Seit das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) seinen Gesetzesentwurf zum Verbot von reinen Öl- und Gasheizungen bereits ab 2024 vorgestellt hat, ist die Verunsicherung groß - sowohl bei Immobilienbesitzern als auch im Handwerk, das die ambitionierten Ziele umsetzen soll. Im Gespräch diskutieren die drei Obermeister der SHK-Innung Göppingen Rainer Häfele, Volker Breusch und Walter Wallitschek, was die Ideen der Ampelregierung bedeuten und welche Herausforderungen er mit sich bringen.
Die Pläne des Wirtschaftsministers Robert Habeck werden sowohl in der Politik als auch in den Medien heiß diskutiert. Was halten Sie von dem Gesetzesentwurf?
Volker Breusch: Grundsätzlich stehen wir und die ganze Branche hinter der Wärmewende und unterstützen sie voll und ganz. Den vorgelegten Gesetzesentwurf betrachten wir als Fachleute jedoch kritisch. In seiner jetzigen Form wird er aus verschiedenen Gründen und trotz aller Beteuerungen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klima kaum umsetzbar sein.
Woran liegt das?
Walter Wallitschek: Schwierig ist die Forderung, dass der Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmeerzeugung so plötzlich auf 65 Prozent steigen soll. In Baden-Württemberg ist ja bereits gesetzlich geregelt, dass neue Heizungen mit mindestens 15 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden müssen. Das ist in vielen Fällen schon eine Herausforderung und der Sprung auf 65 Prozent ist noch größer.
Rainer Häfele: Diese hohe Prozentzahl lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nur mit einer Wärmepumpe oder einer anderen strombasierten Heizung erreichen. Technologien wie Solarthermie, durch die sich der Wärmebedarf zu etwa 20 bis 35 Prozent nachhaltig abdecken lässt, und die eigentlich eine gute Lösung sind, werden obsolet, weil sie nicht mehr genug abdecken.
Innungsobermeister
Fernwärme gibt es in Göppingen zwar für städtische Gebäude, es wird aber noch einige Jahre dauern, bis sie auch für private Haushalte verfügbar ist. Und im ländlichen Raum gibt es überhaupt keinen Anschluss an ein Fernwärmenetz. Biomasseanlagen sind nicht erwünscht aufgrund der Feinstaubwerte. Was jedoch nicht vergessen werden darf: Die Fixierung auf Strom, die ja auch in der Mobilität zu beobachten ist, erfordert auch einen Ausbau der Infrastruktur und der Mittelspannungsnetze. Sonst wird es eng.
Walter Wallitschek: Dazu kommt, dass Wärmepumpen für viele Gebäude keinen Sinn machen, weil sie sich nur sehr teuer und ineffizient betreiben lassen, wenn die Voraussetzungen nicht stimmen.
Wo liegen hier die Schwierigkeiten?
Volker Breusch: Wenn man in einem schlecht isolierten 70er-Jahre-Haus mit einer Wärmepumpe heizen möchte, geht das meistens nur mit einer groß dimensionierten Wärmepumpe und extrem hohen Vorlauftemperaturen, weil die Wärmepumpe das sonst nicht packt. Renoviert man das Haus aber nach und nach, dann muss die Wärmepumpe nicht mehr so viel Energie liefern. Dann ist sie zu groß und nicht mehr effizient. Das geht auf die Leistung des Kompressors und dann geht sie schnell auch mal kaputt.
Innungsobermeister
Rainer Häfele: Natürlich kann man auch von vornherein ein Gesamtkonzept entwickeln mit neuer Dämmung der Fassade und des Dachs, mit neuen Fenstern und einer Wärmepumpe. Das bringt aber entsprechende Kosten mit sich, die sich trotz Förderung nicht immer stemmen lassen. Zudem spielt der zeitliche Faktor hier eine Rolle. Geht die vorhandene Heizung kaputt und muss durch eine Wärmepumpe ersetzt werden, bevor das Haus entsprechend saniert ist, steht man wieder vor dem Problem, das Herr Breusch eben beschrieben hat, mit dem Ergebnis, dass die Wärmeerzeugung sehr teuer wird.
Dann ist Ihnen der zeitliche Rahmen, der im Entwurf festgelegt ist, zu eng gesteckt?
Walter Wallitschek: Der zeitliche Rahmen ist sehr eng gesteckt, ja, und auch die Übergangsfristen sind sehr kurz. Natürlich muss es eine zeitliche Regelung geben, damit die Wärmewende angegangen wird, ein Mehrpunkteplan mit einer langsamen Steigerung wäre aber sicherlich sinnvoller, als gleich von null auf hundert zu gehen. Das würde vieles entzerren - für die Industrie, die die Wärmepumpen herstellen muss, für das Handwerk, das die Technologie einbauen soll und für die Hausbesitzer, die ihre Heizungssanierung sinnvoll planen können und nicht überstürzt handeln müssen, wenn die vorhandene Heizung kaputtgeht.
Sie haben bereits angesprochen, dass eine Heizungssanierung vor allem älterer Gebäude oft nur mit Blick auf eine ganzheitliche Gebäudesanierung Sinn macht. Kommt Ihnen das im Gesetzesentwurf zu kurz?
Rainer Häfele: Für die Wärmewende braucht es langfristige Lösungen und das bedeutet, dass man Energie einspart, wo auch immer es möglich ist, sei es in Form von kostenloser Energie durch Solarthermie und Photovoltaik oder durch die Dämmung der Fassade, Dächer und Fenster. Das alles muss parallel laufen und die Gebäudesanierung muss in Gänze stärker gefördert werden. Die Konzentration auf die Heizung allein ist der falsche Weg - auch weil dadurch andere sinnvolle Maßnahmen vielleicht nicht umgesetzt werden. Gespräche mit unseren Kunden und Handwerkerkollegen zeigen immer wieder, dass die Menschen durchaus etwas machen wollen. Manchmal ist es aber sinnvoller, erst andere, manchmal auch kleinere Baustellen anzugehen, bevor man sich um die Heizung kümmert.
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Volker Breusch: Es ist richtig und wichtig, die Wärme- und Energiewende anzugehen, das steht außer Frage. Wichtig ist jedoch auch, bei der Planung nicht einfach in Aktionismus zu verfallen, plötzliche Verbote auszusprechen und Anforderungen zu stellen, die an der Lebenswelt der Bürger vorbeigehen, sondern auf die Fachleute zu hören, die die Beschlüsse letztendlich umsetzen müssen. Wir wollen konstruktiv mitarbeiten, werden bisher aber gar nicht gefragt. Das jetzige Konzept ist in unseren Augen viel zu unstrukturiert. Wir fordern deswegen eine langfristige und durchdachte Strategie für die Wärmewende, die über Partei- und Legislaturgrenzen hinweg gültig ist und verbindlich ist. Auf Basis einer solchen Strategie könnten wir auch unseren Kunden verlässliche Empfehlungen für ihre Immobilien aussprechen.
Können Sie das genauer erklären?
Walter Wallitschek: Der Austausch einer Heizung ist in der Regel mit einem großen finanziellen Aufwand verbunden. Hauseigentümer, die eine effiziente Heizungsanlage installieren möchten, wollen aus diesem Grund die Empfehlung zu einer Technologie für ihr Haus, die auch in einigen Jahren noch gültig ist. Zurzeit lässt sich eine solche Empfehlung aber kaum aussprechen - weil wir selbst ja nicht wissen, ob und in welcher Form der Entwurf verabschiedet wird.
Diese Unsicherheit führt gerade bei manchen Kunden zu einem regelrechten Run auf Gas- und Ölheizungen, die noch dieses Jahr eingebaut werden sollen, damit sie für die nächsten Jahre Ruhe haben. Andere Kunden entscheiden sich dazu, lieber erst mal gar nichts machen zu lassen und abzuwarten. Der aktuelle Gesetzesentwurf erweist der Wärmewende derzeit also eher einen Bärendienst.
Kann man das an einem Beispiel darstellen?
Rainer Häfele: Ein gutes Beispiel ist hierfür einer meiner Kunden, der mehrere Häuser besitzt und sich jetzt entschieden hat, sämtliche Thermen, die älter als zehn Jahre sind, zu ersetzen, um für einige Zeit auf der sicheren Seite zu sein. Gedanken an spätere Gesamtkonzepte, die vernünftige Ideen wie eine Ergänzung der Therme mit Solarthermie oder auch einer Wärmepumpe beinhalten und in einigen Jahren umgesetzt werden könnten, kommen da gar nicht mehr auf.
Der aktionistische Gesetzesentwurf führt also nicht nur dazu, dass noch gute und funktionierende Heizungsanlagen vorsorglich herausgerissen werden, sondern auch, dass mögliche sinnvolle Investitionen nicht getätigt werden, weil nicht genügend Zeit und Spielraum für die Entwicklung von ganzheitlichen Konzepten bleiben.
Volker Breusch: Es fehlt außerdem an Verlässlichkeit mit Blick auf die Förderungen. Vor weniger als einem Jahr wurden zum Beispiel Pelletskessel noch mit einem Maximalbeitrag von 55 Prozent gefördert, seit 2023 mit maximal 20 Prozent und Pflicht einer Solaranlage. Aktuell habe ich für einen Kunden einen Zuwendungsbescheid für eine Heizung von der BAFA erhalten, der bis 2024 gültig ist.
Sollte der Gesetzesentwuf unverändert verabschiedet werden, darf ich die geförderte Heizungsanlage ab 2024 aber gar nicht mehr einbauen. In diesem konkreten Fall lässt sich die Installation noch rechtzeitig umsetzen. Problematischer könnte es aber werden für Zuwendungsbescheide, die erst später im Jahr ausgestellt werden - schließlich ist eine schnelle Lieferfähigkeit der Geräte nicht immer gesichert und für viele Betriebe ist die Lagerhaltung nur bis zu einem gewissen Grad möglich.
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Die fehlende Verlässlichkeit bringt also auch Herausforderungen aus unternehmerischer Sicht mit sich?
Rainer Häfele: Auf jeden Fall. Wegen der hohen Nachfrage und der langen Lieferzeit müssten wir uns unser Kontingent für Wärmepumpen, die wir 2024 einbauen wollen, eigentlich jetzt schon sichern. Was aber, wenn wir die entsprechende Zahl bestellen und es dann wieder schlagartig neue Regelungen gibt und zum Beispiel nur noch Wärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln wie Propan erlaubt sein werden? Dann bleiben wir auf den bestellten Geräten sitzen, weil wir sie nicht mehr einbauen dürfen. Das könnte für einige Handwerksbetriebe auch das Aus bedeuten.
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Ein wichtiges Thema, das bisher nur kurz angerissen wurde, ist die Kostenfrage.
Volker Breusch: Der Einbau einer Heizung mit erneuerbaren Energien ist bei der Anschaffung deutlich teurer als zum Beispiel eine Gasheizung. Dafür ist der Betrieb günstiger, aber nur, wenn alle Voraussetzungen stimmen und zum Beispiel auch eine Photovoltaikanlage vorhanden ist, um den Strom für die Wärmepumpe zu erzeugen. Dennoch müssen die Investitionskosten erst mal gestemmt werden können, was trotz der angekündigten großzügigen Förderungen vielleicht nicht für jeden möglich sein wird. Immerhin geht es hier um mehrere Tausend Euro, auch bei einem kleineren Haus.
Rainer Häfele: Handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus, sind die Investitionskosten entsprechend noch höher. Das wird sich auch auf die Mieten auswirken - auch im sozialen Wohnungsbau, denn die Kommunen müssen die Vorgaben ja auch umsetzen. Der Gesetzesentwurf bringt also nicht nur technische, sondern auch gesellschaftspolitische Herausforderungen mit sich. Mit Blick darauf, dass bezahlbarer Wohnraum sowieso immer knapper wird, wird das in Zukunft noch spannend.
Daniela Strohmaier
Zu den Personen
Rainer Häfele, Volker Breusch und Walter Wallitschek bilden das Obermeister-Team der Göppinger SHK-Innung. 2020 haben sie das Modell einer im Handwerk unüblichen Dreierspitze etabliert, um die Aufgaben der ehrenamtlichen Innungsarbeit auf mehreren Schultern zu verteilen.
Wärmewende gemeinsam vorantreiben
Es steht außer Frage: Um die Klimaziele bis 2045 erreichen zu können, müssen Energie- und Wärmewende angepackt werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima hat dazu einen ehrgeizigen Gesetzesentwurf vorgelegt, der durchaus nicht unumstritten ist und in Politik und Medien heiß diskutiert wird.
Auch das Handwerk sieht in dem Entwurf verschiedene Herausforderungen, die nicht so einfach gemeistert werden können und wünscht sich, in die Überlegungen der Politik besser eingebunden zu werden - als Fachleute stehen sie immerhin an erster Stelle, wenn es darum geht, die Forderungen umzusetzen. Noch ist unklar, ob und in welcher Form das Gesetz kommt. Sicher ist, dass die Wärmewende nur gelingen kann, wenn alle an einem Strang ziehen: Politik, Industrie, Handwerk und Bürger.
Timm Engelhardt
Geschäftsführer der Energieagentur des Landkreises Göppingen
www.shk-goeppingen.de
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Prüfungen gemeistert
25 angehende SHK-Anlagenmechaniker haben ihre Gesellenprüfungen an der Gewerblichen Schule in Geislingen abgelegt und sowohl Fachwissen als auch handwerkliches Können demonstriert. Ein Auszubildender hat die Prüfung sogar mit einer Belobigung abgeschlossen. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses Walter Wallitschek weiß: „Das ist eine tolle Leistung, auf die man stolz sein kann und ich gratuliere herzlich zu diesem tollen Erfolg."