Es ist viel passiert, seit der Satzungsbeschluss des Haller Gemeinderats im Februar 2017 den Weg für das größte Wohnbauprojekt der Stadt freimachte. Doch immer noch verbreitet das Baugebiet Sonnenrain das Flair einer Geisterstadt. Richtig gemütlich wirken nur die Einfamilienhäuser mit ihren begrünten Gärten entlang der Theodor-Heuss-Straße am südlichen Rand.
Die Mehrfamilienhäuser im Zentrum des neuen Haller Stadtteils dagegen befinden sich in allen Stadien zwischen Baubeginn und Fertigstellung. Zwei Geschossbauplätze sind laut Pressestelle der Stadtverwaltung noch nicht verkauft. Den Zuschlag sollen Bewerber erhalten, die das beste Baukonzept vorlegen.
Bauabläufe umgestellt
Ausgerechnet in Zeiten rasant steigender Baupreise musste der Bauabschnitt Sonnenrain II angegangen werden. Dennoch sei „den Umständen entsprechend“ alles gut gelaufen, kann René Eder, Projektleiter bei der GWG, vermelden. Um Probleme mit Materiallieferungen aufzufangen und Bauverzögerungen zu verhindern, seien teilweise die Bauabläufe umgestellt worden. Die Vergaben der großen Gewerke wie Rohbau und Fassade seien gerade noch rechtzeitig erfolgt. „Wir sind mit einem gewissen finanziellen Puffer reingegangen, und den haben wir komplett aufgebraucht“, so Eder.
Seit einem Monat seien die vier GWG-Häuser zwischen Ernst-Hornung-Straße, Reinhold-Maier-Straße und Am Sonnenrain bezugsfertig und komplett vergeben. Die 53 Eigentumswohnungen in drei der Gebäude würden derzeit den Käufern übergeben. Auch die 15 Mietwohnungen im vierten Haus seien alle schnell weggegangen.
„Bei der GWG haben wir einen Riesenstau von Bewerbungen um Mietobjekte“, sagt René Eder. Besonders freue es ihn und die Stadtverwaltung, dass die im Wettbewerb geforderten drei Gewerbeeinheiten verkauft seien. „Sogar der Wunsch, den wir alle hatten, dort ein Café reinzubringen, hat sich erfüllt“, zeigt er sich begeistert. Außerdem wird es im Gebäudekomplex mit gemeinschaftlich nutzbarem Innenhof eine Fußpflege und ein Versicherungsbüro geben.
Die Haare schönmachen lassen kann man sich jetzt bereits ein paar Meter weiter im Friseursalon „Haargalerie“ im Wohnpark Vista Sol des Haller Bauunternehmens Hofmann-Haus. „Wir waren sehr schnell ausverkauft“, kann auch Vertriebsleiter Helmut Mogck berichten. Die Wohnungen des ersten Bauabschnitts seien alle bezogen, der Rohbau des Vista Sol II werde derzeit erstellt und der Verkauf habe begonnen. „Es war eine Superbaustelle“, zeigt sich Klaus Weinmann zufrieden über das Bauprojekt seines Michelfelder Familienunternehmens, das im Sonnenrain mit 27 Wohnungen in drei Mehrfamilienhäusern vertreten ist.
Erneut Besitzer gewechselt
Einer der größten Bauherren im Sonnenrain ist die deutschlandweit agierende Wilma-Immobiliengruppe mit den Bauprojekten „Sunny East“ und „Sunny West.“ Die Gewinner des städtebaulichen Wettbewerbs für die Flächen war ursprünglich der Stuttgarter Projektentwickler Plan-Quadrat. Dieser habe Wilma für die Umsetzung der Planungen ins Boot geholt, hatte Bettina Klenk, Geschäftsführerin der Wilma Immobilien-Gruppe Region Baden-Württemberg, noch im vergangenen Jahr gegenüber der Redaktion erklärt. Das „Sunny West“ hat offenbar erneut den Besitzer gewechselt. Laut Berichten in mehreren Fachzeitschriften hat Wilma das Quartier mit neun Stadthäusern, 42 Wohnungen in vier Mehrfamilienhäusern und Tiefgarage an die BMO Real Estate Partners Germany veräußert. Die BMO Financial Group ist eine hundertprozentige Tochter der kanadischen Bank of Montreal. Als Kapitalverwaltungsgesellschaft fungiert laut den Berichten die Hansainvest Hanseatische Investment.
Das krasse Gegenstück zu trickreicher Immobilienspekulation entsteht in der nahen Karl-Friedrich-Binder-Straße. Im „Viva! Karree“ machen das Mietshäusersyndikat „Trauben & Rosinen“ und die GbR „Viva Nordost“ gemeinsam ihren Traum vom bezahlbaren Mehrgenerationenwohnen wahr. „Alle vier Gebäude werden unseres Wissens die einzigen im Sonnenrain sein, die die Energieeffizienz KfW 40 plus erfüllen“, sagt Syndikatsmitglied Gregor Zeitler.
Die Gebäude verbrauchen also nicht nur wenig Energie, sondern erzeugen sie auch selbst. Auf keinem anderen Haus im Neubaugebiet sei eine PV-Anlage zu sehen: „Erstaunlich, dass so etwas in Zeiten einer Energiekrise noch erlaubt ist“, findet Syndikatsmitglied Sina Wolbert. Beatrice Schnelle
Sinnstiftende Investition
Das Mietshäusersyndikat „Trauben & Rosinen“ ist das einzige seiner Art im Kreis Hall und finanziert sein Haus mit elf Mietwohnungen und fünf sozial geförderten Wohnungen über Direktkredite. Das Geld zahlen die Bewohner über die Miete zurück. Rund 50 Investoren hätten bislang Summen zwischen 500 und 50 000 Euro angelegt, so Syndikatsmitglied Sina Wolbert.
Die Gruppe „Viva Nordost“ baut ihre Gebäude als Eigentümer-GbR. „Als Gesamtgruppe haben wir schon vieles durchgestanden“, so Viva-Nordost-Geschäftsführerin Eva Schneider. „Was uns trägt sind Vertrauen, Mut, die Vision von einer zukunftsfähigen Form des Wohnens und ein toller Architekt.“ Im Spätsommer 2023 sollen die Häuser bezugsfertig sein. cito