Viel Zeit hat Anja Ehekircher nicht für lockere Gespräche. Neben dem Tagesgeschäft muss sich die Anlagenmechanikerin auch noch um das Büro und die Auszubildenden kümmern, außerdem steckt sie mitten in der Übernahme des Familienbetriebs. ,,Es gibt dabei immer die ein oder anderen Fallstricke zu beachten, außerdem war es in den letzten Jahren coronabedingt nicht ganz leicht, immer einen Termin bei der Bank oder beim Notar zu bekommen", erzählt Anja Ehekircher. „Es wird aber dadurch einfacher, dass die Übernahme fließend verläuft und ich die Aufgaben nach und nach übernehme."
Positive Resonanz von Mitarbeitern und Kunden
Dass die Mitarbeiter des SHK-Betriebs aus Geislingen zukünftig eine Chefin haben werden, ist nicht selbstverständlich – denn noch entscheiden sich vergleichsweise wenige Frauen dazu, den Schritt ins Handwerk zu gehen und noch weniger machen sich selbstständig. „Ich habe von unseren Mitarbeitern aber nur positives Feedback erhalten“, sagt Anja Ehekircher. „Viele kennen mich schon von klein auf und wissen, dass ich den Betrieb nicht völlig umkrempeln werde.“ Doch nicht nur von den Mitarbeitern, sondern auch von den Kunden erhält sie Bestätigung. „Bisher habe ich keine negativen Erfahrungen gemacht, ganz im Gegenteil. Alle freuen sich, dass ich den Betrieb meiner Familie weiterführe.“
Auf Umwegen ins Handwerk
Seit bereits 90 Jahren besteht der SHK-Betrieb der Familie Ehekircher: 1932 wurde er von Anja Ehekirchers Urgroßvater gegründet und hat auch schwere Zeiten durchgemacht. So lag es der Anlagenmechanikerin zwar am Herzen, dass der Betrieb weitergeführt wird, aber es war nicht von Anfang an ihr Plan, ihn selbst zu übernehmen. So hat Anja Ehekircher nach ihrem Abitur zuerst vier Semester Grundschulpädagogik studiert. ,,Die Inhalte des Studiums haben mir zwar gefallen, allerdings habe ich gemerkt, dass mir das Studieren an sich nicht wirklich liegt. Mir hat die Praxis gefehlt. Es ist mir außerdem wichtig, dass ich abends das Ergebnis dessen sehen kann, was ich tagsüber geleistet habe." Also brach sie das Studium ab, um eine kaufmännische Ausbildung in einem SHK-Großhandel zu absolvieren.
Den Weg ins SHK-Handwerk fand sie anschließend eher durch einen Zufall. ,,Mein Vater ter antwortete ,ja, dann mach doch'. Und so habe ich eine zweite Ausbildung zur Anlagenmechanikerin begonnen."
Schnellstmöglich zum Abschluss der Ausbildung
Weil Anja Ehekircher bereits eine abgeschlossene Ausbildung vorweisen konnte, einige Vorkenntnisse im Beruf des SHK-Anlagenmechanikers mitbrachte und auch sonst nicht auf den Kopf gefallen ist, durfte Zuerst reagierten meine Mitauszubildenden also eher skeptisch, weil sie dachten, dass ich alles durcheinanderbrächte und sie sich jetzt benehmen müssten. Allerdings haben sie auch ziemlich schnell gesehen, dass dem nicht so ist. Natürlich kam auch hin und wieder der Vorwurf, dass ich als Frau bestimmt einen Bonus bei den Lehrern hätte. Ich empfand aber eher das Gegenteil und hatte oft das Gefühl, mich extra beweisen zu müssen vor allem meinen Mitschülern gegenüber. Letztendlich hat die Klasse aber gut funktioniert. Außerdem war ich ja auch nicht in der Schule, um Freunde zu finden, sondern weil ich die Ausbildung schnellstmöglich hinter mich bringen wollte nach einem abgebrochenen Studium und einer abgeschlossenen Ausbildung war ich ja nun auch nicht mehr die Jüngste."
Den Meisterbrief in der Tasche
Nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung zur SHK-Anlagenmechanikerin verging einige Zeit, in der Anja Ehekircher im Betrieb ihres Vaters mitarbeitete. Schließlich fand sie ihren Weg auf die Meisterschule. ,,Der Meistertitel ist Voraussetzung, um ausbilden zu dürfen. Und die Ausbildung ist schon immer ein wichtiger Bestandteil unseres Unternehmens. Natürlich könnte ich auch einfach einen Meister einstellen, der die Ausbildung unserer Azubis übernimmt. Ich möchte mich dafür aber lieber auf mich selbst verlassen."
Auch auf der Meisterschule war Anja Ehekircher die einzige Frau. ,,Mein Lehrer meinte einmal, dass etwa alle zwei Jahre eine Frau unter den Schülern sei und pro Jahrgang kämen rund 90 angehende Meister auf die Schule. Man fühlt sich also schon irgendwie besonders, aber auch besonders motiviert, Leistung zu erbringen. Generell wurde der Wille nie infrage gestellt. Denn als Frau kommt man fast nur dann ins Handwerk, weil man sich Gedanken darüber gemacht und sich aktiv dazu entschieden hat, und nicht, weil es sich halt so ergeben hat."
Frauen im SHK-Handwerk
Selbst kennt Anja Ehekircher keine anderen Frauen, die als Anlagenmechanikerinnen tätig sind. ,,Dabei ist das SHK-Handwerk dank technischer Hilfsmittel und leichterer Materialien körperlich längst nicht mehr so anstrengend wie früher." Außerdem könne man sich auch auf Bereiche spezialisieren, bei denen eher andere Fähigkeiten als körperliche Stärke gefragt seien. ,,Zum Beispiel sind für die Badgestaltung Sinn für Design und ein gutes Gespür für den Geschmack der Kunden wichtig. Manchmal hat man hier als Frau sogar einen Vorteil, weil man eine andere Herangehensweise hat als die männlichen Kollegen."
Für Mädchen und Frauen, die sich eine Karriere im Handwerk vorstellen können, hat Anja Ehekircher auch einen Rat. ,,Eine ältere Kundin meinte einmal, dass sie sich freue, dass Frauen heute ins Handwerk dürfen. Ihr sei das damals nicht gestattet worden. Das ging mir schon ans Herz, denn tatsächlich hatte ich meine Berufswahl bisher nicht als Privileg gesehen. Wir leben in einer Zeit, in der die Berufswahl nicht vom Geschlecht abhängig sein sollte, sondern von den eigenen Bedürfnissen und Wünschen. Mein Rat ist also: Macht es einfach und lasst euch nicht beirren. Immer mehr Frauen gehen diesen Weg, wenn meist auch in andere Gewerke. Ich fände es aber schön, wenn sich auch mehr Frauen für das SHK-Handwerk begeistern - es ist ein wirklich toller Beruf- und für mich genau das Richtige." Daniela Strohmaier