Reutlinger Schiedweckentag: Genuss mit Tradition
Sonderveröffentlichung

Reutlinger Schiedweckentag Reutlinger Schiedweckentag: Genuss mit Tradition

Zum Schiedweckenessen mit Vortrag zur Brauchtumsgeschichte lädt der Reutlinger Geschichtsverein am 28. Februar, in die Stadthalle ein. Außerdem bieten Bäcker und Konditoren die Spezialitäten an.

Außen knusprig, innen würzig und fein gefüllt: Schiedwecken sind eine Reutlinger Spezialität. Foto: Archiv

27.02.2024

Wer nach Reutlingen reist, der wird in der Stadt kulinarisch verwöhnt und kann dabei gleich die eine oder andere Spezialität entdecken, die es anderswo nicht gibt. Denn nur in Reutlingen und Umgebung sind die folgenden traditionsreichen Speisen und Gebäckstücke anzutreffen, für die man gerne auch eine längere Anfahrt auf sich nimmt.

Kimmicher etwa – die großen deftigen Salzbrötchen, bestreut mit Kümmel – sind eine solche Besonderheit, die die Reutlinger Bäcker ihren Kunden das Jahr über anbieten. Rund um Dreikönig dann steht die Stadt im Zeichen der Mutscheln: Das sind Mürb- und Hefesteigsterne, die hier ihren Ursprung haben und um die in fröhlichen Würfelrunden gespielt wird.

Und dann gibt es eben die Schiedwecken, ein weiteres traditionelles Gebäck, das dank seiner Üppigkeit eigentlich ein Mittag- oder Abendessen ersetzen könnte. Gereicht wurden diese einst tatsächlich einfachen Wecken zum Ende des Winters in den so genannten „Lichtstuben“. Die wiederum waren beliebter Treffpunkt für die Menschen aus der Nachbarschaft.

Um Brennholz und Kerzen zu sparen, versammelte man sich damals gemeinsam in einer Stube, darunter auch die ledigen Mädchen und jungen Männer. Da wurde dann fleißig gearbeitet – vor allem Ausbesserungsarbeiten an Haushaltsgegenständen und Werkzeug, aber auch Handarbeiten wie Stopfen, Stricken, Spinnen standen auf dem Programm. Und natürlich wurde viel geredet, erzählt, gesungen und gelacht. Kein Wunder, dass dann viele es bedauerten, wenn mit beginnendem Frühling das Ende der „Lichtstube“ gekommen war.

Die letzte „Lichtstube“ wurde daher noch einmal besonders gefeiert, es wurden die besagte Wecken gereicht, dazu gab es Wein oder Most, und natürlich wurde auch zum Tanz aufgespielt. Zur Erinnerung an diese Tradition feiern die Reutlinger bis heute in jedem Jahr – nämlich am Mittwoch nach dem zweiten Fastensonntag – den Schiedweckentag.

Im 21. Jahrhundert allerdings zeigen sich die Schiedwecken in anderer Gestalt. Es sind Pasteten aus Blätterteig, meist gefüllt mit Kalbfleisch und Kräutern. Umhüllt ist die Füllung von buttrigem Blätterteig, serviert werden die Pasteten mit frischem Salat als Beilage, und wer mag, verfeinert das Gebäck mit einem Tropfen Zitronensaft und Worcestersauce.

So werden die Schiedwecken in Reutlinger Gaststätten und Cafés aufgetischt, und so werden sie auch am Mittwoch, 28. Februar, in der Stadthalle serviert, wenn der Reutlinger Geschichtsverein zum gemeinsamen Schiedweckenessen lädt. Die Besucher dürfen sich – auch das ist Tradition – an diesem Abend auf einen Vortrag zur Geschichte freuen. In diesem Jahr wird die vormalige Museumskuratorin Dr. Martina Schröder in ihrem Referat zum Thema „Von Spinnstuben, Trachtenpaaren und Wirtshäusern“ über die württembergische Künstlerkolonie in Betzingen sprechen.

Im 19. Jahrhundert wurde Betzingen als „Malerheimath“ überregional bekannt. Vom Biedermeier bis in die 1890er-Jahre kamen Künstler aus Stuttgart, Düsseldorf, München oder Berlin nach Betzingen, um vor Ort vor allem die farbenfrohe Dorftracht zu studieren. Im Atelier entstanden daraus die damals populären Genrebilder vom heiteren Landleben. Die Referentin stellt die Geschichte dieser einzigartigen Künstlerkolonie in einem unterhaltsamen Bilderreigen vor.

Wer am 28. Februar nicht in der Stadthalle dabei sein kann und somit das Pastetenessen verpasst: Keine Sorge, die Reutlinger Bäcker und Konditoren bieten die Schiedwecken dieser Tage überall in ihren Geschäften an – zum Mitnehmen und auch auf die Hand. mcj