Der SHK-Fachverband Baden-Württemberg hat sogar ein Strategiepapier zum Thema veröffentlicht. Worum geht es darin?
WALTER WALLITSCHEK: Das Strategiepapier enthält Überlegungen zu den Klimazielen und setzt sich mit den Auswirkungen dieser auf unsere Branche auseinander. Ein zentraler Punkt betrifft die Umsetzung. Denn Ziele zu formulieren ist nur das eine. Spannender ist die Frage, wie sich diese erreichen lassen, welche Maßnahmen dafür ergriffen werden müssen und über welche Zeitrahmen wir sprechen. Das Strategiepapier ist für die Betriebe wichtig, um sie darauf vorzubereiten, was alles erreicht werden muss bis 2030. Wir hoffen aber auch, dass sich andere Verbände dem Papier anschließen und das Handwerk so eine starke Stimme erhält, die von der Politik gehört wird. Sie muss Strategien ermöglichen, die für uns umsetzbar sind. Ohne uns wird der Wandel schließlich nicht funktionieren.
"Wir fordern von der Politik eine umsetzbare Strategie, um die Ziele zu erreichen."
Volker Breusch, Obermeister SHK-Innung Göppingen
Wo sehen Sie Schwierigkeiten?
VOLKER BREUSCH: Moderne Technologien, die Elektrizität nutzen, liegen im Trend und ihr Ausbau wird stark gefördert. Die Installation einer Photovoltaikanlage oder einer Wärmepumpe ist aber nicht immer sinnvoll oder gar umsetzbar. Wichtig ist, die Rahmenbedingungen zu betrachten: So bringt die PV-Anlage auf dem Norddach wenig Nutzen, während es schlicht nicht realistisch ist, überall im dicht bebauten Innenstadtgebiet Göppingens Luftwärmepumpen zu installieren – hier sind die notwendigen Grenzabstände für die Außenaggregate einfach nicht gegeben.
RAINER HÄFELE: Auch Nahwärmenetze werden in Zukunft ein Thema sein, aber deren Installation ist ein großer planerischer Aufwand und erfordert einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf – schließlich muss das Nahwärmenetz erst mal aufgebaut werden. Dann wird auch ein Heizkraftwerk direkt in der Innenstadt benötigt oder zumindest Leitungen vom Müllheizkraftwerk hierher. Wir sprechen hier von bestimmt fünf bis acht Jahren, die die Umsetzung erfordert.
Was fordern Sie an dieser Stelle von der Politik?
VOLKER BREUSCH: Wir fordern eine umsetzbare Strategie, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Diese dürfen durchaus auch ehrgeizig sein, aber die Politik muss hier unbedingt auf die Fachleute aus dem Handwerk hören, die wissen, was möglich ist und was nicht. So müssen zum Beispiel erst die notwendigen Voraussetzungen und Infrastrukturen für neue Technologien geschaffen werden, bevor man die etablierten verschwinden lässt. Mit einer einfachen Vorgabe, dass bis 2030 keine Verbrenneranlagen mehr gewünscht sind, ist es nicht getan.
Auch Alternativen zur strombasierten Wärmeerzeugung dürfen nicht vernachlässigt werden, das geht klar aus dem Strategiepapier hervor. Klar müssen wir wegkommen von den fossilen Brennstoffen, aber vielleicht wird es ja doch Ersatzbrennstoffe geben oder Möglichkeiten, das Gasnetz grüner zu machen.
"Technologie, die heute gefördert wird, muss auch in einigen Jahren als guter Standard gelten."
Walter Wallitschek, Obermeister SHK-Innung Göppingen
Außerdem gilt es, neben klimapolitischen Aspekten auch außenpolitische und wirtschaftliche Aspekte nicht außer Acht zulassen – ganz aktuell mit Blick auf die aktuelle Lage in Osteuropa. Holz muss eine Option bleiben, denn genauso wie Sonnenkraft ist es eine friedliche Energieform, die uns unabhängiger macht von Gas aus Russland und auch vom Fracking-Gas aus den Vereinigten Staaten.
Gibt es noch weitere Forderungen?
WALTER WALLITSCHEK: Wir brauchen Verlässlichkeit, damit wir uns – genauso wie die Politik – nicht unglaubwürdig machen. Das bedeutet, dass Produkte und Technologien, die wir heute empfehlen und die gefördert werden, auch in einigen Jahren noch als guter Standard gelten müssen. Pelletsanlagen werden beispielsweise mit einem Maximalbetrag gefördert, da die Pellets aus nachwachsenden und heimischen Ressourcen hergestellt werden, womit auch lange und umweltschädliche Transportwege entfallen. Trotzdem legt die Regierung in der neuen Abgasverordnung technische Vorschriften fest, die die Installation von Pelletskesseln in gewissen Bebauungen fast unmöglich machen. Diese Widersprüchlichkeit macht die Argumentation schwierig.
Verlässlichkeit fordern wir aber auch im Sinne unserer Kunden. Wenn wir einem Kunden heute eine Heizung empfehlen, muss sichergestellt sein, dass diese auch in den kommenden Jahren noch betrieben werden darf. Schließlich ist die Installation einer neuen Heizung eine Investition, deren Kosten erst einmal gestemmt werden müssen. Das kann man nicht alle paar Jahre machen, nur weil die Regierung kurzfristig neue Regelungen beschließt.
Was raten Sie Kunden nun, die eine neue Heizung benötigen?
RAINER HÄFELE: Früher hieß es Öl oder Gas, je nach vorhandenem Anschluss – ganz so einfach ist es jedenfalls nicht mehr. Heute muss das Haus als Ganzes betrachtet werden und die gegebenen Rahmenbedingungen müssen in die Überlegungen mit einfließen.
Was bedeutet das genau?
RAINER HÄFELE: Es muss unter anderem betrachtet werden, wie bisher geheizt wurde, ob eine Flächenheizung oder Heizkörper vorhanden sind. Auch spielt der energetische Zustand des Hauses eine Rolle: Das betrifft zum Beispiel den Zustand von Fenstern und Türen, die Dämmung, oder ob eine ganzheitliche Sanierung geplant ist, um mit den Vorlauftemperaturen nach unten zu kommen. Dann kann beispielsweise eine Wärmepumpe Sinn machen, vielleicht sogar in Kombination mit einer Photovoltaikanlage und einem Stromspeicher, sofern das Dach gut in Schuss ist. Das wird sicherlich eines der Zukunftskonzepte sein, das sich verbreiten wird.
"Um die Energiewende vollziehen zu können, braucht es jeden Einzelnen."
Rainer Häfele,Obermeister SHK-Innung Göppingen
Welche Möglichkeiten gibt es mit Blick auf die Finanzierung?
WALTER WALLITSCHEK: Um ein Haus perspektivisch so aufzustellen, dass es für die nächsten Jahre und Jahrzehnte einem hervorragenden Standard entspricht, empfehlen wir einen Sanierungsfahrplan. Dieser legt jährliche geförderte Einzelmaßnahmen für die Haussanierung fest. Mit einem Sanierungsfahrplan bekommt man vom BAFA außerdem zusätzlich fünf Prozent Förderung pro Sanierungsmaßnahme. Das ermöglicht es, die Sanierung Schritt für Schritt anzugehen. Aber auch hier fordern wir Verlässlichkeit von der Politik, dass das Programm in den nächsten Jahren fortbesteht. Außerdem muss es Perspektiven geben für Hausbesitzer mit weniger finanziellen Mitteln. Nicht jeder kann eine neue Heizung finanzieren und gleich im nächsten Jahr ein neues Dach oder eine neue Fassadendämmung. Das darf von der Politik nicht vergessen werden, wenn es um das Erreichen der Klimaziele geht. Und auch deswegen müssen bestehende Technologien verfügbar und bezahlbar bleiben – zumindest in den kommenden Jahren.
Wie wirkt sich die Energiewende auf das SHK-Handwerk aus?
VOLKER BREUSCH: So wie Corona der Digitalisierung einen Schub gegeben hat, gibt die Energiewende unserer Branche einen Schub, denn ohne uns geht es nicht. Wärmepumpen und andere neue Technologien sowie die ganzheitliche Betrachtungsweise eröffnen neue Möglichkeiten, erfordern aber auch ein Umdenken im Handwerk und eine Veränderung der etablierten Strukturen. So wird das Know-how verschiedener Gewerke benötigt, um Heizungs- und Haussanierungen sinnvoll umzusetzen. Es gilt also, nicht länger nur das eigene Süppchen zu kochen, sondern Weitblick zu haben und neue Kooperationen einzugehen. Wir sehen hier eine große Chance für das SHK-Handwerk, sich als Experte und Koordinator der Gewerke zu positionieren.
Welche Veränderungen kommen sonst noch auf die SHK-Betriebe zu?
VOLKER BREUSCH: Die Abläufe und Technologien sind mittlerweile so vielfältig, dass es vor allem für kleinere Betriebe zunehmend schwierig werden wird, dem Kunden alles anbieten zu können – schließlich wird für jede Heizungsart auch jede Menge spezifisches Fachwissen benötigt, auch in den Bereichen Kältetechnik und Elektronik. Viele Fachbetriebe werden sich aus diesem Grund spezialisieren und auch innerhalb der eigenen Branche Kooperationen mit anderen Spezialisten eingehen, um die gesamte Bandbreite an Leistungen des Handwerks abdecken zu können.
Welchen Rat können Sie den SHK-Betrieben im Landkreis erteilen?
WALTER WALLITSCHEK: Wir raten dazu, die Zeit der guten Auftragslage zu nutzen und sich auf die Zukunft vorzubereiten. So ist es für die Betriebe wichtiger denn je, ihre Mitarbeiter fortwährend zu schulen und weiterzubilden. Das ist aus zeitlichen Gründen nicht immer ganz leicht umzusetzen, aber nur so ist es möglich, mit den aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten.
RAINER HÄFELE: Auch als Innung müssen wir uns hier engagieren. So legen wir Wert darauf, dass unsere Innungsmitglieder ihren Mitarbeitern ermöglichen, sich entsprechend weiterzubilden. Außerdem organisieren wir Schulungen sowohl für Auszubildende als auch für erfahrene Gesellen – denn um den Wandel vollziehen zu können, wird jeder Einzelne gebraucht.
Welche Bedeutung hat die Energiewende für die Ausbildung?
VOLKER BREUSCH: Die Auszubildenden müssen seit der Zusammenlegung der Ausbildungsberufe Heizungsbauer und Gas-Wasser-Installateur sehr viel Stoff stemmen. Kommen jetzt noch Themen wie Kältetechnik und Strom hinzu, ist zu überlegen, ob das Berufsbild perspektivisch nicht wieder getrennt werden muss, weil es sonst zu viel wird. Für die Betriebe wird es allerdings eine große Herausforderung sein, plötzlich zwei Ausbildungsberufe anzubieten. All das wird auch im Strategiepapier diskutiert.
WALTER WALLITSCHEK: In jedem Fall wird Engagement von Schulen und Innung gefordert, damit die Auszubildenden auch die Vielfältigkeit kennenlernen können. Das wird vor allem notwendig, wenn sich Betriebe spezialisieren und nur mit ausgewählter Technik arbeiten oder überwiegend im Sanitärbereich tätig sind. Wir sind jedoch gut aufgestellt und organisieren Schulungen und Vorträge mit verschiedenen Partnern, zum Beispiel mit Wärmepumpen-Herstellern.
Denn darauf zu warten, dass die Berufe möglicherweise wieder getrennt und die Lehrpläne entsprechend ausgestaltet werden, das dauert einfach zu lang. Daniela Strohmaier
Aus der Innung: SHK-Innung Göppingen steht zur Holzheizung
Durch die undifferenzierten Äußerungen des Umweltbundesamts (UBA) wird die moderne Holzfeuerung diskreditiert und ihre Förderfähigkeit infrage gestellt. Dagegen sehen wir, die Innung SHK Göppingen, uns gezwungen – gemeinsam mit dem Energieholz- und Pellet-Verband e. V. – Stellung zu beziehen. Die Forderung des Umweltbundesamtes, aus Gründen der Luftreinhaltung auf das Heizen mit Holz zu verzichten, ist nicht nur mit Blick auf die Klimaschutzbemühungen des Bundes kontraproduktiv. Sie ist auch aus emissionstechnischer Sicht undifferenziert und wird dem Entwicklungsfortschritt moderner Biomasseheizungen wie zum Beispiel Pelletfeuerungen nicht gerecht. Pelletheizungen und Pelletkaminöfen machen heute gerade einmal 0,3 Prozent der bundesweiten Feinstaubbelastung (PM10; UBA 2020) aus. „Ohne moderne Holzenergie ist die von der Bundesregierung bis zum Jahr 2030 geplante Reduzierung der Treibhausgase nicht zu schaffen“, bekräftigt Beate Schmidt-Menig, Vorsitzende beim Deutschen Energieholz- und Pellet-Verband e. V. (DEPV).
Selbst Ministerpräsident Kretschmann plant für sein Haus eine Pelletheizung (Südwest Presse 18.2.2022). Die Schornsteinfeger vor Ort kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Kessel und Einzelraumfeuerungen wesentlich sauberer geworden sind. Dies zeigen regelmäßige Messungen an Zentralheizungsanlagen, meint Stefan Eisele, Präsident des Landesinnungsverbands des Schornsteinfegerhandwerks Baden-Württemberg. „Hier wird Spitzentechnologie mit einem alten Schwedenofen aus dem Baumarkt verglichen. Moderne Holzfeuerungsanlagen stoßen heute, verglichen mit Anlagen, die vor der Novelle der 1. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes im Jahr 2010 errichtet wurden, nicht einmal mehr ein Zehntel der Staubemission aus.“ Die Verbraucher werden durch die unheilvollen Verlautbarungen des UBA immer mehr verunsichert. Das kann Eisele auch in seiner Tätigkeit als Energieberater immer mehr feststellen, weshalb er die Stellungnahme der Innung SHK Göppingen unterstützt..