50 Jahre ist es her, dass der Reutlinger Geschichtsverein seinen ersten Schiedweckenabend gefeiert hat.„Das ist eine richtige Erfolgsgeschichte“, freut sich Roland Deigendesch, der Geschäftsführer des Reutlinger Geschichtsvereins. Der Schiedwecken wird nach alter Tradition immer am Mittwoch nach dem zweiten Sonntag in der Fastenzeit gegessen. „Zufällig war an diesem Abend vor 50 Jahren auch ein Vortag vom Geschichtsverein geplant, also verband man beides miteinander.“ Mit Erfolg. Der Abend kam so gut an, dass man die Tradition fortsetzte. Seither lädt der Geschichtsverein zum gemeinsamen Schiedweckenessen ein. Nun schon zum 50. Mal.
Der Schiedwecken ist eine Pastete aus Blätterteig, die mit Kalbfleisch gefüllt ist. Entstanden ist das Traditionsgebäck zur Zeit der Lichtstuben, in denen man im Winter zusammenkam, um Brennholz und Kerzen zu sparen und die Winterabende gemeinsam bei Handarbeiten zu verbringen. „Vor allem die Jugend ist an diesen Abenden immer zusammengekommen“, erzählt Roland Deigendesch. „Man hat gesungen und die Mädchen haben Flachs gesponnen.“ Zu späterer Stunde seien auch die jungen Männer dazugekommen, sodass es oft recht gesellig zuging.
Wenn die Tage länger wurden und der Frühling nahte, musste man sich von diesen Abenden in der Lichtstube verabschieden. Daher der Name „Schiedwecken“, von den Worten für Abschied „Scheiden“ und „Wecken“ für das Gebäck, das erst später durch die Pastete ersetzt wurde. In der letzten „Karz“, dem letzten Abend in der Lichtstube, wurde mit Wein, Tanz und den leckeren Schiedwecken gefeiert. Dass man das Fleisch dabei unter Teig versteckte, könnte an der Fastenzeit liegen.
Köstlich ist das Traditionsgebäck allemal. Die Reutlinger Bäckereien stellen die Schiedwecken nach altem Rezept her. So auch für das große Schiedweckenessen am 19. März in der Reutlinger Stadthalle. Dort freuen sich jedes Jahr um die 300 Gäste über das gemeinsame Essen. „Es ist einfach eine ganz tolle Sache. Mir schmeckt`s“, sagt Roland Deigendesch. „Wem die Reutlinger Geschichte am Herzen liegt, ist eigentlich immer dabei, und so ist es immer schön, an diesem Abend Bekannte zu treffen.“
Nach dem Festschmaus lauschen die Besucher in diesem Jahr dem Vortrag von Dr. Bernd Breyvogel aus Weinstadt, der über ein weiteres Jubiläum spricht: Thema seines Vortrags ist der 500. Jahrestag des Bauernkriegs. „Das Kuriose ist, dass der Vortrag bei unserem ersten Schiedweckenessen vor 50 Jahren auch vom Bauernkrieg handelte“, verrät der Geschäftsführer des Geschichtsvereins. Und so komme auch in diesem Jahr nach dem Genuss die Erkenntnis. Die Stimmung in der Stadthalle sei dabei immer locker gemütlich.
Der erste Schiedweckenabend vor 50 Jahren hat im Ratskeller stattgefunden. Als dieser zu klein wurde, sei man in die Gaststätte Harmonie, später in die Kemmlerhalle und nun seit 2013 in die Stadthalle umgezogen. Hier ist genug Platz für alle Freunde des Schiedweckens, den man traditionell mit Wein genießt. „Ich habe aber auch schon einige Biertrinker unter den Besuchern gesehen“, so Roland Deigendesch mit einem verständnisvollen Lächeln.
Wer nicht bis zum 19. März warten möchte, kann die Schiedwecken auch jetzt schon in den Reutlinger Bäckereien kaufen und sie sich dort oder zu Hause im Ofen aufgewärmt schmecken lassen. Ein kleiner Tipp der Bäckereien: Am besten schmeckt der Schiedwecken mit etwas Zitrone, Worcestersoße und frischem Salat.
Natalie Eckelt