hürden: groß. Zwei Jahre Vorpraktikum und eine Aufnahmeprüfung, um einen der vier Studienplätze ergattern zu können. Doch es klappte.
Zurückhaltend berichtet die heute 34-Jährige von ihrem Erfolg. Ines Frontzek sitzt auf einem Hocker in ihrer Werkstatt in Großaltdorf. Der kleine Raum ist sparsam möbliert, Regal, Tisch, Lampe, ein gemauerter Spültisch. Eine Türe führt zu einem weiteren Arbeitsraum, der auch als Lager genutzt wird. Dort stehen schwere Geräte, lagern Drahtstellwände. Es sieht aus wie in einer Schlosserei. Drei Löwenköpfe aus grün angelaufenem Kupfer liegen auf einem Tisch – Stücke aus einem Karlsruher Brunnen, die zu restaurieren sind.
Museum war keine Option
„Für mich war immer klar: Ich will nicht ins Museum“, erzählt Frontzek. Bestärkt wurde sie in ihrem Vorhaben, als sie bei einem Praktikum in Wien die freiberuflich arbeitende Elisabeth Krebs kennenlernte. „Freiberuflich passt zu mir.“ Nicht in Hierarchien eingebettet zu sein, selbstständig entscheiden zu können.
Deshalb konzentrierte sich Frontzek bewusst auf Arbeitsfelder, die nicht über festangestellte Restauratoren in Museen abgedeckt werden sowie auf Bereiche, für die es keine speziellen Restauratoren gibt. „An Restaurierungsarbeiten von ethnologischen Funden kommt man nicht ran. Keramik, Metall und Glas blieben übrig. Damit bin ich gestartet. Dann hat sich rasch herausgestellt, wo Bedarf herrscht. Das ist vor allem Metallbau-Denkmalpflege. Brunnen, Kirchenkreuze, Uhren, Zäune.“
Mit Bibbern war Ines Frontzek 2011 gestartet, von Anfang an als Freiberuflerin. Inzwischen hat sie einen Namen in der Branche. Sie schafft es auch, ihre freiberufliche Tätigkeit mit ihren Aufgaben in ihrer Familie zu verbinden – mit ihrem Mann hat sie zwei Söhne, Ruben (8) und Malte (4). „Die Planung ist schwierig“, berichtet sie, denn als Restauratorin komme sie stets als Letzte auf Baustellen. Wenn andere Gewerke mehr Zeit brauchten, muss sie flexibel agieren.
Geplant: Jugend-Bauhütte
Doch ihre Arbeit wird gebraucht: „In Baden-Württemberg gibt es nur drei Diplom-Restauratoren, die sich im Metallbereich tummeln“, berichtet Fronzek und fügt lächelnd hinzu: „Wenn man sich einen Namen gemacht hat, ergeben sich die Aufträge von selbst.“ Inzwischen hat sie mehr Aufträge, als sie absolvieren kann. Deshalb ist sie dabei, für September eine Jugend-Bauhüttenstelle auszuschreiben. Das wird über die Deutsche Stiftung Denkmalpflege als Freiwilliges Soziales Jahr finanziert.
In Großaltdorf fühlt sich die Familie wohl. Als die Frontzeks das Haus in Großaltdorf kauften, vereinbarten sie, nach zehn Jahren erneut zu entscheiden, ob sie bleiben oder wegziehen wollen. Letzteres ist inzwischen kein Thema mehr.
Frontzek übernimmt Arbeiten im süddeutschen Raum. Aufträge kommen aber auch aus Großaltdorf – so 2019 für die Restaurierung und Instandsetzung von Ausstattungsgegenständen der Kirche. Damit die Kirchengemeinde Kosten spart, führte sie Metall-Reinigungsarbeiten auch im Team mit Ehrenamtlichen durch.
Vergangenes Jahr hatte Frontzek erstmals an der Aktion „Maus türöffner“ teilgenommen. Ihr Sohn Ruben hatte den Anstoß dazu gegeben. Der Grund: Am Ende wird unter den teilnehmenden Betrieben der Besuch eines Kamerateams verlost, samt Ausstrahlung in der „Sendung mit der Maus“.
Das wünscht sich der Achtjährige. Bei der Aktion Maustüröffner „wurde ich überrannt“, erzählt Ines Frontzek. 40 Kinder und Jugendliche aus der Region kamen. „Ich hatte mit ihnen eine alte Technik ausprobiert, das Bläuen von Metall.“
Gut kam auch an, die Scherben von zerbrochenem Geschirr wieder zusammenzupuzzeln. Vielleicht, so überlegt sie, macht sie heuer wieder mit. Von Elisabeth Schweikert
Das erste Telefon im Ort klingelte in der Hauptstraße
Die Familie Frontzek lebt in der Hauptstraße 22 in Großaltdorf, in „Postfriedes Haus“. Das um 1830 gebaute Wohnhaus mit Scheune und Stallbereich steht im Ortskern nahe der Dorflinde. Das Haus war das Stammhaus des Zimmereihandwerks in Großaltdorf. Der älteste Vertreter war Johann Michael Bögel. Bis 1913 hatte der letzte Nachtwächter des Ortes Christian Michael Bauer in diesem Haus Wohnrecht im Erdgeschoss.
1923 wurde oberhalb der Türe das Reichspostzeichen aus Email angebracht. Die Post wurde mit dem Postwagen jeden Tag mehrmals vom Bahnhof abgeholt und Sendungen dorthin geliefert. Einmal täglich wurden Briefe ausgetragen. Links neben dem Eingang (dort, wo sich heute die Restaurierungswerkstatt befindet) war die Poststelle und rechts die Schusterei. Die Post übernahm Frieda Kochendörfer vom Vater. Sie wurde auch „die Postfrieda“ genannt – deshalb hieß das Haus über Jahrzehnte Postfriedas Haus. Dort gab es lange das einzige Telefon im Ort. 1962 erbte Postfrieda das Anwesen. Nach ihrem Tod wurde es an den Zollbeamten Walleczek verkauft. 2011 kauften es Frontzeks.